rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Außergewöhnliche Belastung: Unterbringung in Wohnanlage für betreutes Wohnen wegen Demenz
Leitsatz (redaktionell)
- Zu den Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 EStG.
- Krankheitsbedingte Unterbringungskosten in einer dafür vorgesehenen Einrichtung können aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig und daher dem Grunde nach gemäß § 33 EStG zu berücksichtigen sein.
- Im Falle einer Heimunterbringung kann der Tatbestand des § 33 EStG erfüllt sein, wenn der dortige Aufenthalt ausschließlich krankheitsbedingt ist.
- Bei dieser Unterbringung ist eine Unterscheidung zwischen „normaler” und altersbedingter Erkrankung nicht vorzunehmen. Auch Krankheiten wie Demenz, die im Alter häufig auftreten, können eine krankheitsbedingte Unterbringung rechtfertigen.
- Dass eine ständige Pflegebedürftigkeit noch nicht gegeben ist, muss dem nicht entgegenstehen.
Normenkette
EStG § 33 Abs. 1
Streitjahr(e)
2010
Tatbestand
Streitig ist die steuerliche Berücksichtigung von Aufwendungen im Zusammenhang mit der Unterbringung in einem Wohnpark („Betreutes Wohnen”) als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG.
Die Klägerin ist eine Erbengemeinschaft nach dem am 4. November 2013 verstorbenen … (geb. 15. Februar 1920, im Folgenden: S), bestehend aus ….
Am 23. November 2009 schloss S mit der Wohnpark G. Verwaltungsgesellschaft mbH einen Wohnungsmietvertrag für betreutes Wohnen im Wohnpark G. ab. Die Wohnanlage Wohnpark G. bietet die Möglichkeit des betreuten Wohnens mit Sozialstation und Betreuung oder eine andere entsprechende Institution. Grundgedanke der Wohnanlage ist es, älteren Menschen in altengerechten Wohnungen die Möglichkeit zu geben, in eigener Häuslichkeit eine autonome Lebensführung aufrecht zu erhalten und ihr Leben solange wie möglich eigenständig und nach ihren individuellen Bedürfnissen zu führen. Der Wohnpark G. bietet zudem die Möglichkeit, von einem Pflegedienst im Haus betreut zu werden. Über die Betreuungsleistung (Grundservice oder Basisleistung) ist ein separater Vertrag abzuschließen. Einen solchen Servicevertrag für betreutes Wohnen im Wohnpark G. schloss S ebenfalls am 23. November 2009 ab. Mit diesem Vertrag wird nach der Vorbemerkung ein Angebot ambulanter sozialer Dienstleistungen garantiert, dass allen Bewohner und Bewohnerinnen die Möglichkeit gibt, ihren privaten Haushalt solange wie möglich selbstbestimmt und eigenverantwortlich zu führen. Im Servicevertrag ist der Betreuungsumfang geregelt. Im Wesentlichen umfasst dieser folgende Leistungen:
persönliche Beratung bei Problemen
täglich besetzter Empfangsbereich
Hausnotruf
Unterstützung und Pflege bei Krankheit (bis zu 14 Tage im Jahr)
Pflegehilfsmittelverleih.
Aus diesem Servicevertrag entstanden S im Streitjahr 2010 insgesamt Kosten in Höhe von 1.172,53 €, im Wesentlichen für Service und Reinigung sowie Hausnotruf.
Aus weiteren vorgelegten Rechnungen ist ersichtlich, dass S auch die im Restaurant angebotene Verpflegung, den Wäschedienst und einen Begleitservice in Anspruch nahm.
Nach den Angaben des Prozessvertreters der Klägerin in der mündlichen Verhandlung hatte S daneben noch einen weiteren Vertrag mit einer Pflegedienst GbR abgeschlossen, die ebenfalls in den Räumlichkeiten des Wohnparks tätig war. Dieser Pflegedienst übernahm danach die medizinischen Leistungen gegenüber S. Die entstandenen Kosten übernahmen Krankenversicherung und Beihilfe. Dieser Pflegedienst war nach der Schilderung 24 Stunden erreichbar.
Nachts wurde der Wohnpark nach Auskunft des Prozessvertreters kontrolliert, damit niemand das Haus unerlaubt verlässt. Es wurde dabei sichergestellt, dass sich alle Bewohner im Haus befinden. Die Medikamenteneinnahme bei S wurde vom Pflegedienst überwacht und an einem schwarzen Brett im Zimmer protokolliert.
Obwohl der vorgenannte Wohnungsmietvertrag vom 23. September 2009 den Mietbeginn 1. Dezember 2009 vorsah, zog S nach Aktenlage erst zum 1. Februar 2010 in die gemieteten Räumlichkeiten ein. Erstmals für den Monat Februar 2010 wurde die vereinbarte Miete überwiesen.
Mit der Einkommensteuererklärung 2010 begehrte S die Berücksichtigung von außergewöhnlichen Belastungen für das betreute Wohnen im Wohnpark G. in Höhe von 12.680 €. Dieser Betrag errechnete sich ausweislich einer Anlage zur Einkommensteuererklärung aus den Gesamtaufwendungen für Miete und Serviceleistungen in Höhe von insgesamt 20.684,63 € abzüglich einer Haushaltsersparnis in Höhe von 8.004 €.
Der Steuererklärung beigefügt war ein Attest der Hausärztin Dr. E. B. (ohne Datum). Hierin heißt es wörtlich:
„Der o.g. Patient befindet sich seit vielen Jahren in unserer hausärztlichen Betreuung.
Diagnose: Hypertonie, Glaukom, Z.n. Prostata-CA, KHK, rezidiv. Ekzeme, zunehmende Vergesslichkeit, Z.n. Hirninfakt, Carotisstenose, bds.
Nach dem Tod der Ehefrau im Dezember 2009 entwickelte sich bei Herrn S. eine reaktive Depression mit zunehmender Vergesslichkeit. Zur Vermeidung von Eigengefährdung wurde ein Umzug in eine betreute Seniorenwohnanlage erforderlich.
Eine regelm...