vorläufig nicht rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Vermietung und Verpachtung: Einkünfteerzielungsabsicht bei langjährig unbebautem Grundstück

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Prozesserklärungen sind wie sonstige Willenserklärungen grds. auslegungsfähig.
  2. Zum Grundsatz der rechtschutzgewährenden Auslegung von Verfahrensvorschriften.
  3. Die Auslegung einer Prozesserklärung darf nicht zur Annahme eines Erklärungsinhalts führen, für den sich in der verkörperten Erklärung selbst keine Anhaltspunkte mehr finden lassen.
  4. Bezeichnet ein Stpfl. einzelne Steuerbescheide und formuliert insoweit einen Klageantrag, führt die Nennung der mehrere Einsprüche umfassenden Rechtsbehelfsnummer nicht dazu, dass mit der Klage ein neben den bezeichneten Bescheiden vorhandener weiterer Bescheid als (von Anfang an) angefochten angesehen werden kann.
  5. Auch die rechtsschutzgewährende Auslegung berechtigt nicht zu der Annahme, dass ein Stpfl. sämtliche Verwaltungsakte, auf die sich das Einspruchsverfahren bezog, quasi automatisch auch zum Gegenstand des nachfolgenden Klageverfahrens machen will.
  6. Zu den Voraussetzungen für die Abziehbarkeit von Aufwendungen für ein unbebautes Grundstück als vorab entstandene WK bei Ermittlung der Einkünfte aus VuV.
 

Normenkette

EStG § 21; FGO § 67; BGB § 133

 

Streitjahr(e)

2004, 2005, 2006, 2007, 2008

 

Tatbestand

Die Kläger sind Eheleute und wurden für die Streitjahre 2004 bis 2008 zur Einkommensteuer zusammen veranlagt.

Sie sind zu jeweils 1/2 Miteigentümer des zum 1. Januar 1999 erworbenen Grundstücks A. Zur Finanzierung des Kaufpreises nahmen sie ein Darlehen auf. Das auf dem Grundstück befindliche Gebäude vermieteten die Kläger bis zum 30. November 1999. Im Februar 2001 wurde das Gebäude abgerissen. Das Grundstück ist seitdem noch unbebaut. Im Jahr 2014 wurde jedoch ein Vorbescheid für den Neubau eines Mehrfamilienhauses mit vier Wohneinheiten beantragt, der Anfang 2015 durch das Landratsamt … auch genehmigt wurde.

Einnahmen aus der Vermietung und Verpachtung des Grundstücks A erzielten die Kläger seit dem Jahr 2000 nicht mehr. Für die Streitjahre machten sie insoweit jedoch folgende Beträge als Werbungskosten geltend:

2004

2005

2006

2007

2008

Schuldzinsen

7.322 €

7.322 €

7.322 €

7.322 €

7.322 €

Grundsteuer

81 €

81 €

81 €

81 €

74 €

Versicherung

48 €

Steuerberatungskosten

24 €

25 €

45 €

AfA Zaunanlage

153 €

153 €

153 €

153 €

153 €

pauschal

100 €

Summe

7.556 €

7.556 €

7.580 €

7.581 €

7.742 €

Das für die Kläger früher zuständige Finanzamt erkannte die vorgenannten Werbungskostenüberschüsse für die Veranlagungszeiträume 2004 bis 2007 nicht an. Die entsprechenden Einkommensteuerbescheide 2004 bis 2007 ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung --AO--). Im Jahr 2009 ergingen sodann Änderungsbescheide gemäß § 164 Abs. 2 AO, in denen die Werbungskostenüberschüsse wiederum nicht berücksichtigt waren. Im Einkommensteuerbescheid für 2008 erkannte das Finanzamt den Werbungskostenüberschuss aus dem Grundstück A ebenfalls nicht an.

Die Kläger legten gegen die Änderungsbescheide für 2004 bis 2007 und den Einkommensteuerbescheid für 2008 Einspruch ein. Zur Begründung trugen sie --soweit es hier von Bedeutung ist-- vor, es sei geplant, das Grundstück zu bebauen und es zumindest größten Teils zu Bürozwecken an die E-GmbH zu vermieten. Mit der Bebauung sei frühestens im Jahr 2011 oder 2012 zu rechnen.

Im Jahr 2012 trugen sie ergänzend vor, das Projekt sei --bedingt durch den beruflichen Werdegang des Klägers-- zurückgestellt, jedoch nicht aufgegeben worden. Möglicherweise erfolge eine entsprechende Bebauung mit einer entgeltlichen Nutzungsüberlassung an gewerbliche Mieter in den nächsten Jahren. Ein unbebautes Grundstück könne nicht vermietet werden. Die Aufwendungen seien vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.

Der Beklagte (das Finanzamt --FA--) wies die Einsprüche als unbegründet zurück. Die Aufwendungen für das Grundstück A seien nicht als vorweggenommene Werbungskosten abzugsfähig, weil die Kläger nicht nachgewiesen hätten, dass in den Streitjahren eine Einkünfteerzielungsabsicht bestanden habe.

Hiergegen richtet sich die Klage.

In der Klageschrift, der keine Abschriften der angefochtenen Bescheide und der Einspruchsentscheidung beigefügt waren, sind --soweit noch streitig-- als angefochten lediglich die Einkommensteuerbescheide für 2005 bis 2008 in der Fassung des Einspruchsbescheids genannt. Der in der Klageschrift formulierte Klageantrag hat ebenfalls nur die Berücksichtigung der „Verluste aus Vermietung und Verpachtung” bei der „Festsetzung der Einkommensteuer für 2005, 2006, 2007, 2008 …” zum Gegenstand. In der Klageschrift sind ferner die Rechtsbehelfsnummern X1-X6/2013-RbStn genannt, wobei sich die Rechtsbehelfsnummer X1/2013 auf die Einkommensteuer 2004 bezog. Erstmals mit der Klagebegründung vom 8. April 2014 haben die Kläger (ausdrücklich) auch eine Anerkennung der negativen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für den Veranlagungszeit...

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