Entscheidungsstichwort (Thema)
Abkommenskindergeld i.S.d. deutsch-jugoslawischen Sozialabkommens bei geringfügiger Beschäftigung i.S.d. Gesetzes zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Würdigung des deutsch-jugoslawischen Sozialabkommens als völkerrechtlicher Vereinbarung i.S.d. § 2 AO steht nicht entgegen, dass Kindergeld zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Abkommens als Sozialleistung und nicht als Steuervergütung gewährt wurde.
2. Art. 2 Abs. 1 Nr. 1d des Abkommens betrifft lediglich den Regelungsgegenstand; die Form, in welcher die Vertragsstaaten das Kindergeld gewähren, bleibt offen.
3. Arbeitnehmer i.S.d. deutsch-jugoslawischen Sozialabkommens sind auch solche, die in der Bundesrepublik eine Beschäftigung i.S.d. Gesetzes zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse vom 24.03.1999 ausüben.
Normenkette
EStG § 62 Abs. 2 S. 1
Streitjahr(e)
1999, 2000, 2001
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Frage, ob die Klägerin nach dem Deutsch-Jugoslawischen Sozialabkommen aufgrund einer geringfügigen Beschäftigung einen Kindergeldanspruch hat.
Die in Hannover lebende Klägerin ist jugoslawische Staatsbürgerin, die über den ausländerrechtlichen Status einer Duldung verfügt. In dem Zeitraum vom 1. Oktober 1998 bis zum 30. April 2001 war sie bei Herrn L. geringfügig beschäftigt, ab 1. April 1999 führte der Arbeitgeber für dieses Beschäftigungsverhältnis pauschal Sozialversicherungsbeiträge an die AOK ab.
Mit Antrag vom 1. November 2001 beantragte die Antragstellerin Kindergeld für ihren im Jahre 1997 geborenen Sohn B. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Einspruchsbescheid vom 12. Dezember 2001 ab.
Im Klageverfahren trägt die Klägerin vor, dass sie Arbeitnehmerin im Sinne des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit vom 12. Oktober 1968 sei. Für die Arbeitnehmereigenschaft komme es nicht auf die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden, sondern darauf an, ob der Arbeitnehmer sozialversicherungspflichtig sei.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 29. November 2001 und der Einspruchsentscheidung vom 12. Dezember 2001 den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin für den Zeitraum 1. April 1999 bis 30. April 2001 Kindergeld zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, dass Arbeitnehmer im Sinne des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit vom 12. Oktober 1968 nur Arbeitnehmer seien, die eine versicherungspflichtige Beschäftigung, d.h. eine Beschäftigung von mindestens 15 Stunden wöchentlich, ausübten.
Im Übrigen wird auf die im Klageverfahren eingereichten Schriftsätze sowie die Kindergeldakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Die Klägerin hat für die Zeit ihrer geringfügigen Beschäftigung (1. April 1999 – 30. April 2001) einen Anspruch auf Gewährung von Kindergeld für ihren Sohn B.
Zwar ist die Klägerin nach den einkommensteuerrechtlichen Rechtsvorschriften über die Gewährung von Kindergeld nicht anspruchsberechtigt. Gem. § 62 Abs. 2 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) hat ein Ausländer nur Anspruch auf Kindergeld, wenn er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis ist. Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin, die ausländerrechtlich lediglich geduldet wird, nicht.
Der Klägerin steht jedoch nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit vom 12. Oktober 1968 Kindergeld zu.
a) Dem deutsch-jugoslawische Sozialabkommen, das keine dem § 62 Abs. 2 Satz 1 EStG entsprechende Beschränkung des Kindergeldanspruchs kennt, kommt gegenüber dieser Rechtsnorm Anwendungsvorrang zu. Das ergibt sich aus § 2 AO, wonach völkerrechtliche Vereinbarungen im Sinne des Artikels 59 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz über die Besteuerung den nationalen Steuergesetzen vorgehen. Mit Zustimmungsgesetz vom 29. Juli 1969, BGBl. II 1969, 1437, ist das deutsch-jugoslawische Sozialabkommen in deutsches Recht transformiert worden. Der Senat folgt der auch vom FG Düsseldorf, Urteil vom 21. Januar 1999 10 K 5596/97 Kg, EFG 1999, 567 vertretenen Auffassung, wonach es der Würdigung des deutsch-jugoslawischen Sozialabkommens als völkerrechtliche Vereinbarung im Sinne des § 2 AO nicht entgegensteht, dass zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Abkommens Kindergeld als Sozialleistung und nicht als Steuervergütung gewährt wurde. Gem. Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 d) bezieht sich das Abkommen auf die deutschen Rechtsvorschriften über das Kindergeld für Arbeitnehmer. Damit wird nur der Regelungsgegenstand des Abkommens angesprochen; die Form, in welcher die Vertragsstaaten das Kindergeld gewähren, bleibt offen. Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 d) deutsch-jugoslawisches Sozialabkommen enthält somit ein...