Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld: Widerruf einer Weiterleitungserklärung vor deren Zugang bei der zuständigen Familienkasse (§ 130 Abs. 1 Satz 2 BGB)
Leitsatz (redaktionell)
- Zur Entstehung des Anspruchs auf Kindergeld.
- Geht der zuständigen Familienkasse der Widerruf des Stpfl. hinsichtlich der Weiterleitungserklärung früher zu als die Weiterleitungserklärung selbst, so entfaltet diese keine rechtlichen Wirkungen.
Normenkette
BGB § 130 Abs. 1 S. 2; AO § 38; EStG § 31 S. 3
Streitjahr(e)
2005
Tatbestand
Streitig ist die Wirksamkeit einer Weiterleitungserklärung.
Der Kläger hat einen Sohn J (geb. XX.XX.1999), für den er Kindergeld begehrt. Von der Kindesmutter - der Beigeladenen - lebt der Kläger seit dem Jahr 2005 getrennt. Die Beigeladene ist XX-Angestellte bei YY. Sie hatte anlässlich der Geburt des Sohns das Kindergeld beantragt und seitdem laufend bezogen.
Am 26. Juni 2009 stellte der Kläger einen eigenen Kindergeldantrag. Er legte eine Haushaltsbescheinigung vor, aus der sich ergab, dass sich J in dem hier streitigen Zeitraum von März 2005 bis Januar 2009 im Haushalt des Klägers aufgehalten hatte.
Am 5. Juli 2009 unterzeichnete der Kläger eine ihm von der Beigeladenen vorgelegte Erklärung, mit der er unwiderruflich bestätigte, dass die Beigeladene das Kindergeld für die Monate März 2005 bis Januar 2009 nicht für sich behalten sondern an den Kläger weitergeleitet habe. Außerdem enthielt das Formular die Erklärung, dass der Kläger hierdurch seinen Anspruch auf Kindergeld für den genannten Zeitraum als erfüllt ansehe.
Die Beigeladene übersandte die Weiterleitungserklärung an ihre Familienkasse - YY -, wo das Schreiben am 8. Juli 2009 einging.
Am 9. Juli 2009 ging bei der beklagten Familienkasse ein Fax ein, in dem der Kläger ausführte, dass ihm seine Ex-Frau am 5. Juli 2009 ein Schriftstück vorgelegt habe, auf welchem er habe unterschreiben sollen, dass er bisher immer das volle Kindergeld erhalten habe. Da er dies zu diesem Zeitpunkt nicht besser gewusst habe und auch der Sohn dabei gewesen sei, habe er auf dem Schriftstück seine Unterschrift geleistet. Nun habe er erfahren, dass diese Aussage nicht richtig gewesen sei. Daher widerrufe er die Unterschrift auf der Weiterleitungserklärung.
Am 14. Juli 2009 ging bei der beklagten Familienkasse eine nicht datierte Weiterleitungsbestätigung des Klägers ein, auf der der Kläger den Passus der unwiderruflichen Bestätigung der Weiterleitung gestrichen hatte. Der Kläger führte dazu aus, dass ihm das Kindergeld nur zum Teil ausgezahlt worden sei.
Am 8. Oktober 2009 ging bei der beklagten Familienkasse ein Schreiben von YY ein, wonach für die Monate März 2005 bis Januar 2009 eine Weiterleitungserklärung vorliege. Gegenüber der Beigeladenen werde keine Rückforderung erfolgen.
Daraufhin setzte die beklagte Familienkasse mit Bescheid vom 15. Februar 2010 gegenüber dem Kläger das Kindergeld ab März 2005 fest. Gleichzeitig wurde dem Kläger mitgeteilt, dass die beklagte Familienkasse den Anspruch bis Januar 2009 als erfüllt ansehe, weil der Kläger das Kindergeld im Wege der Weiterleitung erhalten habe.
Mit am 15. März 2010 eingegangenem Einspruch wandte der Kläger ein, dass die Beigeladene das Kindergeld tatsächlich nicht weitergeleitet habe.
Auf Anforderung der beklagten Familienkasse übersandte YY am 26. März 2010 die sich in ihren Akten befindliche Weiterleitungserklärung vom 5. Juli 2009.
Mit Einspruchsentscheidung vom 10. Januar 2011 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Der Kläger habe am 5. Juli 2009 eine Weiterleitungserklärung abgegeben. Die im Nachhinein gegebene Begründung, dass er die Sach- und Rechtslage nicht richtig erfasst habe, könne den Erklärungsgehalt nicht erschüttern.
Mit am 7. Februar 2011 eingegangener Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Es sei zwar richtig, dass es zu einer Weiterleitungserklärung des Klägers gekommen sei. Der Kläger sei aber nicht ausreichend und zutreffend von der Beigeladenen über den Inhalt und die Bedeutung der Weiterleitungserklärung aufgeklärt worden. Die Beigeladene habe das Formular nicht dem Kläger ausgehändigt, sondern selbst weitergeleitet. Bereits ein bis zwei Tage nach der Unterschriftsleistung habe sich der Kläger telefonisch an die beklagte Familienkasse gewandt, weil ihm die inhaltliche Unrichtigkeit der Erklärung klargeworden sei. Dort habe man ihm gesagt, dass er ein Widerrufsschreiben schicken solle. Dies habe der Kläger am 9. Juli 2009 getan.
Nach § 130 Abs. 1 und Abs. 3 BGB sei der Widerruf der Weiterleitungserklärung möglich. Die beklagte Familienkasse hätte von der Weiterleitungserklärung keinen Gebrauch machen dürfen. Die Weiterleitungserklärung vom 5. Juli 2009 sei erst am 26. März 2010 bei der beklagten Familienkasse eingegangen. Bereits am 9. Juli 2009 habe der Kläger seine Erklärung per Telefax widerrufen.
Dass die Formularerklärung das Wort „unwiderruflich” enthalte, sei irrelevant. Es sei im Hinblick auf § 130 BGB nie zur Abgabe einer wirksamen Erklärung gekommen. Die Frage d...