Entscheidungsstichwort (Thema)

Offenbare Unrichtigkeit, wenn der Außenprüfer versehentlich eine falsche Kennzahl einträgt, die zur Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung führt

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Offenbare Unrichtigkeiten im Sinne des § 129 AO können auch in einem unbeabsichtigten unrichtigen Ausfüllen des Eingabewertbogens oder in einem Irrtum über den tatsächlichen Programmablauf oder in der Nichtbeachtung der für das maschinelle Veranlagungsverfahren geltenden Dienstanweisungen bestehen.
  2. Gibt ein Außenprüfer bei Durchführung einer Änderung im EDV-Verfahren im Eingabewertbogen versehentlich einen falschen Wert ein, der dazu führt, dass automatisch die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung veranlasst wird, so kann darin ein offenbare Unrichtigkeit liegen.
 

Normenkette

AO §§ 129, 164

 

Streitjahr(e)

1990

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 29.01.2003; Aktenzeichen I R 20/02)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Bescheid über den einheitlichen Gewerbesteuer-Messbetrag für 1990 vom 29.11.1995 gemäß § 129 AO geändert werden durfte.

Die Klägerin erwarb durch Kaufvertrag vom 20.12.1989 das Unternehmen der T AG mit nahezu allen Vermögens- und Schuldposten und dem Recht zur Firmenfortführung. Anschließend firmierte die Klägerin unter dem Namen der Verkäuferin, deren Anteile sie bereits in den Jahren 1987 und 1989 erworben hatte. Für 1987 und 1988 schüttete die damalige T AG an die Klägerin 5.070.313 DM aus. Seit 1989 bis zum 20.12.1989 bestand eine Organschaft mit Ergebnisabführungsvertrag. Die Klägerin nahm aufgrund der Ausschüttungen Teilwertabschreibungen auf ihre Beteiligung an der T AG vor, und zwar 1988 4.531.250 DM, 1989 1.003.845 DM und 1990 3.803.871 DM.

In den Gewerbesteuererklärungen 1988 bis 1990 erklärte sie keine Hinzurechnung nach § 8 Nr. 10 GewStG. Der Beklagte setzte den einheitlichen Gewerbesteuer-Messbetrag zunächst mit Bescheid vom 25.09.1991 erklärungsgemäß auf 0 DM fest. Zugleich stellte er den vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31.12.1990 in Höhe von 3.712.624 DM fest. Beide Bescheide ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Das Finanzamt für Großbetriebsprüfung führte für den Zeitraum 1987 bis 1990 eine Außenprüfung bei der Klägerin durch, die sich auch auf die Gewerbesteuer bezog. Am 03.12.1991 erörterten die Prüferin H und das Vorstandsmitglied Dr. M u.a. die Frage, ob die gewinnabführungsbedingte Teilwertabschreibung auf die Beteiligung an der Organgesellschaft gewerbesteuerlich hinzuzurechnen ist. Im Hinblick auf das zu dieser Zeit noch ausstehende Urteil des BFH vom 02.02.1994 (BStBl. II 1994, 768) wurde der Streitpunkt einvernehmlich offen gelassen. Ferner forderte die Prüferin weitere Unterlagen an, die mit Schreiben vom 03.04.1992 übersandt wurden.

Vom 27.05. bis 05.09.1995 führte der Beklagte eine weitere Außenprüfung nunmehr für den 1991 bis 1993 durch. Prüfungsgegenstand war auch die Gewerbesteuer der Prüfungsjahre. Im Prüfungsbericht des Prüfers E stellte er fest, dass der bisher festgestellte Gewerbeverlust auf der gewinnabführungsbedingten Teilwertabschreibung beruhe und diese nach der Rspr. des BFH den Gewerbeertrag nicht mindern dürfe. Ein berücksichtigungsfähiger Gewerbeverlust bestehe daher im Prüfungszeitraum nicht.

Mit Bescheid über den einheitlichen Gewerbesteuer-Messbetrag für 1990 vom 29.11.1995 änderte der Beklagte den Bescheid vom 25.09.1991 und setzte den Gewerbesteuer-Messbetrag auf 9.295 DM fest. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben. In den Besteuerungsgrundlagen wurde der bisher vorgetragene Gewerbeverlust in Höhe von 3.712.624 DM nicht mehr berücksichtigt. Mit Bescheid vom selben Tag hob der Beklagte auch die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Verlustes auf den 31.12.1990 auf.

Am 07.03.1996 erging der Prüfungsbericht für den Vorprüfungszeitraum, in dem die Prüferin feststellte, dass die Teilwertabschreibung auf die Beteiligung bei der Ermittlung des Gewerbeertrages des Organkreise in voller Höhe hinzuzurechnen sei.

Mit Bescheid über den einheitlichen Gewerbesteuer-Messbetrag 1990 vom 21.05.1996 setzte der Beklagte den Messbetrag auf 199.485 DM fest. Dabei ging er aufgrund der Hinzurechnung der Teilwertabschreibung von einem Gewerbeertrag von 8.448.234 DM aus. Die Änderung stützte der Beklagte auf § 129 AO i.V.m. § 164 AO, da die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung aufgrund eines mechanischen Fehlers erfolgt sei.

Gegen den Änderungsbescheid legte die Klägerin Einspruch ein. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens führte der Prüfer E in einer dienstlichen Äußerung vom 03.12.1996 aus, er habe den Vorbehalt der Nachprüfung im Bescheid vom 29.11.1995 versehentlich aufgehoben. Bei Durchführung der Änderung im EDV-Verfahren habe er versehentlich die Kennzahl 10 mit dem Wert 25 (Änderung nach § 164 Abs. 2 AO und Aufhebung des Vorbehalts) statt mit dem Wert 24 (Änderung nach § 164 Abs. 2 AO) eingegeben. Eine abschließende Bearbeitung des Vorgangs habe er auf keinen Fall beabsichtigt. Wie die fehlerhafte Eingabe zustande gekommen sei, ...

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