Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine "schlichte" Änderung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a AO bei Antrag nach Ergehen eines (erstinstanzlichen) Urteils
Leitsatz (redaktionell)
- Ein Steuerbescheid darf gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 a AO zugunsten eines Steuerpflichtigen nur geändert werden, wenn der Änderungsantrag vor Ablauf der Einspruchsfrist gestellt wird.
- Wird der Antrag erst später gestellt, ist die Änderung nicht zulässig.
Normenkette
AO § 172
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte verpflichtet ist, einem nach Ergehen eines Urteils und vor Ablauf der Frist zur Erhebung der Nichtzulassungsbeschwerde gestellten Antrag auf schlichte Änderung zu entsprechen.
Die Klage des Klägers wegen Einkommensteuer 1993 ist mit Urteil vom 19.11.1997, dem Kläger (Kl.) am 08.01.1998 zugestellt, abgewiesen worden. Der Kl. legte hiergegen noch Nichtzulassungsbeschwerde ein, die allerdings vom BFH später zurückgewiesen wurde.
Am 19. 01.1998 stellte der Kl. beim Beklagten (Bekl.) unter Beifügung entsprechender Belege den Antrag, bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung noch ein bisher nicht geltend gemachtes Disagio von 26.100,00 DM als Werbungskosten abzuziehen.
Der Bekl. wies den Antrag mit der Begründung zurück, der Einkommensteuerbescheid 1993 sei nach Ergehen des Urteils vom 19.11.1997 bestandskräftig, nach Eintritt der Bestandskraft sei eine Änderung gemäß § 172 Abs. 1 Nr. 2 a AO nicht mehr möglich.
Der Einspruch des Kl. hiergegen hatte keinen Erfolg. Der Bekl. begründete dies nunmehr damit, ein Antrag auf schlichte Änderung könne gemäß § 172 Abs. 1 Nr. 2 a AO nur vor Ablauf der Einspruchsfrist gestellt werden, nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung könne eine Steuerfestsetzung daher nicht mehr außerhalb eines Klageverfahrens geändert werden.
Mit der hiergegen gerichteten Klage vertritt der Kl. demgegenüber die Auffassung, aufgrund seiner Nichtzulassungsbeschwerde sei das Urteil zunächst noch nicht rechtskräftig geworden und, da er den Änderungsantrag noch vor Ablauf der Rechtsmittelfrist gestellt habe, sei eine schlichte Änderung noch möglich.
Der Kl. beantragt,
das Finanzamt zu verpflichten, den Einkommensteuerbescheid 1993 zu ändern und zusätzlich ein Disagio in Höhe von 26.000,00 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen.
Der Bekl. beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an seiner Auffassung fest.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der Bekl. ist nicht verpflichtet, nach Ergehen des Urteils vom 19.11.1997 den Einkommensteuerbescheid 1993 nach § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 a AO zu ändern.
1. Nach dem klaren Wortlaut des § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 a AO in der hier anzuwendenden Fassung des Grenzpendlergesetzes vom 24. 06.1994 (BGBl I 1994, 1395; BStBl I 1994, 440) darf ein Steuerbescheid zugunsten des Steuerpflichtigen geändert werden, soweit der Antrag vor Ablauf der Einspruchsfrist gestellt ist.
Da der Kl. den Änderungsantrag nach Ablauf der Einspruchsfrist, ja sogar erst nach abgeschlossenem Klageverfahren gestellt hat, ist die beantragte Änderung nicht zulässig.
2. Der Senat vermag insoweit nicht der von einem Teil der Literatur (Tipke-Kruse § 172 AO Tz. 37; Söffing u.a., DStR 1998, 68; v. Wedelstädt, DB 1996, 2523; Siegert, DStZ 1997, 319) und neuerdings auch vom Finanzgericht Sachsen-Anhalt (nicht rechtskräftiges Urteil vom 08.04.1999 1 K 393/96/Az. beim BFH: V R 69/99) vertretenen Auffassung zu folgen, wonach durch die Änderung des § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 a AO durch das Grenzpendlergesetz eine planwidrige Gesetzteslücke entstanden sei, die durch eine Gesetzesanalogie zugunsten des Steuerpflichtigen zu schließen sei mit der Folge, dass eine "schlichte" Änderung zugunsten des Steuerpflichtigen auch nach Ergehen einer Einspruchsentscheidung möglich sei, sofern der Antrag innerhalb der Klagefrist gestellt werde.
Zwar durfte nach der alten Fassung der Vorschrift (§ 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 a AO i.d.F. des Steuerbereinigungsgesetzes 1986 vom 19.12.1985, BGBl I 1985, 2436; BStBl I 1985, 735) ein Steuerbescheid zugunsten des Steuerpflichtigen noch geändert werden, wenn der Antrag vor Ablauf der Rechtsbehelfsfrist gestellt war, mithin auch noch nach Ergehen einer Einspruchsentscheidung, weil unter den Begriff Rechtsbehelfsfrist nicht nur der Einspruch, sondern auch die Klage fällt, und ist nunmehr nach § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 a AO i.d.F. des Grenzpendlergesetzes eine Änderung nur noch für den Fall des Antrags vor Ablauf der Einspruchsfrist zulässig.
Ob damit allerdings der Fall des nach Ablauf der Einspruchsfrist, aber vor Ablauf der Klagefrist gestellten Antrags ungeregelt geblieben ist und deshalb eine gegebenenfalls wegen Rechtsähnlichkeit beider Fälle durch Analogie zu schließende Regelungslücke entstanden ist, das Gesetz insoweit planwidrig unvollständig ist, hängt wesentlich davon ab, ob sich hinreichende Anhaltspunkte dafür finden, dass dem Gesetzgeber insoweit ein gesetzgeberisches Versehen unterlaufen ist.
Der Senat teilt insofern die Auffassung des Finanzgerichts K...