vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermäßigter Umsatzsteuersatz für von Zahntechniker gefertigte Beatmungsmasken
Leitsatz (redaktionell)
- Zu den Voraussetzungen der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 6 UStG.
- Die Lieferung von individuell für einzelne Patienten maßgefertigten Beatmungsmasken unterliegt dem ermäßigten Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 6 UStG.
- Berufstypisch für die Tätigkeit der Zahntechniker ist in erster Linie die Herstellung von Zahnprothesen, aber auch die Fertigung von Epithesen. Das Berufsbild umfasst auch die Herstellung von Schienen und therapeutischen Geräten. Zu Letzteren zählen auch individuell für einzelne Patienten gefertigte Beatmungsmasken.
Normenkette
UStG § 12 Abs. 2 Nr. 6
Streitjahr(e)
2003, 2004, 2005
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist der Umsatzsteuersatz auf Lieferungen individueller Beatmungsmasken.
Der Kläger ist Zahntechnikermeister und betreibt ein eigenes Dentallabor. Er hat sich auf die Herstellung individuell für einzelne Patienten gefertigte Beatmungsmasken spezialisiert. Solche Beatmungsmasken würden insbesondere von Schwerstkranken (mit Ongline-Syndrom, Muskeldystrophie, spinale Muskelatrophie, ALS, Kyphoskoliose u. a.) benötigt, für deren dauerhafte Beatmung die von der Herstellern der Beatmungsgeräte mitgelieferten Standardmasken nicht geeignet seien. Die Aufträge erhalte er von Kliniken. Im Krankenhaus nehme er unter Aufsicht der Ärzte einen Gipsabdruck und fixiere die Nasenlöcher für die Atemschläuche mit Silikonmasse. Hierzu verwende er spezielle Silikone aus der Zahntechnik. Im Dentallabor werde der Abdruck ausgegossen und in weiteren Arbeitsschritten zum Modell verarbeitet. Die Masken würden speziell durch Ärzte verordnet. Die Kosten für die Herstellung übernähmen die Krankenkassen.
Der Kläger unterwarf Bruttoumsatzerlöse aus Lieferungen individuell gefertigter Beatmungsmasken in Höhe von … € in 2003, von … € in 2004 und von … € in 2005 dem auf 7 % ermäßigten Umsatzsteuersatz.
Im Rahmen einer Betriebsprüfung gelangte der Beklagte (das Finanzamt – FA –) zu der Auffassung, dass die Lieferungen der Beatmungsmasken dem Regelsteuersatz unterlägen. Sie unterfielen nicht der Steuerermäßigung des § 12 Abs. 2 Nr. 6 des Umsatzsteuergesetzes (UStG), weil die Fertigung der Masken für Zahntechniker nicht berufstypisch sei. Der ermäßigte Steuersatz ergebe sich auch nicht aus § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i. V. m. Nr. 52 d der Anlage 2, da die Masken entsprechend der unverbindlichen Zolltarifauskunft vom 17.07.2008 in die Unterposition 9019 20 des Zolltarifs einzuordnen seien. Wegen der Einzelheiten wird insofern auf Tz. 12 des Bp-Berichts vom 11.09.2008 Bezug genommen. Am 06.11.2008 ergingen entsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide.
Zur Begründung des Einspruchs hiergegen trug der Kläger folgendes vor:
Die Lieferung individueller Beatmungsmasken unterliege als „Teil der Leistungen aus der Tätigkeit als Zahntechniker” nach § 12 Abs. 2 Nr. 6 UStG dem ermäßigten Steuersatz. Es handele sich nicht um die Produktion von Massenarbeit, sondern um eine Arbeit, die ähnlich wie Zahnersatz auf eine bestimmte Person zugeschnitten sei. Für die Herstellung solcher Arbeiten seien die Fähigkeiten und Kenntnisse eines Zahntechnikers erforderlich. Nur dieser könne mit dem verwendeten Material fachmännisch arbeiten und weise die notwendige Genauigkeit auf.
Die Verordnung über das Berufsbild und die Prüfungsanforderung für das Zahntechnikerhandwerk sowie der Ausbildungsplan forderten u. a. Kenntnisse in der Herstellung therapeutischer Geräte. Hierzu gehörten auch Schnarcher-Schienen, deren Weiterentwicklung Beatmungsmasken seien. Außerdem fielen auch die Herstellung von Epithesen und Obturatoren in das Berufsbild des Zahntechnikers, obwohl es sich hierbei ebenfalls nicht um Zahnersatz handele. Gleiches gelte auch für die Herstellung von Beatmungsmasken.
Die Auffassung der Finanzverwaltung, die Tätigkeit des Zahntechnikers sei auf den Kiefern- und Gaumenbereich beschränkt, gehe fehl. Entscheidend sei, woran sich heutzutage das Berufsbild der Zahntechniker orientiere, welche Tätigkeiten heute von ihnen ausgeführt würden. Einzelne Meisterbetriebe würden in Zusammenarbeit mit Fachärzten, Zahnärzten und Chirurgen auch Beatmungsmasken herstellen, worauf die Zahntechnikerinnung Hamburg auf ihrer Internetseite hinweise. Die Herstellung von Beatmungsmasken spiele daher auch in der Ausbildung zum Zahntechniker eine Rolle.
Ergänzend bezog er sich auf die Stellungnahmen des Verbandes Deutscher Zahntechnikerinnungen vom 30.09.2010 und der Niedersächsischen Zahntechnikerinnung vom 01.10.2010.
Danach stelle die Herstellung individueller Beatmungsmasken einen Nischenbereich dar, der dem Tätigkeitsbild des Zahntechnikerhandwerks oder auch dem Orthopädietechnikerhandwerk zugeordnet werden könnte. Die Herstellung bedinge u. a. Kenntnisse der Arten, Eigenschaften, Verwendung und Verarbeitung...