Leitsatz (amtlich)
1. Aus einem Beschluss des einzigen Gesellschafters kann eine GmbH gegen diesen keine Rechte herleiten. Ansprüche erwachsen erst, wenn es auf der Grundlage des Beschlusses zu einer vertraglichen Vereinbarung zwischen Gesellschaft und Gesellschafter gekommen ist.
2. Das Erfordernis der Genehmigung nach § 93 Abs. 2 Nds. GO zu einem einer Bürgschaft oder einem Gewährvertrag wirtschaftlich gleichkommenden Rechtsgeschäft betrifft nicht ausschließlich das Innenverhältnis zwischen kommunaler Gebietskörperschaft und Aufsichtsbehörde, sondern hat unmittelbare Einflüsse auf die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts.
3. Die Regelungen über das Genehmigungserfordernis des § 93 Abs. 2 Nds. GO unterliegen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
4. Zur Haftung einer Gemeinde nach den Grundsätzen der Haftung im qualifiziert faktischen GmbH-Konzern.
Normenkette
BGB § 823; GmbHG § 64; NGO § 93
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 09.03.1999; Aktenzeichen 24 O 68/94) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 9. März 1999 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 150.000,00 DM abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Beiden Parteien bleibt nachgelassen, die Sicherheit auch in Form einer selbstschuldnerischen, unbefristeten, unbedingten und unwiderruflichen Bürgschaft einer deutschen Großbank, Volksbank oder öffentlichen Sparkasse zu erbringen.
Wert der Beschwer für den Kläger: 9.504.189,08 DM.
Tatbestand
Der Kläger verlangt als Konkursverwalter über das Vermögen der Kurbetriebsgesellschaft mbH … (im Folgenden: KBG) von der beklagten Gemeinde als deren Alleingesellschafterin Ausgleich der Jahresfehlbeträge der Gesellschaft für die Geschäftsjahre 1991 und 1992 sowie – als Teilanspruch – die Übernahme weiter gehender Verluste.
Die beklagte Gemeinde ist Eigentümerin einer aktiven Solequelle, deren Heilkraft im Rahmen eines Kurbetriebes stärker als zuvor genutzt werden sollte, in der Erwartung, durch Kurbetrieb und Fremdenverkehr die Wirtschaftskraft der Region zu fördern. Die dafür erforderlichen Investitionen sollten nach den in Rat und Verwaltung der beklagten Gemeinde entwickelten Vorstellungen von einer noch zu gründenden Kurbetriebsgesellschaft mbH, an der die Gemeinde zu 100 % beteiligt sein und in die sie die bereits vorhandenen Kureinrichtungen einbringen sollte, vorgenommen werden. Der Rat der Gemeinde fasste einen entsprechenden Grundsatzbeschluss und legte dem Landkreis … als der zuständigen Kommualaufsichtsbehörde im Mai 1988 die aus den Anlagen K 20 und K 21 ersichtliche, von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft erstellte Finanzierungsübersicht mit Wirtschaftlichkeitsberechnung vor, auf deren Grundlage die Beklagte für das erste Jahr der vollständigen Betriebstätigkeit der KBG (1992) einen Überschuss von 115.000,00 DM erwartete. Zur Anschubfinanzierung der Gesellschaft aus Mitteln des Fleckens in den ersten drei Jahren wurde ein Betrag von 500.000,00 DM für ausreichend erachtet. Am 1. Juni 1988 wurde der Landkreis von der beabsichtigten Gründung der KBG förmlich in Kenntnis gesetzt (Anlage K 22); die Kommunalaufsicht bestätigte am 2. Juni 1988 die Kenntnisnahme (Anlage K 23) und zahlte danach einen Investitionszuschuss von 3 Mio. DM.
Am 2. Juni 1988 wurde die KBG durch den hiermit in Bezug genommenen, aus der Anlage K 2 ersichtlichen Gesellschaftsvertrag gegründet und im August 1988 in das Handelsregister eingetragen. Vom Zeitpunkt der Gründung bis zum 11. Oktober 1992 war der Gemeindedirektor … der beklagten Gemeinde der Geschäftsführer der KBG; ihm folgte ab dem 12. Oktober 1992 deren vormaliger Prokurist …, der im Januar 1993 den Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens stellte. In der Gesellschafterversammlung der KBG wird die Gemeinde als Alleingesellschafterin mit einer Stimme durch die Mitglieder ihres Rates vertreten, die ihre Stimme nur einheitlich abgeben können.
Die KBG wurde mit einem Stammkapital von 1 Mio. DM gegründet, das in Höhe von 100.000,00 DM durch Bareinlage und in Höhe von 900.000,00 DM durch die Einbringung von Grundstücken – u. a. des alten Kurhausgeländes und des Solequellengrundstücks – aufgebracht wurde. In den ersten Geschäftsjahren betätigte sich die KBG mit der Herstellung ihrer Einrichtungen, nämlich (zuerst) des Hotels, (danach) des Thermalschwimmbades mit Restaurant und (später) der Therapieeinrichtungen. Die Finanzierung der beiden ersten Bauabschnitte erfolgte teilweise aus dem Stammkapital der KBG und gewährten Investitionszuschüssen sowie im Wesentlichen durch einen von der KBG aufgenommenen und von der beklagten Gemeinde mit Genehmigung des Landkreises verbürgten Kredit der Kreditanstalt für Wiederaufbau in Höhe von 4,7 Mio. DM und einem dinglich abgesicherten Darlehen der Nord/LB und der DG-Bank als Ba...