Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang und Reichweite der Grundsteuerbefreiung in § 3 Abs. 1 Nr. 4 GrStG verfassungsgemäß
Leitsatz (redaktionell)
- Zu den Voraussetzungen der Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO.
- Ein Musterverfahren vor dem BFH ist kein vorgreifliches Rechtsverhältnis i. S. des § 74 FGO.
- Umfang und Reichweite der Grundsteuerbefreiung nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 GrStG sind verfassungsrechtlich unbedenklich; insbesondere ist kein Verstoß gegen Art. 3 GG bzw. Art. 4 GG gegeben.
Normenkette
GrStG § 3 Abs. 1 Nr. 4; GG Art. 3-4
Streitjahr(e)
1997
Nachgehend
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Reichweite der Grundsteuerbefreiung nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 Grundsteuergesetz (GrStG).
Der Kläger ist ein bundesweit tätiger islamischer Dachverband. Nach § 3 seiner Satzung bietet er den in Europa lebenden Menschen islamischen Glaubens die Möglichkeit an, ihre Religion auszuüben. Zu diesem Zweck unterstützt er u. a. Gemeinden durch religiöse und kulturelle Aktivitäten, unterweist im islamischen Glauben und Lehre und in der Wahrung islamischer kultureller Werte, fördert muslimische Jugendliche und widmet sich dem moralischen Schutz der Menschen islamischen Glaubens. Eigenen Bekundungen zufolge hat er etwa 10.000 Mitglieder und ist damit der zweitgrößte islamische Dachverband in Deutschland.
Der Kläger war zunächst durch Bescheid des Finanzamts Köln-Nord vom … unter Widerruf als gemeinnützig anerkannt. Der Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen schätzt ihn als Religionsgemeinschaft nach den Art. 140 Grundgesetz (GG), 137 Weimarer Reichsverfassung (WRV) ein.
Im Jahre 1990 erwarb der Kläger das bebaute Grundstück S-Str. 3 in Delmenhorst. Zu der Zeit belief sich der für den Rechtsvorgänger bestandskräftig festgestellte Einheitswert auf 76.400 DM. Nach dem Übergang des Grundstücks auf den Kläger führte das Finanzamt zunächst nur eine Art- und eine Zurechnungsfortschreibung jeweils auf den 1. Januar 1991 durch. Wertfortschreibungen nahm es erstmals mit Bescheid vom…auf den 1. Januar 2003 (Wert: 95.900 DM) und mit weiterem Bescheid vom … auf den 1. Januar 2004 (Wert: 107.800 DM) vor. Die Fortschreibung auf den 1. Januar 2003 wurde später unter Hinweis auf § 173 AO geändert. Der Einheitswert im geänderten Bescheid wurde mit 133.100 DM festgestellt. Der Änderungsbescheid auf den 1. Januar 2003 ist Gegenstand des weiteren Klageverfahrens 1 K 53/08. Den Fortschreibungsbescheid auf den 1. Januar 2004 hat der Beklagte in der heutigen mündlichen Verhandlung vor dem Senat im Verfahren 1 K 148/08 ersatzlos aufgehoben.
Im Anschluss an eine Betriebsprüfung erkannte das Finanzamt Köln-Nord die Gemeinnützigkeit rückwirkend ab 1997 ab. Als der Beklagte davon erfuhr, führte er mit Bescheid vom … eine Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1998 durch und erhöhte darin den Einheitswert auf 110.400 DM. Der Bescheid enthält einen Hinweis nach § 181 Abs. 5 AO. Zur Begründung für die Erhöhung führte das Finanzamt an, dass Räume, die bislang wegen angenommener Gemeinnützigkeit nicht berücksichtigt worden seien, nunmehr bei der Einheitsbewertung hätten erfasst werden müssen.
Gegen die Fortschreibung hat der Kläger nach erfolglosem Vorverfahren Klage erhoben, mit der er deren Aufhebung beantragt. Er ist der Auffassung, dass er weiterhin von der Grundsteuer befreit sei. Nachdem ihm der gemeinnützige Status aberkannt worden sei, liege der Befreiungsgrund des § 3 Abs. 1 Nr. 4 GrStG vor. Nach dieser Norm sei Grundbesitz einer Religionsgesellschaft, die eine Körperschaft des öffentlichen Rechtes sei, von der Grundsteuer befreit. Nach Satz 2 der Norm stünden diesen Religionsgesellschaften jüdische Kultusgemeinden gleich, auch wenn sie nicht Körperschaften des öffentlichen Rechtes seien. Die Erweiterung der Steuerbefreiung auf jüdische Kultusgemeinden sei verfassungskonform in der Weise auszulegen, dass sie auch auf ihn, den Kläger, anzuwenden sei. Eine Beschränkung der Steuerbefreiung lediglich auf jüdische Kultusgemeinden verstoße gegen das Gleichheitsgrundrecht aus Art. 3 GG. Erst unlängst habe das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seinem Beschluss zur Erbschaft- und Schenkungsteuer erkannt, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung eines Steuertatbestandes die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne dieser Belastungsgleichheit umzusetzen habe. Daran fehle es, wenn nur jüdische Kultusgemeinden von der Grundsteuer verschont blieben, vergleichbare Einrichtungen islamischer Gläubiger jedoch nicht. Außerdem sei der Staat zu weltanschaulich-religiöser Neutralität verpflichtet. Es sei ihm untersagt, bestimmte Bekenntnisse zu privilegieren und andere auszugrenzen. Die benachteiligende Ungleichbehandlung einer Glaubensgemeinschaft im Vergleich zu einer anderen verletzte zudem sein Grundrecht aus Art. 4 GG.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers darauf hingewi...