rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Erlass von Nachzahlungszinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen bei freiwilliger Vorauszahlung
Leitsatz (redaktionell)
- Ein Erlass von Nachzahlungszinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen ist geboten, wenn die Erhebung der Nachzahlungszinsen nicht den gesetzlichen Wertungen des § 233a AO entspricht.
- Sinn und Zweck der Verzinsung ist nicht nur die Abschöpfung von Liquiditätsvorteilen auf Seiten des Steuerpflichtigen, sondern auch der Ausgleich von Liquiditätsnachteilen auf Seiten des Steuergläubigers.
- Bei der Verzinsung nach § 233a AO kommt es auf eine konkrete Berechnung der eingetretenen Zinsvor- und -nachteile nicht an.
- Erbringt ein Steuerpflichtiger auf die sich aus der Steuerfestsetzung ergebende Forderung bereits vor Wirksamkeit der Festsetzung freiwillige Leistungen und nimmt das FA diese an, sind Nachzahlungszinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erlassen.
Normenkette
AO § 233a
Streitjahr(e)
1998
Tatbestand
Streitig ist, ob den Klägern im Streitjahr 1998 Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer zu erlassen sind.
Der Kläger war im Streitjahr 1998 an der X-GmbH wesentlich im Sinne des § 17 EStG beteiligt. Aus der Veräußerung dieser Beteiligung ergab sich im Streitjahr ein Gewinn aus Gewerbebetrieb von zunächst x DM, der sich nach Ausfall einer Restkaufpreisforderung im Jahr 2001 auf x DM reduzierte. Der Kläger erzielte weiterhin Gewinne aus Spekulationsgeschäften. Die Kläger hatten im Übrigen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und Kapitalvermögen.
Die Kläger gaben am 28. April 2000 ihre Einkommensteuererklärung ab. Gleichzeitig leisteten sie eine freiwillige Vorauszahlung auf die zu erwartende Abschlusszahlung in Höhe von 1.096.874 DM. Der Beklagte veranlagte erklärungsgemäß. Aus dem am 29. Mai 2000 erlassenen Einkommensteuerbescheid ergab sich eine Einkommensteuernachzahlung von 1.040.894 DM. Gleichzeitig setzte der Beklagte Nachzahlungszinsen von 10.408 DM fest.
Im Juni 2000 beantragten die Kläger den Erlass der Nachzahlungszinsen in Höhe von 10.399 DM aus sachlichen Billigkeitsgründen. Der Beklagte erließ die Nachzahlungszinsen aber nur in Höhe von 5.199 DM, den weiteren Erlass von 5.200 DM lehnte er ab.
Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Vorverfahren die Klage. Die Kläger meinen, ihnen stehe ein weiterer Erlass in Höhe von 5.200 DM zu. Aufgrund ihrer freiwilligen Vorauszahlung sei der Nachzahlungsbetrag am 28. April 2000 nahezu vollständig geleistet gewesen, auch wenn ein mit dem Einkommensteuerbescheid verbundenes Leistungsgebot noch nicht bestanden habe. Die Kläger dürften aber nicht schlechter gestellt werden, als ein Steuerpflichtiger, der aufgrund eines Leistungsgebots unter Ausnutzung des Zahlungsziels seine Einkommensteuerschuld begleiche. So fielen z.B. bei einem Steuerpflichtigen, der einen Steuerbescheid mit Datum vom 28. März 2000 erhalte, bei Zahlung am 28. April 2000, dem Tag der Zahlung durch die Kläger, keine Nachzahlungszinsen an. Im Übrigen hätten die Kläger auch keine Zinsvorteile erzielt, da die Abschlusszahlung vom Kontokorrentkonto stamme.
Die Kläger beantragen,
unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids in der Fassung des Einspruchsbescheids vom 6. September 2000 weitere Nachzahlungszinsen von 5.200 DM zu erlassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an seiner Auffassung fest, weitere Nachzahlungszinsen seien den Klägern nicht zu erlassen. Zu erlassen seien den Klägern die Nachzahlungszinsen nämlich nur, soweit sie für den Zeitraum vom 28. April 2000 bis 1. Juni 2000, dem Tag der Bekanntgabe des Einkommensteuerbescheids, entfallen. Nur insoweit widerspreche die Festsetzung der Zinsen den Wertungen des Gesetzgebers, so dass ein Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen gerechtfertigt wäre. Ob die Kläger Zinsvorteile gezogen hätten, sei unerheblich.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Der Beklagte hat zu Unrecht den weiteren Erlass von Nachzahlungszinsen abgelehnt.
Nach § 227 AO kann die Finanzbehörde Ansprüche aus dem Schuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Zu den Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis gehören nach §§ 3 Abs. 3, 37 Abs. 1 AO auch die Nachzahlungszinsen des § 233 a AO.
Die Entscheidung über eine Billigkeitsmaßnahme ist eine Ermessensentscheidung, die gerichtlich nur in den durch § 102 FGO gezogenen Grenzen nachprüfbar ist (Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Oktober 1971, GmS-OGB 3/70, BStBl. II 1972, 603). Nach § 102 FGO ist die gerichtliche Prüfung des den Erlass ablehnenden Bescheids und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung darauf beschränkt, ob die Behörde bei ihrer Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem ihr eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat.
Nach § 233 a AO sind Nachzahlungszinsen dann zu entrichten, wenn sich nach Ablauf der Karenzzeit des § 233 a Abs. ...