vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Fremdvergleich bei Arbeitsverhältnissen zwischen (nahestehenden) fremden Dritten
Leitsatz (redaktionell)
- Die Grundsätze für die steuerliche Anerkennung von Angehörigenverträgen, insbesondere der Fremdvergleich, sind auf Arbeitsverhältnisse zwischen fremden Dritten nicht anzuwenden.
- Dies gilt auch dann, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammengelebt haben.
- Um ein Vertragsverhältnis zwischen Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft oder zwischen freundschaftlich verbundene fremden Dritten grundsätzlich steuerlich in Frage zu stellen, müssen besondere und schwerwiegende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass Arbeits- oder sonstige Leistungen tatsächlich nicht erbracht werden oder dass bewusst ein überhöhtes Entgelt gewährt wird.
- Dem Bedürfnis, für bestimmte Vertragsverhältnisse strengere Maßstäbe für die steuerliche Anerkennung auch bei (nur) nahestehenden Personen anzulegen, kann bei Anhaltspunkten für einen Gestaltungsmissbrauch oder ein Scheinvertragsverhältnis durch Anwendung der §§ 41 Abs. 2, 42 AO ausreichend Rechnung getragen werden.
- Die Überlassung eines Fahrzeugs der unteren Mittelklasse an eine (nahestehende) Minijobberin auch zur privaten Nutzung anstatt des zuvor vereinbarten Barlohns von 400 EUR ist dann nicht fremdunüblich, wenn der Pkw wegen einer signifikanten betrieblichen Nutzung (im Streitfall: 35%) Betriebsvermögen darstellt, die Arbeitnehmerin die einzige Büroangestellte ist und der geldwerte Vorteil für die Privatnutzung gemäß § 8 Abs. 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG ebenfalls mit 400 EUR zu bewerten ist.
- Das gilt auch in Anbetracht des Umstandes, dass ein Austausch von Bar- in gleichwertigen Sachlohn gerade bei einer Minijobberin ungewöhnlich ist, zumal dann, wenn der gesamte Barlohn ersetzt wird.
Normenkette
EStG § 94 Abs. 4; AO §§ 41-42
Streitjahr(e)
2009
Tatbestand
Streitig ist die steuerliche Beurteilung der Überlassung eines Pkw im Rahmen eines Minijob-Arbeitsverhältnisses mit einer ehemaligen Lebensgefährtin.
Der Kläger betreibt ein Ingenieurbüro für Kraftwerks-Service und Werkstoffprüfung und erzielt hieraus Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Mit Vertrag vom 6. Januar 2006 stellte er mit Wirkung vom 1. Januar 2006 Frau W. als Büroangestellte in seinem Ingenieurbüro ein.
Frau W. ist - nach der glaubhaften Darstellung des Klägers in der mündlichen Verhandlung - seine ehemalige Lebensgefährtin. Mit ihr bestand danach bis zum Jahr 2000 eine nichteheliche Lebensgemeinschaft, aus der eine - im Streitjahr 2009 - 14jährige Tochter hervorging. Nach Beendigung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft wohnte nach der Schilderung des Klägers - zum Wohl des gemeinsamen Kindes – das Elternpaar weiterhin auf einem Bauernhof, jedoch in getrennten Schlaf- und Wohnräumen. Nur die vorhandene Küche soll danach gemeinsam genutzt worden sein. Nach Angaben des Klägers wurden die Kosten der Haushaltsführung jedoch getrennt getragen. Der Kläger räumt ein, dass aufgrund der nach wie vor bestehenden freundschaftlichen Verbundenheit, der gemeinsamen Tochter und der räumlichen Nähe seit 2000 bis heute gewisse persönlichen Verflechtungen zu Frau W bestehen.
Die monatliche Bruttovergütung der Frau W betrug seit Beginn des Arbeitsverhältnisses 400 €, die wöchentliche Arbeitszeit fünf Stunden. Der Arbeitsbeginn wurde auf 16:00 Uhr, das Arbeitsende auf 18:00 Uhr festgelegt. Hauptberuflich ist Frau W als Beamtin bei der Deutschen Rentenversicherung in Hannover tätig; dies seit 2009 jedoch nur noch im Umfang von 25 Stunden je Woche. Zum Aufgabenbereich der Frau W gehören neben allgemeinen Bürotätigkeiten wie Ablage, Rechnungsprüfung, Mahnwesen, Einkauf, Post, Telefon und Terminierungen etc. auch Botenfahrten, Fahrten zur Bank, Post und Fahrten zu DGzfP-Arbeitskreisen in Hamburg, Hannover und Magdeburg.
Frau W ist die einzige Angestellte des Klägers.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass das so geschlossene Arbeitsverhältnis (zunächst) steuerlich anzuerkennen war. Insbesondere bestanden aus Sicht des Beklagten keine Zweifel, dass das Arbeitsverhältnis wie vereinbart auch tatsächlich durchgeführt worden war und einem Fremdvergleich standhielt.
Am 14. Mai 2009 schlossen der Kläger und Frau W einen Ergänzungsvertrag zum Anstellungsvertrag. In diesem heißt es u. a. wörtlich:
„Aufgrund der überdurchschnittlichen Entwicklung des Unternehmens, der steigenden Arbeitsbelastung sowie der Unterstützung im Bereich der Organisation (Steuerberater, Angebotsbegleitung sowie zusätzliche Botenfahrten etc.) wird der Arbeitnehmerin, beginnend ab 1. Juli 2009, ein Pkw zur Verfügung gestellt. Es handelt sich hierbei um ein Fahrzeug der unteren Mittelklasse, der im Rahmen des Minijobs in Anrechnung zu bringen ist. Dies wird hiermit vereinbart und gilt ab 1. Juli 2009.”
Der Arbeitnehmerin wurde basierend auf dieser Ergänzungsvereinbarung ein BMW X3 mit einem Bruttolistenpreis von 39.400 € zur Verfügung...