Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine nachträglichen Herstellungskosten bei anschaffungsnahem Aufwand wegen Überschreiten der Aufgriffsgrenze; maßgeblich ist allein § 255 Abs. 2 HGB; Anschaffungsnaher Aufwand; Nachträgliche Herstellungskosten; Aufgriffsgrenze; Bauaufwendungen; Beseitigung verdeckter Mängel

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die alte BFH-Rechtsprechung zum anschaffungsnahen Herstellungsaufwand (z. B. BFH-Beschl. v. 22.08.1996 - GrS 2/66, BStBl III 1996, 672 sowie Urt. v. 30.07.1991 - IX R 123/90, BStBl II 1992, 30) ist überholt.
  2. Die Frage, ob es sich bei Bauaufwendungen um nachträgliche Herstellungskosten handelt, richtet sich allein nach § 255 Abs. 2 HGB. Das gilt auch in den Fällen, in denen die Bauaufwendungen zeitnah zur Anschaffung des Gebäudes erfolgt sind und die sog. Aufgriffsgrenze überschritten wird.
  3. Es ist in diesem Zusammenhang auch unerheblich, ob die Bauaufwendungen zur Beseitigung sog. verdeckter Mängel getätigt wurden.
 

Normenkette

HGB § 255 Abs. 2

 

Streitjahr(e)

1991

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 22.01.2003; Aktenzeichen X R 36/01)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im wesentlichen darüber, in welchem Umfang Aufwendungen der Kläger für ihr selbstgenutztes Einfamilienhaus als Kosten vor Bezug nach § 10e Abs. 6 Einkommensteuergesetz (EStG) abzugsfähig sind.

Der Kläger erzielte u. a. ... Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Die Kläger erwarben mit Vertrag vom 24. Januar 1991 das mit einem Einfamilienhaus bebaute Grundstück in .... Der Makler beschrieb das Grundstück in seinem Angebot vom 7. Januar 1991 wie folgt:

“Grundstücksgröße 450 qm.

Wohn-/Nebenfläche: 230 qm (5 Zimmer, drei Nebenräume, ein Bad, ein Duschbad)

Baujahr 1949 (Renovierung 1985).

Großzügiges, komfortables Einfamilienhaus in bevorzugter Wohnlage ..., direkt am Naturschutzgebiet gelegen; ...,

Wohnflächen im Erdgeschoss (vom Wohnzimmer abgehender Wintergarten), im Obergeschoss und im Dachgeschoss; hervorragende (luxuriöse) Ausstattung.”

Die Kläger erwarben das Grundstück zu dem vom Makler angebotenen Preis in Höhe von 460.000 DM zuzüglich Anschaffungsnebenkosten in Höhe von 35.480 DM, also insgesamt 495.480 DM. Davon entfielen 147.000 DM auf den Grund und Boden.

Nach umfangreichen Baumaßnahmen nutzten die Kläger das Haus ab 27. November 1991 zu eigenen Wohnzwecken.

Folgende Arbeiten ließen sie durchführen:

Anbau: Fenster

13.680 DM

Anbau: Zimmerarbeiten, Bauholz

9.600 DM

Anbau: Abbruch und Neufundament

11.970 DM

Anbau: Fliesenarbeiten

10.000 DM

Anbau: Architektenhonorar

10.000 DM

Außendämmarbeiten

22.800 DM

Dachreparatur

11.400 DM

Einbau neuer Fenster und Türen, Erneuerung Balkongeländer

19.000 DM

Maurerarbeiten

ca. 10.000 DM

Malerarbeiten

13.000 DM

Fliesenarbeiten

5.300 DM

Sanitärobjekt

5.000 DM

Rohrleitung/Abfluss

13.000 DM

Warmwasserspeicher/Heizung/Bodenkanal

12.000 DM

Architektenhonorar

6.000 DM

diverse kleinere Arbeiten

______6.000 DM

Gesamt bis zum Zeitpunkt der Eigennutzung

178.750 DM

Von den 178.575 DM entfielen – was zwischen den Parteien unstreitig ist – 78.152 DM auf den Südanbau. Insgesamt entstanden den Klägern 1991 und 1992 Baukosten in Höhe von ca. 230.000 DM. Wegen der Kosten im einzelnen wird auf die Rechnungen verwiesen (...).

Im Streitjahr machten die Kläger 178.575 DM als Aufwendungen vor Bezug nach § 10 e Abs. 6 EStG geltend. Sie legten hierzu eine Bescheinigung des Architekten N. vom 22. November 1991 über die am Gebäude festgestellten Mängel vor. Der Architekt bezeichnete die Schäden als verdeckte Mängel, die den Klägern beim Kauf verschwiegen worden seien. Im Einzelnen führte er folgende Mängel auf:

1. physikalisch stark beschädigter Südanbau, so dass dieser Bauteil komplett demontiert werden musste und an gleicher Stelle mit gleichen Abmessungen neu errichtet wurde;

2. morsche Türen am Ost- und Westgiebel im ersten Stock des Gebäudes;

3. Wurmbefall von Türen und Zargen;

4. zugige und zum Teil morsche Fenster;

5. kein durchgängiger Abfluss in der Küche, weswegen ein neuer Abfluss gelegt und neu gefliest werden musste;

6. nicht durchgängige Regenwasserfallrohre;

7. korrodierte Balkongeländer.

Das Finanzamt (FA) veranlagte die Kläger zunächst erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Im Anschluss an eine Betriebsprüfung erging am 26. April 1995 ein nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geänderter Einkommensteuerbescheid für 1991. Von den 178.575 DM erkannte das FA nur noch 48.000 DM als Kosten vor Bezug an. Dabei berücksichtigte es Aufwendungen für die Erneuerung des nicht funktionsfähigen Abflusses der nicht durchgängigen Regenfallrohre als Kosten zur Beseitigung verdeckter Mängel, Abbruchkosten in Höhe von 5.000 DM und den Restbuchwert des abgebrochenen Südanbaues in Höhe von 21.000 DM.

...

Gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid 1991 legten die Kläger Einspruch ein, der durch Bescheid vom 26. Februar 1998 in vollem Umfang als unbegründet zurückgewiesen wurde.

Hiergegen richtet sich die Klage.

... Im übrigen vertreten sie die Auffassung, dass die gesamten Aufwendungen in Höhe von 178.750 DM als Kosten zur Beseitigung ve...

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