vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [III R 57/13)]
Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestimmung des Kindergeldberechtigten
Leitsatz (redaktionell)
- Unter den Begriff der Unterhaltsrente (§ 64 Abs. 3 EStG) fallen auch Unterhaltsleistungen i. S. des § 1612 BGB.
- Der Teil einer laufenden Unterhaltsrente, der quasi aus der Weiterleitung des Kindergeldes besteht, wird als laufender Barunterhalt nicht einbezogen, da der Zahlende insoweit nicht belastet ist.
- Laufende Zahlungen eines Elternteil auf rückständige Unterhaltsansprüche des Kindes sind nicht als Unterhaltsrente i. S. des § 64 Abs. 3 Satz 2 EStG anzusetzen.
Normenkette
EStG § 64 Abs. 3
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist noch, ob der Klägerin Kindergeld für den Zeitraum von August bis November 2012 zusteht.
Die Tochter der Klägerin (A) bemühte sich nach dem Erreichen der Fachhochschulreife im Sommer 2012 weiter um einen Ausbildungsplatz. Sie bezog zum August 2012 eine eigene Wohnung und erhielt laufend Leistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung des Kindergel-des. Die Tochter gab insoweit an, dass der Landkreis X, dort das Jobcenter X, ihr das „Kindergeld vorgestreckt” habe. Der Landkreis X machte mit Schreiben vom 28. August 2012 Erstattungsansprüche nach § 102 ff. SGB X geltend.
Die Familienkasse lehnte den Antrag auf Kindergeld zunächst mangels nachgewiesener Bewerbungsbemühungen ab. Im Einspruchsverfahren erfuhr die Familienkasse, dass die Tochter der Klägerin mit anwaltlicher Hilfe aus einer Urkunde über die Verpflichtung zum Unterhalt vom November 1999 und einer Urkunde zur Abänderung eines Unterhaltstitels vom Mai 2002 gegen ihren Vater Ansprüche auf rückständigen Unterhalt für die Zeit bis zu ihrer Volljährigkeit in Höhe von rund 16.000 € zzgl. Anwaltskosten etc. geltend gemacht hatte. Der Vater hatte daraufhin zur Vermeidung der Abnahme einer eidesstattlichen Versicherung - im Streitzeitraum - ab August 2012 monatliche Zahlungen in Höhe von 200 € an die Tochter erbracht. Die Familienkasse vertrat daraufhin die Rechtsansicht, diese Zahlungen seien als Unterhaltsrente im Sinne des § 64 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) anzusehen. Da die Klägerin ihrerseits keine Unterhaltsrente an die Tochter zahle, sei sie nicht kindergeldberechtigt. Dagegen richtet sich die Klage.
Die Klägerin ist der Ansicht, Zahlungen auf rückständigen Unterhalt seien nicht als Unter-haltsrente zu berücksichtigen. Sodann stehe ihr gemäß § 64 Abs. 3 Satz 3 EStG das Kinder-geld zu, da sie von den Berechtigten dazu bestimmt worden sei, das Kindergeld zu erhalten.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid über die Ablehnung des Kindergeldes für die Tochter A ab August 2012 vom 31. Oktober 2012 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 26. März 2013 dahingehend zu ändern, dass die Beklagte verpflichtet wird, für A für den Zeitraum von August 2012 bis April 2013 Kindergeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen
und hält daran fest, dass als Barunterhalt jede laufende und regelmäßige Zahlung zu verstehen sei, wenn es sich wiederkehrend um in etwa in gleichen zeitlichen Abständen geleistete Geldbeträge handele. Im Streitfall seien vom Vater unstreitig, wenn auch nachträglich, lau-fend Unterhaltszahlungen erbracht worden. Die Klägerin habe selbst keinen Barunterhalt geleistet. Dies schließe die Klägerin gemäß § 64 Abs. 3 EStG als Kindergeldberechtigte aus, auch wenn im Übrigen – ebenfalls unstreitig – für die Tochter ein Kindergeldanspruch für den Zeitraum von August bis November 2012 bestehe. Auch der BFH stelle lediglich auf laufende Zahlungen ab und halte es für unerheblich, für welchen Zeitraum Unterhalt gezahlt werde.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist hinsichtlich des Kindergeldes für den Zeitraum von August 2012 bis November 2012 begründet und im Übrigen unbegründet.
1. Kindergeld für August 2012 bis November 2012:
Die Klägerin hat gemäß § 64 Abs. 3 Satz 3 EStG für den vorgenannten Zeitraum Anspruch auf Kindergeld für A, da keiner der Eltern die Tochter in ihren Haushalt aufgenommen hatte, keiner der Eltern dem Kind eine Unterhaltsrente zahlte und die Eltern die Klägerin zur Kindergeldberechtigten bestimmt hatten.
Entgegen der Ansicht der Beklagten sind die laufenden Zahlungen des Kindesvaters in Höhe von 200 € monatlich nicht als Unterhaltsrente im Sinne des § 64 Abs. 3 Satz 2 EStG anzusetzen.
Unter dem in § 64 Abs. 3 EStG verwendeten Begriff der Unterhaltsrente fallen nach ständiger Rechtsprechung auch des BFH Unterhaltsleistungen im Sinne des § 1612 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) (vgl. BFH-Urteil vom 16. Dezember 2003 VIII R 67/00, BFH/NV 2004, 934 m.w.N.). Dazu bestimmt das BGB:
„§ 1612 BGB Art der Unterhaltsgewährung
(1) 1Der Unterhalt ist durch Entrichtung einer Geldrente zu gewähren. 2Der Verpflichtete kann verlangen, dass ihm die Gewährung des Unterhalts in anderer Art gestattet wird, wenn besondere Gründe es rechtfertigen...