rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Einordnung einer Bezirkshandlung, die Produkte eines Unternehmens über Beraterinnen im sogenannten Heimvorführungsvertriebssystem vertreibt, als Einzelunternehmen
Leitsatz (redaktionell)
- Mitunternehmer i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG kann nur sein, wer zivilrechtlich Gesellschafter einer Personengesellschaft ist oder – in Ausnahmefällen – eine diesem wirtschaftlich vergleichbare Stellung innehat.
- Die zwischen Beteiligten bestehenden Rechtsbeziehungen sind bei der Beurteilung der Gesellschaftereigenschaft sowohl zivil- als auch steuerrechtlich nicht nur nach deren formalen Bezeichnungen zu würdigen, sondern nach den von ihnen gewollten Rechtswirkungen und der sich danach ergebenden zutreffenden rechtlichen Einordnung. Entscheidend ist insoweit das Gesamtbild der Verhältnisse.
- Haben die Beteiligten zumindest den Rechtsbindungswillen, das Unternehmen auf der Grundlage einer partnerschaftlichen Gleichordnung für gemeinsame Rechnung zu führen, kann das zu einem sog. verdeckten Gesellschaftsverhältnis führen.
- Wer Mitunternehmer ist, erfüllt regelmäßig die Voraussetzungen für die Annahme eines zugrunde liegenden Gesellschaftsverhältnisses oder gesellschaftsähnlichen Gemeinschaftsverhältnisses. Die hierauf beruhende Vermutung macht daher i.d.R. eine besondere Prüfung des Gesellschaftsverhältnisses entbehrlich.
Normenkette
BGB §§ 133, 705-706, 716 Abs. 1; EStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Streitjahr(e)
1987, 1988, 1989, 1990
Tatbestand
Streitig ist, ob eine Bezirkshandlung für … steuerlich als Einzelunternehmen oder als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zu behandeln ist.
Die Klägerin verkauft seit etwa 1968 sogenannte … Nach dem Geschäftsprinzip der … GmbH (fortan … GmbH) wird die … auf sogenannten „Hauspartys” vertrieben. Bei diesen Heimvorführungen tritt eine bei einer früheren Vorführung geworbene Hausfrau als Gastgeberin auf. Sie lädt Gäste ein, stellt die Wohnung für die Veranstaltung zur Verfügung und bewirtet die Gäste. Für die bezeichneten Leistungen erhält die jeweilige Gastgeberin sogenannte Gastgeberinnen-Geschenke in Form von … und Fremderzeugnissen. Die Gastgeberin kann diese Gegenstände nach einem Punktesystem auswählen. Die Anzahl der Punkte hängt von der Zahl der Gäste, dem Umfang der von ihnen bestellten Waren und von dem Zustandekommen weiterer Veranstaltungen ab. Die zu vertreibende … erhält die Gastgeberin über die Gruppenberaterin und die Bezirkshandlung von der … GmbH. Die Betreuung, die Schulung und das Motivationstraining der Hausfrauen/Beraterinnen und Gruppenberaterinnen und das Abhalten von Wettbewerben ist jeweils Aufgabe der zuständigen Bezirkshandlung.
Die Klägerin arbeitete zunächst als Beraterin. Sie wohnte seinerzeit mit ihrem Mann in …. Ihr Ehemann war damals als kaufmännischer Angestellter berufstätig. Ihr Sohn wurde 1968 geboren. Als die Möglichkeit bestand, eine vakante Bezirkshandlung zu übernehmen, zog die Familie im September 1970 nach … um. Damals betreute die Bezirkshandlung … drei Gruppenberaterinnen und neun Beraterinnen. Bereits den ersten Bezirkshändlervertrag aus dem Jahre 1970 unterschrieb die Klägerin zusammen mit ihrem Mann. Die Bezirkshandlung expandierte. Der Kläger nahm zunächst keine neue Arbeit in … auf; er passte auf das Kind auf, das damals noch keinen Kindergartenplatz besaß. Die ersten Büro- und Lagerräumlichkeiten befanden sich in …. Das Lager bestand aus einer Garage. Die Garage wurde allein von der Klägerin angemietet. Das Wohnhaus in … wurde von beiden Klägern gemeinsam gemietet. Der Kläger hatte sich zu dieser Zeit bereit erklärt, bei der Lagerhaltung usw. zu helfen. Ein Entgelt bekam er dafür zunächst nicht. Nachdem die Bezirkshandlung einen immer größeren Umfang annahm, zahlte die Klägerin ihrem Mann nach einer mündlichen Absprache etwa ab 1972/1973 ein Gehalt. Das Gehalt betrug etwa 2.000 DM monatlich. 1971/1972 wurden die Büro- und Lagerräume nach … in ein ehemaliges Milchgeschäft verlagert. Das Gebäude wurde von der Klägerin gemietet. Etwa 1974/1975 wurde das Büro- und Lagergebäude dann in die …straße in … verlegt. Zu dieser Zeit wurde eine erste Angestellte neben dem Kläger beschäftigt. Der Betrieb wurde in diesem Gebäude etwa drei Jahre geführt. Die erste Angestellte, Frau …, blieb bei der Klägerin bis der erste Computer angeschafft wurde. Damit wollte die Angestellte nicht arbeiten. Am Computer arbeitete sich sodann der Kläger ein. Im Lager wurden damals schon und in der Folgezeit zwei bis drei Aushilfskräfte beschäftigt. Der große Durchbruch kam nach dem Umzug nach …. Damals hatte die Klägerin ca. 300 Beraterinnen und 20 Gruppenberaterinnen. Heute hat die Bezirkshandlung 1.150 Beraterinnen und 70 Gruppenberaterinnen. Die als Zeugen benannten Mitarbeiter …, … und … hat die Klägerin nach und nach angestellt. Sie hat die dazu notwendigen Gespräche geführt. Etwa 1977 wurde der Betrieb in die …straße nach … verlegt. Das Gebäude in … in der …straße hatte der Kläger gekauft, ausgebaut und an die ...