vorläufig nicht rechtskräftig
Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt
Entscheidungsstichwort (Thema)
Hinzuschätzung: Steuerpflichtiger, der vorrangig Bargeschäfte tätigt
Leitsatz (redaktionell)
- Eine Buchführung entspricht den gesetzlichen Anforderungen nicht bereits dann nicht mehr, wenn sie lediglich kleinere formelle Mängel aufweist.
- Stellt sich die Buchführung als formell ordnungsgemäß dar, kann das Ergebnis der Buchführung nur verworfen werden, wenn die Buchführung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sachlich unrichtig ist. Die objektive Beweislast trägt insoweit das FA.
- Bei einem Reifenhändler, der vorrangig Bargeschäfte tätigt, können auf Grundlage einer Bargeldverkehrsrechnung Umsätze hinzugeschätzt werden.
- Aus Angeboten eines solchen Gewerbetreibenden in Online-Portalen kann auf entsprechende steuerpflichtige Umsätze geschlossen werden.
- Das Verschweigen umsatzsteuerpflichtiger Umsätze in den USt-Erklärungen ist bei einem Stpfl., der seine Steuererklärungspflichten kennt, als vorsätzliche Steuerhinterziehung zu werten.
Normenkette
AO §§ 162, 169 Abs. 2, § 173 Abs. 1 Nr. 1; FGO § 96; UStG § 10 Abs. 1, § 25a
Streitjahr(e)
2003, 2004, 2005, 2006, 2007, 2008
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die nach einer Steuerfahndungsprüfung geänderten Umsatzsteuerbescheide.
Er betrieb in den Streitjahren einen Reifenhandel und erzielte hieraus Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Er tätigte überwiegend Bargeschäfte und ermittelte seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich. Seine Ehefrau, mit der er gemeinsam in den Streitjahren in einer angemieteten Wohnung lebte, war nicht berufstätig; sie arbeitete unentgeltlich im Betrieb des Klägers mit. Nach einem Umzug in 2005 zahlte der Kläger jeweils 620 € Monatsmiete bar an den Vermieter; Nebenkosten hatte er jedenfalls teilweise selbst gesondert zu tragen.
Für die Streitjahre reichte der Kläger jeweils Umsatzsteuererklärungen ein und erklärte hierin folgende Bemessungsgrundlagen BMG (Umsätze, ab 2006 auch unentgeltliche Wertabgaben), sich hieraus ergebende Umsatzsteuer (USt) zum jeweiligen Regelsteuersatz und Vorsteuerbeträgen aus Rechnungen anderer Unternehmer (VSt) und meldete die verbleibenden (festzusetzenden) Umsatzsteuern (fUSt) an:
Jahr |
2002 |
2003 |
2004 |
2005 |
2006 |
2007 |
2008 |
BMG |
28.398,00 € |
28.975,00 € |
27.965,00 € |
14.810,00 € |
14.137,00 € |
11.137,00 € |
11.871,00 € |
USt |
4.543,68 € |
4.693,69 € |
4.474,41 € |
2.369,67 € |
2.261,93 € |
2.116,15 € |
2.255,49 € |
VSt |
2.650,54 € |
1.680,77 € |
1.783,76 € |
813,27 € |
524,03 € |
960,05 € |
482,69 € |
fUSt |
1.893,14 € |
3.012,92 € |
2.690,65 € |
1.556,40 € |
1.737,90 € |
1.156,10 € |
1.772,80 € |
Für 2003 erließ der Beklagte unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung am 25. Februar 2005 einen Umsatzsteuerbescheid, in dem er den erklärten Umsätzen 360 € als Bemessungsgrundlage für unentgeltliche Wertabgaben (Lieferungen nach § 3 Abs. 1b UStG) hinzu rechnete. Eine Änderung der angemeldeten Steuer und Abschlusszahlung ergab sich nicht; der Kläger hatte die sich unter Einrechnung dieser Summe in die Bemessungsgrundlage ergebene Steuer von 4.693,69 € angemeldet und offenbar nur vergessen, die Bemessungsgrundlage für unentgeltliche Wertangaben in das Erklärungsformular einzutragen.
Am 11. Januar 2010 leitete das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen ein Ermittlungsverfahren gegen den Kläger ein und führte eine Steuerfahndungsprüfung durch, in deren Verlauf die Geschäftsräume und die Wohnung des Klägers durchsucht wurden. In einem mit einem Zahlenschloss gesicherten, nicht fest eingebauten, Tresor in der Wohnung des Klägers fanden die Steuerfahnder unter anderem Bargeld in Höhe von 32.950 €, teilweise lose, teilweise in einer Geldtasche und teilweise in einem Umschlag.
Die Steuerfahnder gelangten letztlich zu dem Ergebnis, dass der Kläger und seine Ehefrau ihren Lebensunterhalt nicht von den im Rahmen ihrer Einkommensteuerveranlagung erklärten Betriebseinnahmen hätten bestreiten können. Sie erstellten eine, auf den privaten Bereich beschränkte Bargeldverkehrsrechnung. Hierbei wurde der insgesamt für die Jahre 2002 bis 2008 errechnete Ausgabenüberhang von 136.000 € unter anderem um das im Tresor aufgefundene Bargeld erhöht und insgesamt in gleichen Anteilen auf die einzelnen Jahre verteilt. So ergab sich für die Streitjahre ein Ausgabenüberhang von jeweils 27.000 €, weswegen von (abgerundet) 2.000 € monatlich nicht erklärter Brutto-Betriebseinnahmen ausgegangen wurde. Der ohne die Hinzurechnungen des Tresorinhalts und anderer Beträge für die einzelnen Streitjahre errechnete Ausgabenüberhang betrug 2002 47.000 €, 2003 16.252 € und 2004 14.501 €.
Die Fahnder sahen auch die Buchführung des Klägers als nicht ordnungsgemäß an, weil insbesondere keine Verbuchung von Reifeneinkäufen – bei einem Lagerbestand von jedenfalls mehr als 3.000 neuen und runderneuerten Reifen – als Betriebsausgaben erfolgt sei und setzten daher im Rahmen der vorgenannten Geldverkehrsrechnung auch, sodann anteilig auf die Jahre 2002 - 2008 aufgeteilte, Anschaffungskosten für 1.000 Reifen von je 25 € je Stüc...