Entscheidungsstichwort (Thema)
Trotz Einzelanweisung keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Leitsatz (redaktionell)
- Zu den Voraussetzungen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 FGO.
- Beruft sich ein durch einen Prozessbevollmächtigten vertretener Beteiligter auf ein sog. Büroversehen, muss er grundsätzlich innerhalb der Antragsfrist des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO darlegen, dass kein Organisationsfehler vorliegt. Das verlangt u. a. die Darlegung, wie die Fristenkontrolle im Büro des Prozessbevollmächtigten organisiert ist.
- Der Bevollmächtigte muss durch seine Büroorganisation dafür Sorge tragen, dass die rechtzeitige Erledigung fristgebundener Sachen gewährleistet und insbesondere am Abend jedes Arbeitstages anhand eines Fristenkalenders überprüft wird.
- Der bloße Vortrag, ein Mitarbeiter des Bevollmächtigten sei in der Behandlung von Fristen unterwiesen worden, der Umgang mit den Fristen werde regelmäßig kontrolliert und der Mitarbeiter habe sich im Laufe der Jahre stets als sorgfältig und zuverlässig erwiesen, reicht nicht.
- Auch eine bloße Einzelanweisung reicht nicht aus, wenn sich daran noch eine Fristen- und Ausgangskontrolle hätte anschließen müssen.
Normenkette
FGO § 56
Streitjahr(e)
1993, 1994, 1995, 1996, 1997, 1998, 1999, 2000
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Zulässigkeit der Klage, weil Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Klagefrist zu gewähren ist. In der Sache begehrt der Kläger die Aufhebung des gegen ihn erlassenen Haftungs- und Nachforderungsbescheids in der Fassung der Einspruchsentscheidung.
Der Kläger betreibt ein Omnibus- und Taxiunternehmen sowie ein Reisebüro in der Rechtsform eines Einzelunternehmens.
In der Zeit von Mai 1999 bis April 2004 wurde unter Mitwirkung des Finanzamtes für Fahndung und Strafsachen Oldenburg für den Zeitraum Januar 1993 bis Dezember 2000 eine Lohnsteueraußenprüfung bei dem Kläger durchgeführt. Der Prüfer kam zum einen zu dem Ergebnis, dass nicht lohnversteuerte Überstundengelder an Arbeitnehmer ausgezahlt worden seien. Zum anderen stellte er fest, dass gezahlte Aushilfslöhne nur teilweise versteuert worden seien bzw. die Voraussetzungen für eine Pauschalversteuerung gem. § 40a Einkommensteuergesetz (EStG) nur teilweise vorgelegen hätten.
Der Beklagte (das Finanzamt - FA) folgte den Prüfungsfeststellungen und nahm den Kläger für die nicht versteuerten Überstundenentgelte in Haftung. In Bezug auf die Nachversteuerung der Aushilfslöhne erließ das FA einen auf § 40a EStG bzw. § 40 Abs. 1 Nr. 2 EStG gestützten Nachforderungsbescheid.
Der hiergegen erhobene Einspruch blieb erfolglos.
Die Einspruchsentscheidung wurde am 8. Juli 2005 mit einfachem Brief zur Post gegeben. Die Klage ging am 18. August 2005 zusammen mit einem Wiedereinsetzungsantrag wegen Versäumung der Klagefrist beim Finanzgericht ein.
Hierzu trägt der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 18. August 2005 vor, er habe die Klageschrift am Vormittag des 11. August 2005 gefertigt, unterschrieben und seiner Sekretärin, ___ (K), mit der ausdrücklichen Weisung übergeben, die Klage wegen des Fristablaufs noch am gleichen Tag an das Finanzgericht zu faxen. Aufgrund eines akuten Bandscheibenvorfalls habe er sich nachmittags in Behandlung begeben und sei anschließend nicht mehr ins Büro zurückgekehrt. Erst am nächsten Morgen – als die Klageschrift noch in dem für Fristsachen vorgesehenen Ausgangsfach gelegen habe – sei bemerkt worden, dass die Faxübermittlung vergessen worden war.
K sei intensiv in die Behandlung von Fristen unterwiesen worden und werde diesbezüglich auch regelmäßig kontrolliert. Bislang habe sie sich stets als sorgfältig und zuverlässig erwiesen.
Fristen würden von dem Prozessbevollmächtigten angewiesen und von K notiert. Regelmäßig werde eine Vorfrist von sieben Tagen eingetragen. Auch der Fristablauf werde kontrolliert. Für Faxe, die an einem Fristtag abgehen sollten, gebe es ein gesondertes Fach, das von K, die das Büro in der Regel als Letzte verlasse, stets noch einmal kontrolliert werde. Warum die Faxübermittlung an diesem Tag übersehen wurde, sei unerklärlich.
In weiteren Schriftsätzen vom 19. Dezember 2005 sowie vom 3. März 2006 erläuterte der Prozessbevollmächtigte, sein Büro verfüge über ein elektronisch geführtes Postausgangsbuch. Über einen Strichcode würden die ausgehenden Briefe von den Mitarbeitern mit einem Lesegerät erfasst, nachdem sie frankiert und für den Postversand am gleichen Tag fertig gemacht worden seien. Neben dem Postausgangsbuch werde eine elektronische Fristenkontrolle und Erfassung durch ihn persönlich geführt. Mit Vorlage des Posteingangsbuches trage er die Fristen ein und hake sie nach Bearbeitung als erledigt ab. Darüber hinaus würden die elektronisch vermerkten Fristen auch unter dem jeweiligen Aktenzeichen zur Akte selbst dokumentiert.
Schließlich werde noch ein Fristenkalender von K per Hand geführt und von ihm kontrolli...