Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein umsatzsteuerähnlicher Charakter von Nachzahlungszinsen
Leitsatz (redaktionell)
- Nachzahlungszinsen haben keinen umsatzsteuerähnlichen Charakter i.S.d. Art. 33 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie.
- Die Erhebung von Nachzahlungszinsen zur Umsatzsteuer gem. § 233a AO verstößt nicht gegen Art. 33 der 6. EG-Richtlinie.
Normenkette
AO § 233a; EWGRL 388/77 Art. 33
Streitjahr(e)
1996
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Festsetzung von Nachzahlungszinsen zur Umsatzsteuer.
Die Klägerin ist Unternehmerin und betreibt einen Einzelhandel mit Drogerieartikeln. Im Anschluss an eine Außenprüfung (geändert wurde der Eigenverbrauch für Pkw und Telefon) erging für das Streitjahr ein geänderter Umsatzsteuerbescheid mit dem auch Nachzahlungszinsen in Höhe von 68 DM festgesetzt wurden.
Die Klägerin wendet sich ausschließlich gegen die Zinsfestsetzung.
Sie trägt vor, die Nachzahlungszinsen zur Umsatzsteuer nach § 233a AO hätten den Charakter einer nach Art 33 der 6. EG-Richtlinie nicht zulässigen Umsatzsteuer. Jede Zusatzsteuer zur gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer beinhalte eine variable Ausgestaltung der Steuersätze, was einen Verstoß gegen den Grundsatz darstelle, dass maximal drei Steuersätze zulässig seien. Die Klägerin nimmt hier Bezug auf die entsprechenden Rechtsausführungen von Grams, UR 2000, 456.
Zudem verstoße die Zinsfestsetzung gegen den gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Belastungsneutralität. Während der Umsatzsteueranspruch des Fiskus bereits 15 Monate nach Entstehung zu verzinsen sei, werde der entsprechende Zins-Erstattungsanspruch nach deutschem Recht erst 15 Monate nach Bezug der Lieferung oder Leistungund Erhalt der Rechnung verzinst. Da der Vorsteueranspruch mithin - entgegen den EU-rechtlichen Vorgaben – zu einem späteren Zeitpunkt entstehe als der korrespondierende Umsatzsteueranspruch, verstoße der als Umsatzsteuer wirkende Nachzahlungszins gegen den Grundsatz der Belastungsneutralität. Die Klägerin nimmt hier Bezug auf die Rechtsausführungen von Nagler, DStR 1999, 1176.
Die Klägerin beantragt,
den Umsatzsteuerbescheid für 1996 vom 15. Februar 2001 in Gestalt des Einspruchsbescheids vom 11. April 2001 insoweit zu ändern, dass die Zinsen zur Umsatzsteuer ersatzlos aufzuheben sind.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor, Nachzahlungszinsen hätten nach ihrer Gesetzesbegründung und ihrem Sinn und Zweck nicht den Charakter von Umsatzsteuern. Mit der Einführung der sog. Vollverzinsung habe der Gesetzgeber einen Ausgleich dafür schaffen wollen, dass die Steuern bei den einzelnen Steuerpflichtigen – aus welchen Gründen auch immer – zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und fällig werden. Nachzahlungszinsen dienten somit lediglich dem Ausgleich eines möglichen Zinsvorteils der Steuerpflichtigen.
Bei den Zinsen handele es sich nicht um Steuern i.S. des § 3 Abs. 1 AO, sondern vielmehr um Ansprüche auf steuerliche Nebenleistungen i.S. des § 3 Abs. 3 AO, die ebenso wie Verspätungszuschläge, Säumniszuschläge, Zwangsgelder und sonstige Kosten alle Steuerpflichtigen, damit auch jeden Unternehmer innerhalb einer Leistungskette, unabhängig von der Bemessungsgrundlage belasten.
Außerdem verkenne die Argumentation der Klägerin, dass nicht nur Steuernachforderungen, sondern auch Steuererstattungen nach § 233a AO verzinst würden.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Die Nachzahlungszinsen haben keinen umsatzsteuerähnlichen Charakter i.S.d. Art. 33 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie.
Nach Art. 33 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie sind die Mitgliedstaaten nicht daran gehindert, Abgaben auf Versicherungsverträge, Abgaben auf Spiele und Wetten, Verbrauchsteuern, Grunderwerbsteuern sowie ganz allgemein alle Steuern, Abgaben und Gebühren, die nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben, beizubehalten oder einzuführen. Art. 33 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie begründet – im Umkehrschluss - ein Verbot umsatzsteuerähnlicher Abgaben.
Ob eine Steuer, Abgabe oder Gebühr den Charakter einer Umsatzsteuer i.S.d. Art. 33 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie hat, hängt dabei nicht von ihrer Benennung (Steuer, Gebühr oder Abgabe im jeweiligen mitgliedstaatlichen Sinne) sondern allein davon ab, ob sie das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems beeinträchtigt, indem sie den Waren und Dienstleistungsverkehr so belastet, wie es für die Mehrwertsteuer kennzeichnend ist.
Der EuGH (vgl. Urt. v. 26.06.1997 - Rs. C-370/95 u. 372/95 – Careda SA, UR 1997, 357; zuletzt Urt. v. 09.03.2000 Rs. C-437/97 – Krankenhausverein Wien, UR 2000, 242 (244) Rz. 22 m.w.N.) umschreibt den Charakter der Mehrwertsteuer so: Die Mehrwertsteuer gilt allgemein für alle sich auf Gegenstände und Dienstleistungen beziehenden Geschäfte; sie ist proportional zum Preis dieser Gegenstände und Dienstleistungen; sie wird auf jeder Stufe der Erzeugung und des Vertriebs erhoben. Sie bezieht sich ausschließlich auf den Mehrwert der Gegenstände und Dienstleistungen, d.h., es wird die bei einem Ges...