Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückstellungen für die Betreuung von Versicherungsverträgen
Leitsatz (redaktionell)
- Zur Bildung von Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten nach § 5 Abs. 1 EStG in Verbindung mit § 249 HGB.
- Ist das Gleichgewicht der Vertragsbeziehungen durch Vorleistungen oder Erfüllungsrückstände eines Vertragspartners gestört, ist ein Bilanzausweis geboten.
- Zum Vorliegen eines Erfüllungsrückstands.
- Eine Rückstellung für die Betreuung von Versicherungsverträgen (Rückstellung aufgrund von Erfüllungsrückständen) durch einen Versicherungsvertreter darf nur gebildet werden, wenn der Vertreter durch eine inhaltlich klare Individualabrede zur Betreuung verpflichtet ist und hierfür keine Betreuungs- bzw. Verwaltungsprovision erhält.
Normenkette
HGB § 249; EStG § 5 Abs. 1
Streitjahr(e)
2004
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob und ggf. in welcher Höhe der Kläger eine Rückstellung für die Betreuung von Versicherungsverträgen bilden durfte.
Die Kläger sind zusammenveranlagte Eheleute. Der Kläger erzielte aus seiner Tätigkeit als Versicherungsvertreter Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Die Rechtsverhältnisse zwischen ihm und der von ihm vertretenen Versicherung (im Folgenden: V) sind in dem zwischen beiden geschlossenen Vertretervertrag vom … nebst Anlagen niedergelegt. Daraus ergibt sich Folgendes:
Gemäß § 1 Nr. 1 des Vertrages bestellte die V den Kläger zum hauptberuflichen Vertreter. Auf schriftliches Verlangen der Versicherung war der Kläger außerdem verpflichtet, Versicherungsverträge für andere Unternehmen gemäß den Anlagen zum Vertrag zu vermitteln, solange die Geschäftsverbindung zwischen der Versicherung und diesem Unternehmen besteht. § 3 des Vertrages lautet: „1. Der Vertreter ist verpflichtet, die Geschäfte der V nach besten Kräften zu fördern und deren Interessen in jeder Hinsicht wahrzunehmen. 2. Demzufolge hat er insbesondere a) Versicherungsverträge zu vermitteln, b) den Versicherungsbestand zu pflegen sowie die sich daraus ergebenen geschäftlichen Vorgänge zu erledigen (…)”. Ausweislich § 4 des Vertrages erhielt der Kläger für seine Tätigkeit Provisionen nach Maßgabe der beigefügten Provisionsbestimmungen. Für die Sachversicherungen der - zur V gehörenden - X (Anlage 1 zum Vertrag) hatte der Kläger sowohl Anspruch auf eine Abschluss- als auch auf eine Verwaltungsprovision. Mit der Abschlussprovision waren gemäß I Nr. 2 der Anlage die Vermittlung des Versicherungsvertrages und für das 1. Versicherungsjahr auch ein eventueller Beitragseinzug und andere Tätigkeiten abgegolten. Mit der Verwaltungsprovision waren hingegen die Pflege des Versicherungsbestandes, der dem Kläger übertragende Beitragseinzug, die Mitwirkung bei der Bearbeitung von Schadensfällen und sonstige ihm obliegende Aufgaben (§ 3 des Vertretervertrages) abgegolten (II Nr. 1 der Anlage 1). Im Rahmen der Lebensversicherungen (Anlage 4 zum Vertrag) hatte der Kläger nur Anspruch auf eine Abschlussprovision sowie gegebenenfalls auf zusätzliche Provisionen, welche anhand der Vertragsabschlussleistungen zu berechnen waren. Mit der Abschlussprovision waren ausweislich I Nr. 2 der Anlage 4 die Vermittlung des Versicherungsvertrages und andere Tätigkeiten abgegolten. Eine Verwaltungsprovision gab es in diesem Bereich nicht. Gemäß Ziffer 1.1 der Anlage 7 zum Vertrag sah die Versicherung in der Möglichkeit zur Vermittlung von Bausparverträgen eine sinnvolle Ergänzung des Kundendienstes. Sie hielt deshalb alle Vertreter an, bei sich bietender Gelegenheit Bausparverträge der Y zu vermitteln. Für eine solche Vermittlung erhielt der Kläger von der Y im Auftrage der V eine Abschlussprovision. Eine Verwaltungsprovision vereinnahmte der Kläger auch in diesem Bereich nicht. In der Anlage 8 zum Vertrag („Partnerprodukte”) waren die Provisionen geregelt, welche der Kläger für nicht von der V vertriebene Produkte erhielt. Für den Bereich der Krankenversicherung erhielt der Kläger demnach grundsätzlich eine Provision von vier Monatsbeiträgen, für Ausbildungstarife zwei Monatsbeiträge. Regelungen für eine Verwaltungsprovision finden sich bei der Krankenversicherung, im Gegensatz zu den ebenfalls in Anlage 8 genannten Tier- und Kreditversicherungen, nicht.
Zum 31. Dezember 2004 befanden sich … Krankenversicherungen, … Bausparverträge sowie insgesamt … Lebensversicherungsverträge im Bestand des Klägers. Im Jahresabschluss auf den 31. Dezember 2004 stellte der Kläger eine gewinnmindernde Rückstellung in Höhe von 311.823,58 € aufgrund des Erfüllungsrückstandes aus seiner Betreuungsverpflichtung ein. Der Beklagte - das Finanzamt (FA) - erkannte diese Rückstellung im Einkommensteuerbescheid vom 5. Dezember 2005 nicht an.
Während des gegen diesen Bescheid angestrengten Einspruchsverfahrens bestätigte die V dem Kläger unter dem 24. Januar und dem 1. März 2006, dass ein zeitlicher Aufwand für die Betreuung von zwei Stunden „nicht zu hoch gegriffen...