Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Grundsteuerbefreiung für abgeschlossene Wohnungen einer gemeinnützigen Körperschaft, in denen seelisch Behinderte Leben. Einheitsbewertung auf den 1. Januar 1992 und 1. Januar 1993

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 21.04.1999; Aktenzeichen II R 5/97)

 

Tenor

Die Klage wird auf Kosten der Klägerin abgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Umstritten ist, ob für Wohnräume in einem Behindertenwohnheim ein Einheitswert festzusetzen ist.

Die Klägerin (Kl'in) ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Sie betreibt in O., das Wohnheim B. Nach § 3 der Satzung des Wohnheims B. verfolgt dieses ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne der §§ 52 ff der Abgabenordnung (AO) durch die Aufnahme und Pflege seelisch Behinderter. Durch vorläufige Bescheinigung vom 10. August 1992 hat der Beklagte (Finanzamt, FR) anerkannt, daß das Wohnheim nach der eingereichten Satzung ausschließlich und unmittelbar steuerbegünstigten mildtätigen Zwecken im Sinne der § 51 ff AO dient und zu den in § 5 Abs. 1 Nr. 9 Körperschaftsteuergesetz (KStG) bezeichneten Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen gehört.

Bei dem Wohnheim B. handelt es sich um ein Langzeitwohnheim für seelisch Behinderte. Grundsätzlich können die Patienten ohne zeitliche Begrenzung dort Leben, wenn es aus medizinischen Gründen erforderlich ist. Jedoch wird angestrebt, daß die Patienten als Folge der Therapiemaßnahmen nach einiger Zeit das Wohnheim verlassen und selbständig Leben können.

Das Gebäude ist wie folgt gestaltet:

Durch die Haustür gelangt man in einen Eingangsbereich., Von hier führen eine Reihe von Türen zu verschiedenen Gemeinschaftseinrichtungen, wie z. B. einem Gemeinschaftsraum, einem Freizeitbeschäftigungsraum usw. Rechts und Links des Eingangsbereiches führen zwei Türen zu jeweils einem Flur. An jedem Flur Liegen vier Zimmer, in denen vier Patienten wohnen. Am Ende der Flure sind zwei Duschen mit WC, ein Hauswirtschaftsraum und eine Wohnküche. Außerdem führt von dem Eingangsbereich eine Treppe in das obere Stockwerk. Dort mündet die Treppe in einen Flurbereich, der auf seiner rechten und Linken Seite zwei Türen besitzt, hinter denen sich die Wohnbereiche für acht weitere Patienten befinden. Insgesamt besitzt das Wohnheim 16 Patientenzimmer, die auf vier Bereiche – jeweils zwei im Erdgeschoß und im Obergeschoß – aufgeteilt sind. Die vier Wohnbereiche sind in ihrer Gestaltung, Größe und Anordnung identisch. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Bauzeichnungen Bl. 47 und 48 Einheitswertakte sowie auf das Protokoll über den Beweis- und Erörterungstermin am 29.08.1996 (Bl.. 27–30 FG-Akte) verwiesen.

Durch Einheitswertbescheid vom 2. Dezember 1991, geändert durch Änderungsbescheid vom 10. Februar 1993, bewertete das FR das Wohnheim B. auf den 01.01.1992 als Mietwohngrundstück und setzte den Einheitswert auf 196.800 DM fest. Dabei ging es davon aus, daß das Wohnheim vier Wohnungen enthalte mit jeweils vier Patientenzimmern, einem Flur, zwei Duschen mit WC, einer Küche und einem Abstellraum. Die übrigen Flächen des Wohnheims berücksichtigte das FR bei der Ermittlung des Einheitswertes nicht.

Mit dem gegen den Einheitswertbescheid eingelegten Einspruch beantragte die Kl'in, den Bescheid aufzuheben, da er für die Besteuerung nicht von Bedeutung sei. Als einzige einheitswertabhängige Steuerart komme die Grundsteuer in Betracht. Da das Wohnheim eine gemeinnützige Einrichtung sei und keine Wohnungen, sondern nur Wohnräume enthalte, unterliege es nicht der Grundsteuerpflicht. Mit Schreiben vom 11. Februar 1993 beantragte die Kl'in ferner, die Festsetzung des Einheitswertes auf den Stichtag 1. Januar 1993 insgesamt aufzuheben. Das FR wies den Einspruch als unbegründet zurück und Lehnte den Antrag ab. Hiergegen richtet sich – nach erfolglosem Vorverfahren – die Klage.

Die Kl'in trägt vor:

Sie verfolge unmittelbar und ausschließlich gemeinnützige Zwecke und sei daher gem. § 3 Abs. 1 Ziff. 3 Grundsteuergesetz (GrStG) grundsätzlich von der Grundsteuer befreit. Nach § 5 Abs. 2 GrStG könnten Grundsteuern nur insoweit anfallen, als das Wohnheim Wohnungen enthalte. Es enthalte aber keine Wohnungen, sondern allenfalls Wohnräume. Das ergäbe sich sowohl aus der räumlichen Gestaltung der Wohnbereiche der Patienten als auch aus dem Unterbringungszweck. Denn die Patientenzimmer seien Krankenzimmern in einem Krankenhaus vergleichbar.

Die Kl'in beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

unter Rufhebung des Einheitswertbescheides auf den 01.01.1992 vom 10. Februar 1993 und des ablehnenden Bescheides vom 23.03.1993 sowie der beiden Einspruchsbescheide vom 27. Oktober 1994 das FR zu verpflichten, ab 1. Januar 1993 die Festsetzung eines Einheitswertes für das Wohnheim Plohefelde aufzuheben.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es meint, daß Wohnheim enthalte vier Wohnungen, die jeweils für vier seelisch Behinderte vorgesehen seien. Diese Wohnungen seien nach der Sonderregelung des § 5 Abs. 2 GrStG grundsteuerpflichtig. Damit...

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