Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen des § 159 AO bei der anonymen Verbringung von Wertpapieren nach Luxemburg durch eine Bank
Leitsatz (redaktionell)
1. § 159 AO will als verfahrensrechtliche Korrespondenzvorschrift zu § 39 AO Steuerausfälle vermeiden, die dadurch entstehen können, dass nicht feststellbar ist, wem das Wirtschaftsgut zuzurechnen ist.
2. § 159 Abs. 1 Satz 1 AO verlangt die Behauptung des Steuerpflichtigen, dass er Rechte, die auf seinen Namen lauten, oder Sachen, die er besitzt, nur als Treuhänder, Vertreter eines anderen oder Pfandgläubiger innehat.
3. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 159 Abs. 1 Satz 1 AO müssen zu dem Zeitpunkt vorliegen, für den die steuerliche Zurechnung streitig ist.
4. Wem Wertpapiere im Zeitpunkt des Zinszuflusses zuzurechnen sind, dem sind die Zinsen auch bei der Einkommensermittlung zuzurechnen.
5. Der Kundenauftrag des Steuerpflichtigen an seine Bank, Wertpapiere weiterzuleiten zwecks Verwahrung durch eine Bankentochter in Luxemburg, begründet lediglich einen Geschäftsbesorgungsvertrag, nicht aber ein Treuhandverhältnis.
Normenkette
AO § 159
Streitjahr(e)
1992
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Hinzurechnung von Zinsen aus Wertpapieren.
Die Klägerin ist eine in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft betriebene Privatbank mit über…Filialen. Mehrheitsgesellschafterin ist die A Bank AG.
Im Hinblick auf die ab dem 1. Januar 1993 in Kraft tretende Zinsabschlagsteuer entschied sich die Klägerin im Laufe des Jahres 1992 dazu, ihren Kunden hinsichtlich ihrer künftigen Geldanlagen Alternativen anzubieten. Gegenstand dieser Überlegungen waren nach einem internen Papier der Klägerin „ausschließlich die Kunden, die ihr Vermögen bzw. Teile desselben in effektiven Stücken angelegt haben oder ihre Zinserträge trotz Depot- bzw. Kontenverwahrung nicht dem Finanzamt angegeben haben”. Um dem Wunsch vieler Kunden nach anonymer Kapitalflucht Rechnung zu tragen, errichtete die Klägerin ein System, das den Kunden ermöglichte, Geld und eigenverwahrte Wertpapiere anonym nach Luxemburg zu transferieren. Dazu gründete die Klägerin zunächst eine Niederlassung in Luxemburg, die im Dezember 1992 eröffnet wurde.
Der logistische Ablauf des Wertpapiertransfers wurde im Streitjahr 1992 wie folgt durchgeführt:
Zusätzlich zu den bereits vorhandenen Wertpapierberatungen gründete die Klägerin im September 1992 die Arbeitsgruppe „Vertriebsunterstützung Luxemburg” (VU). Hierzu wurden zahlreiche (Wertpapier-)Berater aus inländischen Filialen der Klägerin abgeordnet. Die übrigen Kundenberater in den Filialen und Geschäftsstellen der Klägerin hatten die Anweisung, Kundenwünsche bezüglich des Transfers nach Luxemburg an die VU weiterzuleiten. Die von der Klägerin eingerichtete Leitung der VU koordinierte die entsprechenden Termine und teilte die Mitarbeiter ein. Die VU-Mitarbeiter führten dann, teilweise auch in Zusammenarbeit mit den übrigen Wertpapierberatern, die Transferabwicklung mit den interessierten Kunden durch. Diese Gespräche fanden überwiegend in den Filialen oder Geschäftsstellen der Klägerin, teilweise aber auch bei den Kunden zu Hause statt.
Im Rahmen dieser Besprechungen mit den Kunden wurden dann die notwendigen Konten und Depots in Luxemburg eröffnet. Bis zur Eröffnung der Niederlassung der Klägerin in Luxemburg im Dezember 1992 eröffneten die Kunden zunächst Konten und Depots bei der A Bank Luxemburg S.A. Ab diesem Zeitpunkt wurden die Konten bei der Niederlassung der Klägerin in Luxemburg eröffnet. Die VU-Mitarbeiter verfügten hierzu jeweils über ein Kontingent von fortlaufenden Kontonummern, sog. Referenznummern, die sie ihren Kunden zuteilten. Dabei wurde auch die nach Luxemburger Bankrecht notwendige Legitimationsprüfung jeweils bei der Kontoeröffnung im Inland von inländischen Mitarbeitern der Klägerin vorgenommen. Gleichzeitig mit der Kontoeröffnung nahmen die VU-Mitarbeiter bislang von den Kunden eigenverwahrte Wertpapiere in Empfang, um diese in das neu eröffnete Depot in Luxemburg zu transferieren. Bei den transferierten Wertpapieren handelte es sich um von der Klägerin emittierte Inhaberschuldverschreibungen, Inhaberschuldverschreibungen anderer deutscher Kreditinstitute sowie Anteilsscheine an deutschen Investmentfonds.
Den Kunden händigten die VU-Mitarbeiter eine Quittung aus, die - neben der Beschreibung der übergebenen Wertpapiere - zur Identifikation des Kunden anstelle des Namens lediglich eine fünfstellige Zahl, nämlich die Luxemburger Kontonummer (= Referenznummer) enthielt. Die interne technische Abwicklung wurde im Streitjahr unter Zuhilfenahme des Vordrucks „WP50” wie folgt vorgenommen: Entgegen dem sonst bei der Klägerin bei der Einlieferung von Wertpapieren in ein Depot im Inland geübten Verfahren wurde bei den Transfers nach Luxemburg der hauseigene Vordruck WP50 nicht sofort bei Übergabe der effektiven Stücke ausgefüllt und Blatt 1 des siebenfachen Durchschreibe-Trennsatzes nicht entsprechend seinen Bestimmungszweck als Quittung verwendet.
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