Entscheidungsstichwort (Thema)
Neue Tatsache im Rahmen des grunderwerbsteuerlichen Begriffs „einheitliches Vertragswerk”
Leitsatz (redaktionell)
Tatsache des ungeschriebenen Steuertatbestands des sog. einheitlichen Vertragswerkes ist, ob ein objektiv sachlicher Zusammenhang zwischen dem Grundstückskauf und dem Werkvertrag bestand.
Normenkette
AO § 173 Abs. 1 Nr. 1
Streitjahr(e)
1997
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte die Grunderwerbsteuerbescheide wegen neuer Tatsachen gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) zu Recht geändert hat.
Die Kläger schlossen am 2. Dezember 1994 mit Herrn W einen notariellen Grundstückskaufvertrag über den Erwerb eines ca. 375 qm großen unbebauten Grundstücks in E, Flurstück…der Flur ..., verbunden mit einen 1/15 Anteil an einem Privatweg jeweils zur ideellen Hälfte zu einem Gesamtkaufpreis von 49.673,70 DM.
Nach § 1 unter III. des vorstehenden Grundstückskaufvertrags gehörte dieses Grundstück zu einem Neubaugebiet und hatte die Nr. 10 des entsprechenden Lageplans.
Die Erschließung und Bauleitung in dem Neubaugebiet erfolgte laut Nr. 2 der „Vorbemerkungen” des Grundstückskaufvertrags durch das Baugeschäft W in W,…Nach dem Bebauungsplan sollten fünf Einzelhäuser und zehn Doppelhaushälften entstehen (Nr. 2 der „Besondere[n] Hinweise” des Grundstückskaufvertrags).
In § 5 Nr. 2 unter III. des Grundstückskaufvertrags heißt es: „Der Käufer ist berechtigt und gegenüber dem Baugeschäft W verpflichtet, auf dem Grundstück ein Einfamilien- bzw. eine Doppelhaushälfte zu errichten, zu unterhalten und zu nutzen.” „Das Bauvorhaben muß [in] einem Zug ohne Unterbrechung erstellt werden. Der Käufer verpflichtet sich, mit dem Bau des Gebäudes unverzüglich zu beginnen und den Bau spätestens binnen 12 Monaten fertigzustellen.”
Am 12. Dezember 1994 schlossen die Kläger mit der Firma W einen Bauvertrag über die Errichtung einer Doppelhaushälfte zu einem Gesamtpreis von 334.645,00 DM.
Der Beklagte setzte mit Bescheiden vom 19. Januar 1995 die Grunderwerbsteuer jeweils in Höhe von 2 % des hälftigen Kaufpreises für den Grund und Boden, mithin auf einen Betrag von je 496,00 DM, fest.
In ihrer für das Kalenderjahr 1995 abgegebenen Einkommensteuererklärung beanspruchten die Kläger die Steuervergünstigung nach § 10 e EStG und erklärten insoweit Baukosten für die Errichtung einer Doppelhaushälfte in Höhe von 334.645,00 DM.
Daraufhin änderte der Beklagte die Grunderwerbsteuerbescheide wegen neuer Tatsachen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO. Mit Bescheiden vom 30. September 1997 bezog er jeweils die hälftigen Baukosten in die Bemessungsgrundlage unter dem Gesichtspunkt eines einheitlichen Vertrags ein und setzte die Grunderwerbsteuer jeweils in Höhe von 3.843,00 DM fest.
Die hiergegen gerichteten Rechtsbehelfsverfahren blieben erfolglos. Mit Einspruchsbescheiden vom 31. Juli 2000 wies der Beklagte die Einsprüche der Kläger vom 14. Oktober 1997 als unbegründet zurück.
Dagegen erhoben die Kläger Klage, mit der sie die Aufhebung der Änderungsbescheide begehren. Ihrer Ansicht nach sei eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht mehr möglich gewesen, da der abgeschlossene Werkvertrag wegen des Inhalts des notariellen Grundstückskaufvertrags keine neue Tatsache darstelle.
Die Kläger beantragen,
die Änderungsbescheide vom 30. September 1997 jeweils in der Form der Einspruchsbescheide vom 31. Juli 2000 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist weiterhin der Auffassung, die Grunderwerbsteuerbescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO wegen neuer Tatsachen zu Recht geändert zu haben. Es liege ein einheitliches Vertragswerk vor, da ein objektiv enger sachlicher Zusammenhang zwischen dem Grundstückskaufvertrag und dem Bauvertrag gegeben sei. Dem Beklagten sei bei Erlass der Ausgangsbescheide zwar die Absicht einer Bebauung bekannt gewesen, nicht aber der Bauvertrag mit der Firma W. Die Formulierung in § 5 Nr. 2 des Grundstückskaufvertrags sei missverständlich, da sie zu der Annahme führe, die Bebauung des Grundstücks könne auch durch ein anderes Bauunternehmen erfolgen, obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits die Bebauung durch die Firma W festgestanden habe. Die vorgenommene Änderung verstoße auch nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Da die Kläger nicht ihre Anzeigepflicht gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 1 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) erfüllt hätten, bestehe trotz einer Ermittlungspflichtverletzung des Beklagten kein Vertrauensschutz zu ihren Gunsten.
Wegen des weitergehenden Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 14. Mai 2003 Bezug genommen.
Dem Gericht haben die bei dem Beklagten geführten Grunderwerbsteuerakten unter den Steuernummern…und…sowie die Bauakten der…vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Die Änderungsbescheide vom 30. September 1997 sind ...