vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [XI R 17/18)]
Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrag auf „schlichte” Änderung in Schätzungsfällen
Leitsatz (redaktionell)
Zur Korrektur von Steuerbescheiden nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO.
Nach dem Wortlaut der Regelung liegt die Änderungsbefugnis im Ermessen des FA. Das Ermessen ist entspr. dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die Grenzen des Ermessens müssen eingehalten werden.
Die objektive Beweislast (Feststellungslast) dafür, dass die für die Änderung eines Bescheids erforderlichen tatsächlichen Voraussetzungen vorliegen, obliegt dem FA.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die gerichtliche Überprüfung einer Ermessensentscheidung des FA durch das FG ist grds. der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung.
Zu den Anforderungen an die Konkretisierung eines Antrags auf „schlichte” Änderung in Schätzungsfällen.
Normenkette
AO § 172 Abs. 1, § 162; GewStG § 19 Abs. 3
Streitjahr(e)
2015, 2016
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das beklagte Finanzamt (FA) verpflichtet ist, bestandskräftige Schätzungsbescheide gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 172 Abs. 1 Satz 3 AO zu ändern. Ferner ist streitig, ob Vorauszahlungen zur Körperschaftsteuer und zum Solidaritätszuschlag anzupassen sind und ob ein Gewerbesteuermessbetrag für Zwecke der Vorauszahlung festzusetzen ist.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Gegenstand ihres Unternehmens ist xxxxxxx.
Die Klägerin reichte für das Streitjahr trotz Aufforderung beim FA keine Steuererklärungen ein. Das FA setzte gleichwohl gegenüber der Klägerin, jeweils mit Bescheiden vom 8. Dezember 2016, die Körperschaftsteuer 2015 auf 11.250 €, den Solidaritätszuschlag 2015 auf 618,75 €, den Gewerbesteuermessbetrag 2015 auf 2.625 € und die Umsatzsteuer 2015 auf 38.400 € fest. In diesen Bescheiden heißt es jeweils, dass die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 AO geschätzt worden seien, weil die Klägerin trotz Aufforderung keine Steuererklärungen abgegeben habe. Darüber hinaus setzte das FA mit dem Körperschaftsteuerbescheid 2015 vom 8. Dezember 2016 Vorauszahlungen zur Körperschaftsteuer fest und zwar für das Jahr 2016 nachträglich i.H.v. 11.250 € und für die Kalenderjahre ab 2017 jeweils zum 10. März, 10. Juni, 10. September und 10. Dezember in Höhe von jeweils 2.812 €. Ferner setzte das FA mit diesem Bescheid auch Vorauszahlungen zum Solidaritätszuschlag fest und zwar für das Jahr 2016 nachträglich i.H.v. 618,75 € und für die Kalenderjahre ab 2017 jeweils zum 10. März, 10. Juni, 10. September und 10. Dezember in Höhe von jeweils 154,66 €. Wegen der weiteren Einzelheiten dieser Bescheide wird auf Bl. xxxx der Gerichtsakte verwiesen.
Gegen den Körperschaftsteuerbescheid, den Gewerbesteuermessbescheid und den Umsatzsteuerbescheid, jeweils vom 8. Dezember 2016, legte die Klägerin Einspruch ein, ohne diesen jedoch in der Sache zu begründen. Mit Einspruchsbescheid vom 13. September 2017 wies das FA daraufhin den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es aus, dass die Klägerin trotz Aufforderung und Erinnerung ihre Einsprüche nicht begründet habe. Anhaltspunkte, die zu einer Änderung der angefochtenen Bescheide führen könnten, lägen nicht vor. Diesen Einspruchsbescheid hat das FA ausweislich der Abschlussverfügung des Sachbearbeiters vom 12. September 2017 am 12. September 2017 als einfachen Brief zur Post aufgegeben. Dieser Einspruchsbescheid ging dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin ausweislich seines Eingangsstempels am 14. September 2017 zu.
Mit Schreiben vom 18. Oktober 2017, eingegangen beim FA am 18. Oktober 2017, beantragte die Klägerin den Körperschaftsteuerbescheid 2015, den Gewerbesteuermessbescheid 2015 und den Umsatzsteuerbescheid 2015, jeweils vom 8. Dezember 2016, gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a AO zu ändern und die Körperschaftsteuer 2015 und den Gewerbesteuermessbetrag 2015 jeweils auf 0 € sowie die Umsatzsteuer 2015 auf 13.536,97 € herabzusetzen. Zur Begründung ihrer Änderungsanträge führte die Klägerin aus, dass die ausstehenden Steuererklärungen mittels DATEV elektronisch an das FA übermittelt werden würden.
Ihrem Änderungsantrag vom 18. Oktober 2017 fügte die Klägerin eine DATEV-Berechnung „Körperschaftsteuer 2015” zur Ermittlung ihres zu versteuernden Einkommens bei. Nach dieser DATEV-Berechnung beträgt ihr vorläufiger Verlust im Streitjahr 42.201 €. Die nichtabziehbaren Aufwendungen laut Anlage A der Körperschaftsteuererklärung betragen insgesamt 9.380 € (Körperschaftsteuer für frühere Wirtschaftsjahre in Höhe von ./. 7.500 €, Körperschaftsteueraufwand laut Gewinn- und Verlustrechnung 11.250 €, Solidaritätszuschlag für frühere Wirtschaftsjahre ./. 412 €, Solidaritätszuschlagsaufwand laut Gewinn- und Verlustrechnung 618 €, nicht abziehbare Gewerbesteuer für frühere Ermittlungs...