Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an den Nachweis des Tages der Aufgabe zur Post und des verspäteten Zugangs eines Steuerbescheides
Leitsatz (redaktionell)
- Zu den Voraussetzungen des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO.
- Für den Beginn der Frist von drei Tagen kommt es auf die Aufgabe des VA zur Post und nicht auf das aufgedruckte Bescheiddatum an.
- Der Beweis der Aufgabe eines VA zur Post an einem bestimmten Tag kann nicht nach den Regeln des Anscheinsbeweises geführt werden, wenn die Absendung nicht in einem Absendevermerk der Poststelle des FA festgehalten ist.
- Bei Fehlen eines solchen Vermerks kann das FA darlegen, wie der Ablauf der Postversendung gestaltet war und welche Maßnahmen ergriffen worden waren, um die Gewähr für die Übereinstimmung von Bescheiddatum und tatsächlichem Aufgabetag zu bieten.
- Wenn nach der BFH-Rechtsprechung allein ein selbst gefertigter Eingangsvermerk nicht ausreicht, kann auch eine von einem Mobiltelefon an den Berater gesendete Kurznachricht mit der Behauptung eines bestimmten Tages des „Erhalts der Aufgabe zur Post” nicht genügen, um Zweifel an der Zugangsvermutung zu begründen.
Normenkette
AO § 122 Abs. 2 Nr. 1
Streitjahr(e)
2007
Tatbestand
Streitig ist die Rechtzeitigkeit eines Einspruchs.
Der Kläger ist ledig und wird einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. Er erzielt im Wesentlichen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der Kläger war in den Streitjahren als Geschäftsführer sowie als Büro- und Teamleiter im Firmengeflecht von verschiedenen Firmen tätig (…).
Im Streitjahr 2007 erfolgte zunächst keine Steuerfestsetzung. Für die Streitjahre 2008 bis 2010 erließ der Beklagte Einkommensteuerbescheide vom 12. Oktober 2010, 17. Dezember 2010 sowie 20. August 2012.
Im Zuge von Ermittlungen der Steuerfahndung ...zu Betreibern von Callcentern im Bereich L., F. sowie in weiteren Teilen der neuen Bundesländer wurde festgestellt, dass innerhalb des vorgenannten Firmengeflechts größere Beträge an Bargeld in Form von Motivations- und Prämienzahlungen als Lohnbestandteil an die Beschäftigten der Firmen gezahlt wurden. Im Rahmen der Ermittlungen der Steuerfahndung wurde bekannt, dass auch der Kläger in das Prämienzahlungssystem eingebunden war und solche Gelder selbst zur Auszahlung brachte. Die Steuerfahndung und dem folgend der Beklagte kamen zu dem Schluss, dass auch der Kläger in den Streitjahren solche Schwarzgeldzahlungen erhalten hatte und erließ für 2007 erstmalig einen Einkommensteuerbescheid bzw. änderte die vorgenannten Ausgangsbescheide für 2008 und 2009 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung - AO - sowie für 2010 gemäß § 164 Abs. 2 AO. Der Vorbehalt der Nachprüfung für das Streitjahr 2010 wurde aufgehoben.
Die vorgenannten Einkommensteuerbescheide tragen das aufgedruckte Bescheiddatum „14.02.2014”. Unstreitig handelt es sich dabei um Steuerbescheide, die nicht im maschinellen Verfahren verschickt wurden. Das liegt an dem Umstand, dass den Bescheiden noch eine Anlage – der Bericht der Steuerfahndung – beizufügen war. Aus diesem Grund gab ein Mitarbeiter/eine Mitarbeiterin des Finanzamts die Steuerbescheide (manuell) zur Post auf. Ein entsprechender Absendevermerk wurde darüber nicht gefertigt.
Hiergegen wendete sich der Kläger mit seinem Einspruch vom 19. März 2014, der am 18. März 2014 beim Beklagten einging. Zur Begründung teilte der Kläger mit Schreiben vom 15. Mai 2014 mit, dass ihm die Bescheide erst am 20. Februar 2014 bekanntgegeben worden seien. Der Kläger bezweifelte hier das Datum der Aufgabe der Bescheide zur Post. Er bat um den Nachweis des Absendevermerks auf den Bescheiden und um Mitteilung, wer die Bescheide zur Post gegeben habe. Des Weiteren ersuchte er den Beklagten, anhand des Postausgangsbuches nachzuweisen, wann die Bescheide tatsächlich zur Post aufgegeben worden seien.
Der Beklagte erörterte daraufhin mit Einlassung vom 28. Mai 2014 ausführlich die Sach- und Rechtslage und bat den Kläger um abschließende Stellungnahme. Da eine Antwort hierauf nicht erfolgte, verwarf das beklagte Finanzamt den Einspruch als unzulässig.
In der Einspruchsentscheidung vom 4. Juli 2014 errechnete der Beklagte das Ende der Einspruchsfrist mit dem Ablauf des 17. März 2014. Der am 18. März 2014 eingelegte Einspruch sei danach nicht fristgerecht erfolgt. Einen späteren Zugang der geänderten Einkommensteuerbescheide nach dem gesetzlich fingierten Bekanntgabedatum (17. Februar 2014) habe der Kläger nicht nachgewiesen. Es gebe weder einen Eingangsvermerk noch habe der Kläger den Briefumschlag aufbewahrt. Dem Kläger obliege es insoweit, Beweisvorsorge zu treffen.
Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage. Der Kläger vertritt weiterhin die Auffassung, dass die streitbefangenen Steuerbescheide ihm gegenüber am 20. Februar 2014 bekanntgegeben worden seien. Das beklagte Finanzamt habe die angeforderten Nachweise über die Aufgabe zur Post nicht beigebracht. Zur Glaubhaftmachung des Zugangs der streitbefangenen Bescheide am 20. Februar 2014 hat der Kläger – soweit ersichtlich erstmals mit Sc...