rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld: Kostenerstattung in Weiterleitungsfällen (Einspruchsverfahren)
Leitsatz (redaktionell)
- § 77 Abs. 1 EStG enthält nur eine Kostenregelung für erfolgreiche Einsprüche gegen die Kindergeldfestsetzung. Eine Kostentragung für unzulässige Einsprüche ist in § 77 EStG nicht geregelt.
- Voraussetzung für eine Kostentragungspflicht ist ein wirksamer Festsetzungs- oder Aufhebungsbescheid.
- § 77 EStG normiert auch keine Kostentragungspflicht der Kindergeldstelle in sog. „Weiterleitungsfällen”.
Normenkette
EStG § 77
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die Kosten für ein Einspruchsverfahren zu erstatten.
Die Klägerin hat im August 1994 Kindergeld für ihre am 15. August 1994 geborene Tochter J beantragt, das sie antragsgemäß erhielt. Im August 1997 beantragte die Klägerin, dass das Kindergeld für J an ihre Mutter gezahlt wird, was auch erfolgte.
Ab September 2000 bezog wieder die Klägerin Kindergeld, da sie J wieder in ihren Haushalt aufgenommen hatte.
Nachdem der Beklagte erfahren hatte, dass J seit 13. Oktober 2006 bei ihren Großeltern lebt, hob er mit Bescheid vom 1. Februar 2008 die Kindergeldfestsetzung für J ab November 2006 auf und forderte von der Klägerin das für die Monate November 2006 bis Mai 2007 an sie gezahlte Kindergeld i.H.v. 1.078,00 € zurück.
Diesen Bescheid hat die Klägerin nicht erhalten.
Als das Hauptzollamt B die Vollstreckung des Rückzahlungsbetrages ankündigte, schaltete die Klägerin ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten ein, der gegen den unbekannten Aufhebungs- und Erstattungsbescheid Einspruch einlegte.
Im Einspruchsschreiben vom 26. Mai 2008 legte der Klägervertreter dar, dass die Klägerin das zu Unrecht erhaltene Kindergeld an die berechtigten Großeltern weitergeleitet habe und belegte die Weiterleitung.
Mit Bescheid vom 2. Juni 2008 änderte der Beklagte den Bescheid vom 1. Februar 2008 wie folgt:
„Kindergeld für ihr Kind J wurde in dem Zeitraum von November 2006 bis Mai 2007 an den nunmehr vorrangig kindergeldberechtigten Herrn T weitergeleitet. Der zurückgeforderte Betrag ist von Ihnen nicht zu erstatten. Etwaige weitere Forderungen bleiben hiervon unberührt.
Ihrem Einspruch wurde damit in vollem Umfang entsprochen.
Die Ihnen im Einspruchsverfahren entstandenen Kosten werden nicht übernommen, weil sie bereits von § 77 EStG nicht erfasst werden; § 77 EStG sieht eine Kostenerstattung nur in Einspruchsverfahren zu einem Festsetzungsverfahren vor.”
Gegen die Kostenentscheidung legte die Klägerin Einspruch ein, der mit dem angegriffenen Einspruchsbescheid vom 1. Oktober 2008 zurückgewiesen wurde.
Hiergegen erhob die Klägerin Klage und beruft sich auf die Vorschrift des § 77 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG).
Sie beantragt,
den Abhilfebescheid der Beklagten vom 2. Juni 2008 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. Oktober 2008 teilweise aufzuheben und
1. festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Einspruchsverfahren notwendig war und
2. die Beklagte zu verurteilen, die im Einspruchsverfahren der Klägerin entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.
hilfsweise, für den Fall ihres Unterliegens,
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte meint, in Weiterleitungsfällen greife die Erstattungsvorschrift des § 77 Abs. 1 EStG nicht ein.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Berichterstatterentscheidung einverstanden erklärt und auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Kostenerstattungsanspruch gegen die Beklagte.
Die Voraussetzungen des § 77 Abs. 1 EStG, wonach die Familienkasse demjenigen, der Einspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten hat, soweit der Einspruch gegen die Kindergeldfestsetzung erfolgreich ist, liegen nicht vor.
1. Zwar ist dem Wortlaut nach in § 77 Abs. 1 EStG nur eine Kostenregelung enthalten, soweit ein Einspruch gegen die Kindergeldfestsetzung erfolgreich ist. Doch regelt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) § 77 Abs. 1 EStG über den Wortlaut hinaus auch die Fälle, in denen im Rechtsmittelverfahren die Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung erfolgreich angefochten wurde.
Voraussetzung für eine Kostentragungspflicht ist jedoch ein wirksamer Festsetzungs- oder Aufhebungsbescheid. Vorliegend ist der Aufhebungsbescheid vom 1. Februar 2008 der Klägerin jedoch nicht bekannt gegeben worden und war somit nicht wirksam. Der Einspruch gegen diesen nicht bekannt gegebenen Aufhebungsbescheid war unzulässig. Eine Kostentragung der Kindergeldstelle für unzulässige Einsprüche ist aber in § 77 Abs. 1 EStG nicht geregelt.
2. Selbst aber, wenn der Einspruch zulässig wäre, wäre der Beklagte nicht zur Kostenerstattung verpflichtet. Denn § 77 Abs. 1 EStG no...