Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer 1989 bis 1991
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird auf 20.333 DM festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin betrieb in den Streitjahren 1989 bis 1991 ein Unternehmen, in dessen Rahmen sie Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit aufstellte. Die Umsatzsteuerfestsetzungen beruhten auf geschätzten Umsätzen. Die Schätzungsmethode orientierte sich dabei an den Verwaltungsanweisungen (vgl. Abschnitt 149 Abs. 9 Umsatzsteuerrichtlinien – UStR – 1985), d.h. die jeweiligen Umsätze wurden auf das 1,5-fache des Kasseninhalts abzüglich der darin enthaltenen Umsatzsteuer geschätzt. Die Klägerin legte gegen die Umsatzsteuerfestsetzungen für die Streitjahre keine Rechtsbehelfe ein.
Mit Schriftsatz vom 10. Oktober 1994 beantragte die Klägerin die Änderung der Umsatzsteuerbescheide 1989 bis 1991. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 11. November 1994 unter Hinweis auf den Eintritt der Bestandskraft der Umsatzsteuerfestsetzungen für die Streitjahre ab.
Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Vorverfahren die Klage. Die Klägerin ist der Auffassung, der Beklagte habe die Umsatzsteuerbescheide für 1989 bis 1991 ändern müssen. Insbesondere könne ihr, der Klägerin, der Ablauf der Rechtsbehelfsfristen nicht entgegengehalten werden, weil die Rechtsbehelfsfrist des § 355 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) nicht zur Anwendung komme. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) habe in der Rechtssache Emmott (C-208/90, EuGHE 1991 I, Seite 4.292 ff.) entschieden, daß nationale Rechtsbehelfsfristen dem Steuerpflichtigen nicht entgegengehalten werden könnten, wenn der betreffende Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) eine EG-Richtlinie nicht oder nicht ordnungsgemäß umgesetzt habe. Das sei hier der Fall gewesen, weil Art. 11 Teil A Abs. 1 a der 6. EG-Richtlinie in § 10 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) nicht ordnungsgemäß umgesetzt worden sei. Unter Berufung auf das Urteil des EuGH in der Rechtssache Glawe (C 38/93, BStBl II 1994, 548) vertritt die Klägerin die Ansicht, daß nach der Richtlinienbestimmung der zwingend festgelegte Gewinnanteil der Spieler nicht zum Umsatzsteuerlichen Entgelt gehöre. § 10 Abs. 1 UStG gehe jedenfalls in Gestalt der Auslegung, die diese Regelung durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) gefunden habe, von anderen Grundsätzen aus. Daher sei Art. 11 Teil A Abs. 1 a der 6. EG-Richtlinie im deutschen Umsatzsteuerrecht nicht ordnungsgemäß umgesetzt worden.
Die Klägerin beantragt,
das Finanzamt zu verpflichten, den Umsatzsteuerbescheid 1989 vom 26. November 1990 insoweit zu ändern, als die Umsatzsteuer um 5.134 DM herabgesetzt wird, den Umsatzsteuerbescheid 1990 vom 4. November 1991 insoweit zu ändern, als die Umsatzsteuer um 5.471 DM herabgesetzt wird und den Umsatzsteuerbescheid 1991 vom 30. November 1992 insoweit zu ändern, als die Umsatzsteuer um 9.728 DM herabgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Meinung, er habe den Antrag auf Änderung der Umsatzsteuerbescheid 1989 bis 1991 zu Recht abgelehnt, weil die Umsatzsteuerfestsetzungen für die Streitjahre bereits in Bestandskraft erwachsen seien. Die Klägerin habe die Rechtsbehelfsfrist des § 355 AO nicht eingehalten. Die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Emmott sei auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden, weil es an der nicht ordnungsgemäßen Umsetzung einer EG-Richtlinie fehle. Die unterschiedliche Rechtsprechung des BFH (BStBl II 1987, 516) und des EuGH (BStBl II 1994, 548) zum umsatzsteuerlichen Entgelt bei Umsätzen aus dem Betrieb von Geldspielautomaten beruhe auf der unterschiedlichen Auslegung von Tatbestandsmerkmalen, nicht aber auf einer nicht ordnungsgemäßen Umsetzung des Art. 11 Teil A Abs. 1 a der 6. EG-Richtlinie.
Im Hinblick auf das Vorbringen der Beteiligten im übrigen wird auf die Steuerakten zu Steuer-Nr. … sowie die Gerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der Beklagte hat die Änderung der Umsatzsteuerfestsetzungen für 1989 bis 1991 zu Recht abgelehnt. Eine Änderung der Steuerbescheide für die Streitjahre ist nicht möglich, weil es dafür keine abgabenrechtliche Grundlage gibt. Zwar können Steuerbescheide, gemäß § 172 Abs. 1 Nr. 2 d AO u.a. dann geändert werden, wenn dies gesetzlich zugelassen ist. Die Tatbestandsvoraussetzungen der hierfür in Betracht kommenden Regelungen der §§ 173 bis 176 AO sind aber nicht erfüllt. Auch ist durch den Ablauf der Rechtsbehelfsfristen die Bestandskraft der Steuerfestsetzungen 1989 bis 1991 eingetreten.
Eine Durchbrechung der Bestandskraft läßt sich auch nicht aus dem Urteil des EuGH vom 25. Juli 1991 in der Rechtssache Emmott (C-208/90, EuGHE 1991 I, Seite 4.292 ff.) herleiten. In dieser Entscheidung hat der EuGH ausgeführt, daß sich ein Mitgliedsstaat bis zur ordnungsgemäßen Umsetzung einer EG-Richtlinie nicht auf die Verspätung einer Klage berufen kann, die ein einzelner zum Schutz der ihm durch die Bestimmungen dieser Richtlinie verliehenen...