Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung für Umsatzsteuer 1986

 

Leitsatz (redaktionell)

Verzichtet der gesetzliche Vertreter einer GmbH für die Zwangsversteigerung eines Grundstücks auf die Umsatzsteuerfreiheit, obwohl die GmbH über keine Mittel zur Erfüllung der Steuerschuld verfügt und der Versteigerungserlös in voller Höhe den Grundpfandrechtsgläubigern zusteht, so haftet er für die dadurch ausgelöste Umsatzsteuer. Dies gilt auch dann, wenn bei einer umsatzsteuerfreien Veräußerung eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs in annähernd gleicher Höhe vorzunehmen gewesen wäre.

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 09.01.1997; Aktenzeichen VII R 51/96)

 

Tenor

Die Klage wird auf Kosten des Klägers abgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Inanspruchnahme des Klägers als Haftungsschuldner.

Der Kläger war alleiniger Geschäftsführer der Firma a … GmbH (GmbH) in W. Durch Beschluß vom 30. August 1985 lehnte das Amtsgericht W. einen Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der GmbH mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse ab. Daraufhin wurde der Kläger zum Liquidator bestellt.

Am 22. Juli 1986 wurde das der GmbH gehörende Erbbaurecht an dem Grundstück D. zwangsversteigert. Den Zuschlag erhielt der Kläger mit einem Gebot von 650.000,– DM. Der Erlös wurde vollständig an die Gläubiger der GmbH ausgekehrt. Am 31. Juli 1986 erteilte diese dem Kläger folgende Rechnung:

Grundstück

570.175,44 DM

Umsatzsteuer

79.824,56 DM

650.000,00 DM

Mit der Umsatzsteuervoranmeldung für Juli 1986 meldete die GmbH den Umsatzsteuerbetrag unter Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) bei dem Beklagten (dem Finanzamt – FA –) an. Der Kläger machte den entsprechenden Betrag als Vorsteuer geltend.

Aufgrund einer bei der GmbH durchgeführten Außenprüfung erkannte das FA den Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung nicht an. Es vertrat die Ansicht, daß eine wirksame Option zur Umsatzsteuer gemäß § 9 Abs. 1 UStG nur vorliege, wenn der betreffende Umsatz nicht nur formal, sondern auch tatsächlich als steuerpflichtig behandelt werde. Dies setze voraus, daß der optierende Unternehmer die Ausgangssteuer entrichte. Damit sei im Fall der GmbH nicht mehr zu rechnen, weil ihr die Mittel zur Bezahlung der Umsatzsteuerschuld nicht zur Verfügung stünden. Wegen der Unwirksamkeit der Option seien die bei der Errichtung des Betriebsgebäudes auf dem Grundstück D. in W. entstandenen Vorsteuerbeträge gemäß § 15a UStG in Höhe von 77.532,– DM zu berichtigen. Die dem Kläger in Rechnung gestellte Umsatzsteuer in Höhe von 79.824,56 DM werde nach § 14 Abs. 3 EStG geschuldet. Demgemäß setzte das FA die Umsatzsteuer auf 157.356,56 DM fest.

Die hiergegen erhobene Klage hatte vor dem Bundesfinanzhof (BFH) Erfolg. Durch Urteil vom 29. April 1993 V R 93/89 setzte dieser die Steuer auf 79.824,– DM herab. Er führte aus, daß die GmbH wirksam zur Umsatzsteuer optiert habe. Die Option stelle weder ein Scheingeschäft i.S.v. § 41 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) dar, noch beruhe sie auf einem Gestaltungsmißbrauch i.S.v. § 42 AO.

Da die Umsatzsteuer von der GmbH nicht entrichtet worden war, hatte das FA den Kläger bereits am 27. Juni 1987 durch Haftungsbescheid gemäß § 191 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 69 AO wegen der mit Rechnung vom 31. Juli 1986 offen ausgewiesenen Umsatzsteuer von 79.824,50 DM sowie darauf entfallender Säumniszuschläge in Höhe von 9.576,– DM in Anspruch genommen. Es vertrat die Ansicht, daß der Kläger durch die Option nach § 9 UStG und den gesonderten Umsatzsteuerausweis in der Rechnung vom 31. Juli 1986 die ihm nach § 34 Abs. 1 AO obliegenden Pflichten grob schuldhaft verletzt habe. Im Zeitpunkt der Rechnungserteilung sei ihm bekanntgewesen, daß die Umsatzsteuer von der GmbH nicht werde gezahlt werden können, weil der gesamte Erlös aus der Zwangsversteigerung an die Bank abzuführen gewesen sei. Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte nur teilweise Erfolg. Durch Einspruchsbescheid vom 11. März 1994 entließ das FA den Kläger hinsichtlich der Säumniszuschläge aus der Haftung und setzte den Haftungsbetrag auf 79.824,– DM herab. Im übrigen wies es den Einspruch als unbegründet zurück.

Mit der Klage macht der Kläger geltend, daß ihm keine Pflichtverletzung i.S.v. § 69 Satz 1 AO zur Last falle. Aus der Nichtabführung der Umsatzsteuer könne ihm kein Vorwurf gemacht werden, da der Veräußerungserlös in voller Höhe zur Schuldentilgung habe verwendet werden müssen. Auch die von ihm für die GmbH erklärte Option zur Umsatzsteuer nach § 9 UStG und der gesonderte Ausweis der Umsatzsteuer in der Rechnung vom 31. Juli 1986 seien nicht geeignet, seine Haftung zu begründen. In seinem Urteil vom 29. April 1993 V R 93/89 habe der BFH die Rechtswirksamkeit dieser Option ausdrücklich bestätigt. Die Inanspruchnahme dieser Möglichkeit habe den legitimen Interessen der Vertragsbeteiligten entsprochen, weil er – der Kläger – nicht bereit gewesen sei, mehr als 600.000,– DM für das ersteigerte Objekt aufzuwenden.

Abg...

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