rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen für eine Tomatis-Therapie zur Behandlung einer Hyperakusis keine außergewöhnlichen Belastungen
Leitsatz (redaktionell)
Die für den Abzug als außergewöhnliche Belastung erforderliche Zwangsläufigkeit fehlt, wenn auf den Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung (im Streitfall: eine Horch- bzw. Hörtherapie nach Tomatis zur Behandlung einer krankhaften Überempfindlichkeit gegenüber Schall) nicht nachgewiesen wird, dass es sich um eine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode handelt und ein vor Beginn der Heilmaßnahme ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung nicht vorgelegt werden kann.
Wissenschaftlich anerkannt ist eine Behandlungsmethode nur dann, wenn Qualität und Wirksamkeit dem anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen.
Normenkette
EStG § 33 Abs. 1
Streitjahr(e)
2017
Tatbestand
Streitig ist, ob die Aufwendungen für eine Tomatis-Therapie zur Behandlung einer Hyperakusis als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig sind.
Die Kläger sind Eheleute, die im Streitjahr 2017 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Mit ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten sie als außergewöhnliche Belastungen u. a. Aufwendungen für eine Hyperakusisbehandlung mittels einer Tomatis-Therapie für ihren 10jährigen Sohn in Höhe von insgesamt 4.027,60 € geltend.
Unter Hyperakusis versteht man eine krankhafte Überempfindlichkeit gegenüber Schall, der normalerweise noch nicht als unangenehm laut empfunden wird. Die Tomatis-Therapie ist eine ”Horch“- bzw. Hörtherapie, die von dem französischen Arzt Alfred A. Tomatis entwickelt wurde. Sie beschäftigt sich mit der Interaktion von auditiven, phonatorischen und psychischen Prozessen. Als Therapie dient sie der Behandlung eines weiten Spektrums von Funktionsstörungen des Hör- und Gleichgewichtssystems. Rechtlich zählt die Tomatis-Therapie zu den komplementärmedizinischen Behandlungsmethoden. Nach eigener Darstellung auf der website ”www.tomatis.com“ wird die Methode als pädagogisches Programm beschrieben, das weder eine medizinische Behandlung noch eine medizinische Diagnose darstellt. Sie soll die Fähigkeit zum Zuhören und Kommunizieren fördern und zahlreiche andere positive Auswirkungen auf verschiedene Bereiche des Gehirns aufweisen.
Die Kläger legten diesbezüglich einen Bericht des behandelnden HNO-Arztes vom 4. November 2016 vor, mit dem dieser u. a. eine ”Hörtherapie im Sinne einer Wahrnehmungstherapie mit den Ideen von Tomatis“ vorschlägt. In einem weiteren Bericht vom 19. April 2018 (nach Durchführung der Tomatis-Therapie) bescheinigt der HNO-Arzt: ”Die spezifischen Probleme der Hyperakusis scheinen aufgehört zu haben“.
Der Kläger hatte die Aufwendungen für die Hörtherapie sowohl bei der Beihilfestelle als auch bei der Krankenkasse geltend gemacht. Eine Kostenübernahme wurde jedoch jeweils abgelehnt. Die Beihilfestelle führte hierzu aus: ”Eine Beihilfe zu den entstandenen Aufwendungen kann nicht gewährt werden, da die Hörtherapie von Tomatis zu den wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Methoden gehört und nicht in der Anlage 1 zu § 5 Abs. 1 der Niedersächsischen Beihilfeverordnung aufgeführt ist“.
Die Krankenkasse begründet die Ablehnung wie folgt: ”Die Rechnung ist nicht nach einer gültigen Gebührenordnung abgerechnet. Die Kosten erstatten wir Ihnen deshalb nicht“.
Im laufenden Veranlagungsverfahren erläuterte das beklagte Finanzamt den Klägern, dass eine steuerliche Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastungen nur in Betracht komme, wenn ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung eines medizinischen Dienstes einer Krankenversicherung über die Zwangsläufigkeit der Maßnahme vorliege, welches vor Beginn der Behandlung ausgestellt worden sei.
Nachdem die Kläger solche Unterlagen nicht vorlegen konnten, lehnte der Beklagte eine Berücksichtigung der Aufwendungen für die Tomatis-Therapie als außergewöhnliche Belastungen im Einkommensteuerbescheid vom 17. Dezember 2018 ab.
Gegen diesen Einkommensteuerbescheid legten die Kläger form- und fristgerecht Einspruch ein und begehrten weiterhin die Berücksichtigung der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung. Zur Begründung trugen sie vor, die Forderung eines amtsärztlichen Attestes sei rechtsfehlerhaft, da die Behauptung des Finanzamtes, es handele sich um eine wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethode, fehlgehe. Sie verwiesen auf den ärztlichen Bericht vom 19. April 2019, in dem der Erfolg der Maßnahme bescheinigt worden sei. Des Weiteren legten sie eine Liste vor mit Veröffentlichungen, in denen die Wirksamkeit der Therapie bescheinigt werde sowie eine veröffentlichte Studie über die Wirksamkeit der Therapie bei 12 Kindern.
Der Einspruch hatte jedoch keinen Erfolg. In der Einspruchsentscheidung vom 16. Juli 2019 begründete der Beklagte die Zurückweisung damit, dass im Streitfall die Berücksichtigung der Aufwendungen f...