Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeldanspruch einer Sozialhilfeempfängerin und Abzweigung
Leitsatz (redaktionell)
- Der Rückforderungsanspruch gem. § 37 Abs. 2 Satz 1 AO richtet sich gegen den Leistungsempfänger. In den Fällen, in denen am Erstattungsvorgang mehrere Personen beteiligt sind, muss dieser mit dem Empfänger der Zahlung bei einer Überweisung nicht identisch sein.
- Gewährtes Kindergeld ist auch nach der Neuregelung in §§ 31, 62 EStG sozialhilferechtlich anrechenbares Einkommen. Das Kindergeld ist grds. dem Kindergeldberechtigten zuzurechnen, rein familieninterne Einkommensverschiebungen sind unbeachtlich. Etwas anderes gilt nur, wenn das Kindergeld nach § 74 Abs. 1 EStG an ein Kind des Berechtigten ausgezahlt wird.
- Der Kindergeldanspruch einer Sozialhilfeempfängerin erlischt nach § 74 Abs. 2 EStG i.V.m. § 107 Abs. 1 SGB X nicht, wenn die Voraussetzungen für eine Abzweigung nach § 74 Abs. 1 EStG vorliegen, das Kindergeld tatsächlich an das Kind ausgezahlt wird, die Kindergeldkasse über die Abzweigung indes nicht entschieden hat.
Normenkette
AO § 37 Abs. 2; EStG § 64 Abs. 3, § 74; SGB X § 107
Streitjahr(e)
2003
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Beklagte zur Rückforderung von Kindergeld für die Tochter der Kläger K – geboren am…1979 – für die Monate…2003 berechtigt ist, weil die Klägerin in dieser Zeit vom Sozialamt der Stadt J Hilfe zum Lebensunterhalt bezog, wobei das Kindergeld nicht als Einkommen der Klägerin berücksichtigt worden ist. Weiterhin begehrt die Klägerin die Aufhebung einer Aufrechnungserklärung der Beklagten.
Die Klägerin ist die leibliche Mutter von K. Durch Beschluss des Amtsgerichts J vom…wurde ihr die elterliche Sorge vorläufig übertragen. Die Ehe mit dem Kindesvater M wurde 1996 geschieden. Mit Schreiben vom…1998 bat die Klägerin die Beklagte, das Kindergeld für K auf ein Konto bei der Raiffeisenbank H zu überweisen, über das nur die Tochter verfügungsberechtigt sei. Diesem Begehren kam die Beklagte nach.
K befand sich seit dem…2000 in einem Ausbildungsverhältnis. Mit Bescheid vom…2000 wurde der Klägerin Kindergeld für ihre Tochter ab Mai 2000 gewährt, weil K nach einer Vorsprache bei der Beklagten am…2000 erklärt hatte, zum nächstmöglichen Termin eine Ausbildung zu beginnen.
Mit Schreiben vom…2000 meldete sich die Stadt J – Sozialamt – bei der Beklagten und bat um Erstattung des Kindergelds für Juni und Juli 2000. Zur Begründung wies das Sozialamt darauf hin, dass es an die Klägerin für diesen Zeitraum Hilfe zum laufenden Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) gewährt habe, ohne den Anspruch der Klägerin auf Kindergeld als Einkommen berücksichtigt zu haben. Die Beklagte kam diesem Antrag nach und teilte der Klägerin mit Bescheid vom…2001 mit, dass das Kindergeld nur ab dem Monat August 2000 laufend gezahlt werde. Der Anspruch für die Monate Juni und Juli 2000 sei nach § 74 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) in Verbindung mit § 107 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) durch die Erstattung an die Stadt J erfüllt worden. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Mit Schreiben vom…2002 meldete sich K bei der Beklagten und bat, das Kindergeld in Zukunft auf ihr Girokonto zu überweisen. Die Beklagte teilte ihr daraufhin mit, dass eine Änderung der Bankverbindung nur von der Klägerin als Kindergeldberechtigte schriftlich beantragt werden könne. Die Klägerin bat die Beklagte mit Schreiben vom…2002, das Kindergeld so bald wie möglich auf das Konto der K zu überweisen. Noch im Februar 2002 kam die Beklagte dieser Bitte nach.
Am…August 2003 meldete sich die Stadt J – Sozialamt - bei der Beklagten erneut. Sie teilte mit, dass die Klägerin nach ihrem Kenntnisstand für K ab August 2003 bis auf weiteres Kindergeld erhalte. Für den Fall der Leistungspflicht bat sie um Erstattung des gewährten Kindergeldes in Höhe der Sozialhilfe. Eine telefonische Rücksprache der Beklagen beim zuständigen Sachbearbeiter der Stadt ergab, dass nur die Klägerin Hilfe zum laufenden Lebensunterhalt bezog. Die Stadt hatte bei der Berechnung für die Monate August und September 2003 Kindergeld nicht als Einkommen berücksichtigt. Nach einer im August 2003 von der Klägerin vorgelegten Bescheinigung über die Fortdauer bzw. das Ende der Berufsausbildung hatte K inzwischen ihren Arbeitgeber gewechselt und sollte ihre Ausbildung zur Frisörin voraussichtlich im Februar 2004 beenden. Nach der Bescheinigung erhielt K eine monatliche Ausbildungsvergütung in Höhe von 460,71 €.
Die Beklagte überwies das Kindergeld für die Monate August und September 2003 am ... September 2003 an die Stadt J. Mit Bescheid vom gleichen Tag teilte sie der Klägerin mit, dass das Kindergeld für diese beiden Monate durch die Vorleistungen der Stadt J bereits erfüllt gewesen sei. Die Auszahlung an sie sei daher ohne Rechtsgrund erfolgt. In Höhe von 308 € sei der Betrag daher von ihr an die Beklagte zu erstatten. Eine Zahlung brauche die Klägerin aber nic...