Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzbesteuerung von Mitgliedsbeiträgen eines Fitnessstudios bei pandemiebedingter Schließung
Leitsatz (redaktionell)
- Vereinbaren die Vertragsparteien eine Verlängerung der Mitgliedschaft um die durch die Corona-Pandemie bedingten Schließzeiten, unterliegen dafür während dieser Schließzeiten vereinnahmte Mitgliedsbeiträge eines Fitnessstudios als Vorauszahlung der Umsatzsteuer.
- Die Annahme des auf Verlängerung gerichteten Angebots kann konkludent durch Fortzahlung der Mitgliedsbeiträge ohne Erklärung gegenüber dem Antragenden erfolgen.
- Die Verlängerung eines auf diese Weise geänderten Vertrags wird nicht dadurch rückgängig gemacht, dass später ein weiteres Angebot zur Vertragsänderung unterbreitet wird, dessen Annahme vom Gebrauch eines Formulars abhängig gemacht wird.
Normenkette
BGB §§ 133, 151 S. 1, § 157; UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, § 10 Abs. 1 S. 1, § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a S. 4
Tatbestand
Die Klägerin betreibt mehrere Fitnessstudios. Sie begehrt die Behandlung von Geldern, die während pandemiebedingter, behördlich angeordneter Schließzeiten dieser Fitnessstudios vereinnahmt wurden, als nicht umsatzsteuerbar.
Nachdem die niedersächsischen Landkreise, die kreisfreien Städte sowie die Region Hannover auf Weisung des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung vom 16. März 2020 mit sofort vollziehbaren Allgemeinverfügungen ab dem 17. März 2020 unter anderem den Betrieb von Fitnessstudios untersagt hatten, schloss auch die Klägerin die von ihr betriebenen Fitnessstudios und versandte taggleich eine E-Mail an ihre Mitglieder, in der zunächst über die Schließung der Studios informiert und sodann ausgeführt wurde:
„Für die Dauer der Schließung wird euch taggenau eine entsprechende Zeitgutschrift am Ende eurer Mitgliedschaft gewährt. Euch entsteht in der Nutzung eurer gesamten Trainingszeit keinerlei Nachteil, deshalb bitten wir, den automatischen Prozess der fortlaufenden Abbuchungen nicht zu unterbrechen und die Beiträge nicht zurück zu buchen. Ihr helft uns damit sehr, dass wir ohne administratives Chaos den Studiobetrieb ab der Eröffnungserlaubnis in unverändert hoher Qualität fortführen können.”
Ab dem 25. Mai 2020 durften die Fitnessstudios der Klägerin wieder öffnen, was diese mit E-Mail vom 23. Mai 2020 ihren Mitgliedern gegenüber ankündigte und ferner ausführte:
„Sobald wir dann am Montag wieder die Türen öffnen, kümmern wir uns selbstverständlich auch um deine Trainingsgutschrift. Hierfür werden dann Formulare am Tresen bereitliegen. Du füllst einfach das Formular aus, schickst es per Mail an unsere Mitgliederverwaltung und diese erledigt dann alles Weitere für dich. Weiterhin ist es wichtig zu beachten, dass keinerlei Rückbuchung oder Kündigung deinerseits nötig ist, damit wir die kostenlose Trainingszeit im Anschluss an die Erstlaufzeit freigeschalten. Hast du hierzu noch Fragen? Dann wende dich gerne an das Team.”
Nach Wiedereröffnung der Studios lagen dort zwei Antragsvordrucke zum Ausfüllen durch die Mitglieder aus. Sie trugen die Bezeichnungen „Antrag Zeitgutschrift als Ergänzung zum Nutzungsvertrag” und „Antrag Gutschein Corona-Pandemie”, beide waren gerichtet an die Klägerin. Ersterer hatte die Vereinbarung zum Inhalt, dass das jeweilige Mitglied eine Zeitgutschrift von 10 Wochen erhielte. Durch diese Zeitgutschrift verschiebe sich das nächstmögliche ordentliche Vertragsende um diesen Zeitraum. Nach letzterem wurde vereinbart, dass das jeweilige Mitglied für die Dauer der Schließung einen Gutschein erhalte, dessen Wert den während der Schließzeit gezahlten Beiträgen entspreche. Diesen Gutschein könne das Mitglied ab Oktober 2020 einlösen oder auch schon vorher an eine andere Person verschenken.
Von den im Zeitraum vom 17. März 2020 bis 25. Mai 2020 über 17.000 Mitgliedern machten knapp 3.000 von den Formularen Gebrauch. Davon entschied sich die Mehrzahl für die Zeitgutschrift und rund 500 Personen für den übertragbaren Gutschein. Die übrigen Mitglieder reichten bis zum 31. Dezember 2020 keinen der angebotenen Antragsvordrucke bei der Klägerin ein. Die mit der Klägerin geschlossenen Verträge über die Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio haben im Regelfall eine Laufzeit von einem Jahr, daneben werden für ein im Vergleich zur Jahresmitgliedschaft höheres Entgelt monatlich kündbare Mitgliedschaften angeboten. Die vereinbarten Mitgliedsbeiträge werden nach den AGB der Klägerin jeweils im Voraus am Monatsersten oder am 15. des Monats für den jeweiligen Kalendermonat fällig. Bei Abschluss eines Mitgliedvertrags erteilt das künftige Mitglied eine Einzugsermächtigung und ein Lastschriftmandat, wobei es auswählen kann, ob die Lastschrift jeweils zum 1. oder 15. des Monats erfolgt. Im Fall der Ermäßigung des gesetzlichen Umsatzsteuersatzes vermindert sich der Mitgliedsbeitrag entsprechend.
Die während der Schließzeit von den Mitgliedern im Wege des Lastschriftverfahrens weiterhin gezahlten Mitgliedsbeiträge berücksichtigte die Klägerin in ihren ...