Dipl.-Finanzwirt Karl-Heinz Günther
Leitsatz
Lässt das Finanzamt abweichend von der handschriftlich ausgefüllten Steuererklärung einen Teil des deklarierten Bruttoarbeitslohns unberücksichtigt, weil der per elektronischer Lohnsteuerbescheinigung übermittelte Arbeitslohn aus einem weiteren Arbeitsverhältnis mit einem außerhalb von Nordrhein - Westfalen ansässigen Arbeitgeber nicht in der landesweiten "Übersicht eDaten" angezeigt wird, obwohl er sich aus der bundesweiten Datenübersicht ergibt, kann der Steuerbescheid nach § 129 AO berichtigt werden, wenn der Sachbearbeiter mangels eines entsprechenden programmgesteuerten Hinweises überhaupt nicht erkannt hat, dass die aus der elektronischen Speicherung übernommenen Daten von den erklärten Werten abweichen.
Sachverhalt
Im Streitfall ging es um in der Einkommensteuererklärung 2013 manuell angesetzten, aber letztlich nicht in den Steuerbescheid übernommenen Bruttoarbeitslohn aus einem Arbeitsverhältnis mit einem Arbeitgeber, der in einem anderen Bundesland ansässig ist. Der Sachbearbeiter hatte lediglich den Bruttoarbeitslohn übernommen, der ihm aus der landesweiten "Übersicht eDaten" angezeigt wurde. Da er den erklärten höheren Bruttoarbeitslohn nicht erfasst hatte, kam es nicht zu einem programmgesteuerten Hinweis über die Abweichung der erklärten Werte zum übernommenen Bruttoarbeitslohn. Im Rahmen der Bearbeitung der Steuererklärung für das Folgejahr fiel der Fehler auf, worauf der Einkommensteuerbescheid 2013 nach § 129 AO unter Ansatz des Bruttoarbeitslohns in zutreffender Höhe berichtigt wurde. Hiergegen wendete sich der Steuerpflichtige erfolglos im Einspruchsverfahren.
Entscheidung
Das Finanzgericht wies die eingelegte Klage ab und entschied, dass die Voraussetzungen für eine Berichtigung nach § 129 AO vorgelegen haben. Im Streitfall beruhte die vollständige Nichterfassung des Bruttoarbeitslohns auf einer "ähnlichen offenbaren Unrichtigkeit" im Sinne des § 129 AO. Denn für einen verständigen Dritten war bei Einsichtnahme in die vorliegende Einkommensteuerakte ohne Weiteres ersichtlich, dass u.a. der im Erstbescheid erfasste Arbeitslohn ohne erkennbaren Grund von den erklärten Angaben abweicht. Dass der Sachbearbeiter den Arbeitslohn nebst Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen bewusst und gewollt - aufgrund welcher rechtlicher Überlegungen auch immer - außer Ansatz gelassen hatte, war für das Finanzgericht ausgeschlossen. Vielmehr war ihm offensichtlich gar nicht bewusst, dass der Steuerpflichtige aus zwei Arbeitsverhältnissen Arbeitslohn bezogen hatte. Der Umstand, dass nur die Daten aus einer einzigen elektronischen Lohnsteuerbescheinigung Eingang in den Steuerbescheid gefunden hatten, zeigt, dass sich die Daten aus der weiteren elektronischen Lohnsteuerbescheinigung offensichtlich nicht in dem abgerufenen eSpeicher befanden. Denn bei einem Datenabruf besteht typischerweise der Wille, sämtliche vorhandene Daten abzurufen, d. h. der Sachbearbeiter ging offensichtlich davon aus, durch den Datenabruf sämtliche relevanten Lohndaten erfasst zu haben. Damit aber liegt letztlich bloß ein Eingabefehler vor, welcher nach § 129 AO berichtigt werden konnte.
Hinweis
Zu beachten ist, dass § 129 AO nicht von Verschuldensfragen abhängig ist, weshalb die oberflächliche Behandlung eines Steuerfalls eine Berichtigung nach dieser Vorschrift grundsätzlich nicht hindert. Lediglich dann, wenn sich die Unachtsamkeiten bei der Bearbeitung des Falls häufen und Zweifeln, die sich aufdrängen mussten, nicht nachgegangen wird, ist die Anwendung von § 129 AO ausgeschlossen. So verhielt es sich im Streitfall jedoch nicht. Insbesondere war nichts dafür ersichtlich, dass der Sachbearbeiter überhaupt erkannt hatte, dass die aus dem eSpeicher abgerufenen Daten von den erklärten Werten abwichen. Ein entsprechender Prüfhinweis wurde nicht erteilt, so dass es auch keine konkrete Veranlassung gab, irgendetwas näher zu prüfen. Wenn der Sachbearbeiter die Abweichung jedoch gar nicht erkannt hatte, dann konnten sich ihm insoweit auch keine Zweifel aufdrängen.
Link zur Entscheidung
FG Düsseldorf, Urteil vom 11.10.2016, 10 K 1715/16 E