Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit und Bindungswirkung einer tatsächlichen Verständigung
Leitsatz (redaktionell)
- An einer zulässigen und wirksamen tatsächlichen Verständigung müssen sich die Beteiligten festhalten lassen.
- Die Bindungswirkung einer solchen Vereinbarung setzt voraus, dass sie sich auf Sachverhaltsfragen bezieht, der Sachverhalt die Vergangenheit betrifft, die Sachverhaltsermittlung erschwert ist, auf Seiten der Finanzbehörde ein für die Entscheidung über die Steuerfestsetzung zuständiger Amtsträger beteiligt ist und die tatsächliche Verständigung nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führt.
- Von ihrer abgegebenen Erklärung können die Beteiligten zu einem späteren Zeitpunkt nicht wieder abrücken.
Normenkette
AO §§ 194-195; BGB § 242
Streitjahr(e)
2001
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger an eine tatsächliche Verständigung gebunden ist.
Der Kläger, der mit seiner Ehefrau im Streitjahr 2001 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurde, betrieb das griechische Restaurant „M” in G und erzielte aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Für die Jahre 2000 bis 2002 führte das Finanzamt N/W beim Kläger im Auftrag des Beklagten eine Außenprüfung durch (Prüfungsauftrag vom 6. August 2004). Bei der Außenprüfung wurde für das Jahr 2001 festgestellt, dass die Kassenführung nicht ordnungsgemäß war, da die Tagessummenbons nicht aufbewahrt und der Kassenbestand nicht täglich ausgewiesen wurde. Des Weiteren führte die durchgeführte Einzelverprobung der Erlöse zu Abweichungen gegenüber den ausgewiesenen Buchführungsergebnissen. Aufgrund dieser formellen und materiellen Mängel war die Buchführung nach Auffassung der Betriebsprüfung für das Jahr 2001 nicht ordnungsgemäß. Das Finanzamt N/W, vertreten durch den Betriebsprüfer und dessen Sachgebietsleiter, und der Vertreter des Klägers, Steuerberater S., erklärten bei der Schlussbesprechung am 28. Januar 2005 im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung übereinstimmend, dass zur Abgeltung der im Rahmen der Außenprüfung festgestellten Aufzeichnungsmängel und Kalkulationsdifferenzen eine Hinzuschätzung des Gewinns in Höhe von 25.000 DM vorgenommen wird. Die Hinzuschätzung zum Umsatz bei der Umsatzsteuer 2001 sollte danach wie folgt vorgenommen werden:
Umsatz (16 v.H.) + 13.000 DM
Umsatz (7 v.H.) + 12.000 DM.
Die tatsächliche Verständigung wurde in einem Schriftstück festgehalten und von dem Betriebsprüfer und dem Sachgebietsleiter Betriebsprüfung sowie auf Seiten des Klägers von dem bevollmächtigten Steuerberater unterzeichnet. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift der tatsächlichen Verständigung vom 28. Januar 2005 Bezug genommen.
Gegen den die tatsächliche Verständigung umsetzenden geänderten Einkommensteuer-Bescheid 2001, geänderten Umsatzsteuerbescheid 2001 und geänderten Gewerbesteuermessbetragsbescheid 2001 legte der Kläger Einspruch ein mit der Begründung, dass er mit den Prüfungsfeststellungen insgesamt nicht zufrieden sei. Im laufenden Einspruchsverfahren teilte er mit, dass die Hinzuschätzungen der Erlöse bzw. Umsätze auf 10.000 DM herabzusetzen seien. Eine weitergehende Begründung erfolgte nicht. Die Einsprüche hatten keinen Erfolg.
Mit der vorliegenden Klage verfolgt der Kläger sein Begehren aus den Einspruchsverfahren weiter. Zur Begründung trägt der Kläger vor, er sei mit den Hinzuschätzungen nicht einverstanden. Aus den erteilten Steuerbescheiden 2001 seien die Hinzuschätzungsbeträge in Höhe von 25.000 DM herauszunehmen. Erstmals in der mündlichen Verhandlung macht der Kläger geltend, die tatsächliche Verständigung sei nicht wirksam. Der Wirksamkeit stehe entgegen, dass der Kläger die Verständigung nicht unterzeichnet habe. Sein Steuerberater habe die Verständigung unterzeichnet mit der Maßgabe, dass sie der Kläger später bestätige. Dies sei jedoch dann nicht erfolgt. Deshalb sei der Kläger nicht gebunden. Im Übrigen wird erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, die Kassenführung sei ordnungsgemäß gewesen und die Buchführungsergebnisse zutreffend. Ein Grund für eine Hinzuschätzung sei nicht ersichtlich.
Der Kläger beantragt,
die für das Streitjahr 2001 hinzugeschätzten Erlöse bzw. Umsätze von 25.000 DM insgesamt rückgängig zu machen und die Einkommensteuer 2001, Umsatzsteuer 2001 und den Gewerbesteuermessbetrag 2001 entsprechend herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist der Beklagte auf seine Einspruchsentscheidungen vom 9. September 2005. Danach sei der Kläger an die wirksam abgeschlossene tatsächliche Verständigung gebunden. Die tatsächliche Verständigung sei wirksam, da auf Seiten des Beklagten der zuständige Amtsträger gehandelt habe. Herr StAR H sei als Sachgebietsleiter der veranlagenden Amtsprüfungsstelle des Finanzamtes N/W zum Abschluss der tatsächlichen Verständigung zuständig und berechtigt gewesen.
Entscheidungsgründe
1. Die Klage ist unbegründet.
Zu Recht hat der Beklagte in den angefochtenen Steuerbescheiden Hinzuschätzungen des Gewin...