Entscheidungsstichwort (Thema)
Inlandsregelung zur Steuerschuldnerschaft bei Bauleistungen - § 27 Abs. 19 UStG ist verfassungsgemäß
Leitsatz (redaktionell)
- § 27 Abs. 19 UStG stellt als Übergangsvorschrift eine Sonderregelung zu § 174 Abs. 3 AO zur Änderung bestandskräftiger indes noch nicht festsetzungsverjährter Besteuerungszeiträume dar.
- § 27 Abs. 19 UStG entspricht verfassungsrechtlichen Anforderungen. Die Regelung begründet keine echte sondern lediglich eine sog. unechte Rückwirkung.
- Die Änderungssperre des § 176 Abs. 2 AO steht der Änderung nach § 27 Abs. 19 UStG nicht entgegen.
Normenkette
AO § 174 Abs. 3, § 176 Abs. 2; UStG 2005 § 27 Abs. 19, § 13b; GG Art. 20 Abs. 3
Streitjahr(e)
2009
Tatbestand
Streitig ist die Besteuerung von Bauleistungen.
Die Klägerin erbrachte in 2009 Bauleistungen (Abbruchleistungen) an die Fa. S. (nachf. Rechnungsempfängerin) über insgesamt 5.171,-- EUR netto. Bei Erteilung der Rechnungen gingen sowohl die Klägerin als auch die Rechnungsempfängerin davon aus, dass die Rechnungsempfängerin die für die Bauleistungen entstandene Umsatzsteuer nach § 13b Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 i. V. m. § 13b Abs. 5 Satz 2 UStG schuldet.
Die Klägerin hat unter dem 30.11.2010 eine Steuererklärung und unter dem 27.10.2011 eine berichtigte Steuererklärung für 2009 abgeben, denen das Finanzamt mit Bescheiden vom 16.12.2010 bzw. vom 10.11.2011 gefolgt ist. Aufgrund einer vom 08.04.2013 - 04.07.2013 durchgeführten Außenprüfung ergingen für die Jahre 2009 - 2011 unter dem 29.07.2013 Änderungsbescheide.
Mit Schreiben vom 18.03.2014 beantragte die Rechnungsempfängerin bei dem für sie zuständigen Finanzamt unter Hinweis auf das Urteil des BFH vom 22.08.2013 (V R 37/10, BStBl II 2014, 128) nicht mehr Steuerschuldnerin für die an sie erbrachten Umsätze zu sein und die aufgrund der erteilten Rechnungen entrichtete Umsatzsteuer von 982,49 EUR zu erstatten.
Der Beklagte teilte der Klägerin daraufhin mit Schreiben 23.10.2014 mit, dass aufgrund des Antrags der Rechnungsempfängerin die Regelung des § 13b Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 i. V. m. § 13b Abs. 5 Satz 2 UStG nicht mehr anzuwenden sei. Vielmehr schulde jetzt die Klägerin als leistende Unternehmerin gemäß § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG die Umsatzsteuer auf die von ihr erbrachten Bauleistungen. Dementsprechend erhöhte das Finanzamt die steuerpflichtigen Leistungen der Klägerin um 5.171,-- EUR und erließ mit Datum vom 26.11.2014 einen nach § 27 Abs. 19 UStG geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2009. Der streitige Steuerbetrag von 982,49 EUR resultiert aus zwei Abrechnungen (Rn.Nr. 1631/09 und 1638/09) in Höhe von netto 4.171,00 EUR und 1.000,00 EUR.
Hiergegen wendet sich die Klägerin nach erfolglosem Einspruch mit der Klage. Sie trägt vor:
Das Wirtschaftsjahr 2009 sei bereits durch das Finanzamt für Großbetriebsprüfung geprüft worden. Im Anschluss sei der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben worden. Eine Änderung des Umsatzsteuerbescheides 2009 sei daher gemäß § 173 Abs. 2 AO nicht mehr möglich.
Zudem stehe einer Änderung der Steuerfestsetzung nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG der Vertrauensschutz gemäß § 176 AO entgegen. Sowohl sie (Klägerin) als auch der Rechnungsempfänger seien im Dezember 2009 davon ausgegangen, dass es sich bei der erbrachten Leistung um eine Bauleistung handele und beide Vertragsparteien Bauleistende seien. Dementsprechend sei der Auftrag nach § 13b UStG (netto) abgerechnet und bezahlt worden.
Eine nachträgliche Geltendmachung des (zivilrechtlichen) Anspruchs auf Zahlung der Umsatzsteuer gegenüber der Rechnungsempfängerin gehe ins Leere, weil dieser sich auf die Verjährung berufe. Insoweit wird auf ein Schreiben des Rechtsanwalts W. (Bevollmächtigter der Rechnungsempfängerin) vom 31.10.2014 Bezug genommen.
Die dreijährige zivilrechtliche Verjährungsfrist beginne mit Ablauf des Jahres, in dem die Leistung ausgeführt worden sei. Dementsprechend sei im Streitfall spätestens mit Ablauf des Kalenderjahrs 2013 Verjährung eingetreten.
Das FG Berlin/Brandenburg habe in einem vergleichbaren Fall einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) stattgegeben und erhebliche verfassungsrechtliche Zweifel an der Anwendbarkeit des § 27 Abs. 19 UStG geäußert (Beschluss vom 03.06.2015 - 5 V 5026/15, UR 2015, 592). So habe das Gericht in dem AdV-Beschluss ausgeführt, dass die Übergangsvorschrift des § 27 Abs. 19 UStG eine verfassungsrechtlich unzulässige echte Rückwirkung begründen könnte. Außerdem sei das Gericht davon ausgegangen, dass eine Weiterbelastung der Umsatzsteuer an den Bauträger als Rechnungsempfänger regelmäßig wegen zivilrechtlicher Verjährung ausgeschlossen sei.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 18.02.2015 und Änderung des Umsatzsteuerbescheides 2009 in der Fassung vom 26.11.2014 die Umsatzsteuer um 982,49 EUR herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Gesetzgeber habe mit § 27 Abs. 19 UStG eine Vorschrift geschaffen, die sowohl eine Regelung zur Steuerfestsetzung enthalte (§ 27 Abs. 19 Satz 1 und 2 UStG) als auc...