Entscheidungsstichwort (Thema)
Abtretungsanzeige als Wirksamkeitsvoraussetzung der Abtretung nach § 46 AO 1977
Leitsatz (redaktionell)
- Die Abtretungsanzeige in der nach § 46 AO 1977 geforderten Form ist materielle Wirksamkeitsvoraussetzung und Tatbestandsmerkmal der Abtretung. Ohne sie liegt eine wirksame Abtretung nicht vor.
- Abtretungsanzeigen, die nicht in allen Einzelheiten der amtlich vorgeschriebenen Form entsprechen oder bei denen der amtliche Vordruck unvollständig oder fehlerhaft ausgefüllt worden ist, machen die Abtretung nicht von vornherein unwirksam; die Abtretung ist vielmehr auszulegen, wobei sich die Auslegung am Schutz- und Bearbeitungszweck der Abtretungsanzeige auszurichten hat.
- Der im Gesetz geforderte Abtretungsgrund muss in der Abtretungsanzeige klar und eindeutig angegeben werden. Nicht ausreichend ist es, wenn er sich nur aus den Gesamtumständen des Falles ermitteln lässt.
- Fehlt ein eindeutiger Abtretungsgrund, ist die Abtretung unwirksam.
Normenkette
AO § 46
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger und seine Ehefrau waren zu 25 bzw. 75 % Gründer der mit Vertrag vom 28.08.1984 errichteten GmbH (GmbH) in Hildesheim. Der Gesellschaftszweck der GmbH bestand in dem Betrieb von Automatenaufstellplätzen und Spielhallen.
Mit notariellem Kaufvertrag eines schweizer Notars vom 01.06.1989 übertrugen der Kläger und seine Ehefrau ihre Gesellschaftsanteile an der GmbH auf die E-gesellschaft mbH (E-GmbH). Der Übertragungsvertrag enthielt in § 3 Abs. 5 unter anderem folgende Vereinbarung:
“Steuern für die zurückliegenden Geschäftsjahre und für die Zeit bis 31. Mai 1989 fallen, auch wenn sie erst später zutage treten, den Verkäufern zur Last.
Ferner tragen die Verkäufer das Prozessrisiko für anhängige oder noch anhängig werdende Prozesse, soweit diese Tatbestände betreffen, die bis zum 31. Mai 1989 verwirklicht sind. Insoweit stellen die Verkäufer die Käuferin von Aufwendungen frei. Andererseits stehen den Verkäufern die entsprechenden Erträge zu.”
Wegen der Einzelheiten wird auf den Vertrag Bezug genommen.
Die E-GmbH führte ab Juni 1989 bis Oktober 1993 das Spielautomatengeschäft der GmbH unter eigenem Namen fort. Am 28.10.1993 wurde über ihr Vermögen das Konkursverfahren eröffnet.
Die GmbH versteuerte ihre Umsätze auf ihre Automatenumsätze bis zu ihrem Verkauf an die E-GmbH unter Anwendung eines Vervielfältigers entsprechend der damaligen Rechtslage. Nachdem der EuGH mit Urteil vom 05.05.1994 entschieden hatte, daß als umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage bei dem Betrieb von Geldspielautomaten nur der tatsächlich verbliebene Kasseninhalt zu Grunde zu legen sei, reichte die GmbH am 27.10.1994 bzw. 20.09.1995 geänderte Umsatzsteuererklärungen auf der Grundlage der EuGH-Entscheidung für die Jahre 1986 bis 1989 ein.
Das Finanzamt faßte die berichtigten Umsatzsteuererklärungen als Antrag auf Änderung der bisherigen Steuerfestsetzung auf und änderte die Steuerfestsetzungen für 1986 bis 1989 mit Bescheiden vom 17. bzw. 31.01.1996 entsprechend ab. Daraus ergaben sich Erstattungsbeträge für 1986 in Höhe von ... DM, für 1987 in Höhe von ... DM, für 1988 in Höhe von ... DM und für 1989 in Höhe von ... DM. Der Beklagte verrechnete die Erstattungsbeträge mit Steuerschulden der GmbH oder buchte sie auf sogenannte “Schwestergesellschaften” um.
Am 25.08.1994 gingen beim Finanzamt H und am 27.10.1994 beim Finanzamt D im Text teilweise abweichende Abtretungsanzeigen nach amtlichen Vordruck der Finanzverwaltung ein. Die Abtretungsanzeigen sind mit Datum jeweils vom 08.07.1994 von dem damaligen Geschäftsführer L, sowie von dem Kläger unterschrieben. L war aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses vom 14.06.1994 im Zeitpunkt der Unterzeichnung der Abtretungsurkunden Geschäftsführer der GmbH. In den Abtretungsanzeigen tritt die GmbH unter Angabe des voraussichtlichen Gesamtanspruchs in Höhe von 391.872,31 DM “Umsatzsteuer 1985 –31.5.89” an den Kläger ab. Eine Aufteilung der Abtretungsbeträge nach Kalenderjahren ist den Abtretungsanzeigen als Anlage beigefügt. Die Abtretungsanzeige vom 25.08.1994 enthält als Abtretungsgrund nur den Hinweis auf die den Gesamtanspruch aufgliedernde Anlage. Die Abtretungsanzeige vom 27.10.1994 enthält als Abtretungsgrund den Hinweis: “Abtretung zahlungshalber: Zahlungen an früheren Anteilseigner infolge EUGH-Urt. v. 5.5.1994.” Wegen der Einzelheiten wird auf die Abtretungsanzeigen verwiesen.
Der Beklagte lehnte mit Abrechnungsbescheid vom 05.03.1996 eine Erstattung der sich aufgrund der geänderten Steuerfestsetzungen ergebenden Umsatzsteuern an den Kläger ab. Den dagegen eingelegten Einspruch lehnte der Beklagte mit Einspruchsbescheid vom 19.06.1996 mit der Begründung ab, daß Zweifel an der Vertretungsbefugnis des seinerzeitigen Geschäftsführers L bestünden, die Abtretungsanzeige keinen Abtretungsgrund enthielte und wegen einer Vielzahl im Zusammenhang mit weiteren Gesellschaftsanteilsübertragungen erfolgter Abtretungen zugunsten des Klägers von einer u...