Normenkette
BGB §§ 626, 1985; InsO § 113
Verfahrensgang
LG Stade (Entscheidung vom 26.01.2017; Aktenzeichen 8 O 112/16) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 26. Januar 2017 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer (Kammer für Handelssachen) des Landgerichts Stade teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 178.500 EUR nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf
jeweils 8.500 EUR seit dem 1. Dezember 2015, 1. Februar, 1. März, 1. April, 1. Mai, 1. Juni, 1. Juli, 1. August, 1. September, 1. Oktober, 1. November und 1. Dezember 2016, 1. Januar, 1. Februar, 1. März, 1. April, 1. Mai, 1. Juni und 1. Juli 2017 und auf 17.000,00 EUR seit dem 1. Januar 2016 zu zahlen.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin 2.085,95 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. Juni 2016 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin ist die (mit mittlerweile weitgehend erfüllten Vermächtnissen belastete) testamentarische Alleinerbin des früheren Geschäftsführers und Alleingesellschafters der beklagten Gesellschaft. Der Erblasser hielt den einzigen ungeteilten Geschäftsanteil an der Beklagten und hatte in seinem Testament bestimmt, dass seine Ehefrau (die Klägerin) 80 % und der Vermächtnisnehmer K. 20 % der Anteile erhalten sollten.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Geschäftsführergehalt. Die Beklagte, auf deren Gesellschafterseite ein Nachlassverwalter agiert, hält die Gehaltsansprüche für unbegründet, weil sie meint, zu einer außerordentlichen Kündigung des Anstellungsvertrages berechtigt gewesen zu sein, in erster Linie deswegen, weil die Klägerin in verschiedener Weise die Gesellschaft geschädigt habe. Wegen des Sachverhalts und der tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts wird auf das Urteil vom 26. Januar 2017 (Bd. I, Bl. 81 ff. d. A.) verwiesen, mit dem der Klage nur zum geringen Teil, nämlich betreffend das Gehalt bis zum Zugang der Kündigungserklärung am 8. Dezember 2015, stattgegeben worden ist. Das Landgericht hat im Kern gemeint, der Nachlassverwalter sei berechtigt gewesen, nicht nur die organschaftliche Bestellung der Klägerin, sondern auch das Anstellungsverhältnis vorzeitig aufgrund eines mit seiner Stellung verbundenen Sonderkündigungsrechts zu beenden. Ob die außerordentliche Kündigung als solche berechtigt gewesen sei, könne daher dahinstehen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihr erstinstanzliches Prozessziel, soweit vom Landgericht abgewiesen, weiterverfolgt, wobei sie im Berufungsverfahren die Klage um das Gehalt für weitere Monate erhöht und zudem vom Urkundsverfahren Abstand genommen hat. Die Klägerin macht geltend, ein Sonderkündigungsrecht des Nachlassverwalters zur Beendigung des Anstellungsverhältnisses gebe es nicht. Die erklärte außerordentliche Kündigung sei unberechtigt gewesen; deren Voraussetzungen seien zudem - weder mit im Urkundsverfahren zulässigen Beweismitteln noch überhaupt - unter Beweis gestellt. Die Beklagte habe auch die Einhaltung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht dargelegt und unter Beweis gestellt. Hinzu komme, dass die Beschlüsse des Nachlassverwalters in der Gesellschaft der Genehmigung durch das Nachlassgericht bedurft hätten, an der es fehle.
Die Klägerin beantragt,
wie erkannt.
Die Beklagte, die erklärt hat, der Abstandnahme vom Urkundsverfahren nicht entgegenzutreten (Bd. II, Bl. 243 d. A.), beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Darüber hinaus macht sie geltend, die Klägerin habe mittlerweile weitere Gesichtspunkte in Erfahrung gebracht, nach denen die außerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrages gerechtfertigt sei: Die Klägerin habe im Jahre 2014 Privatanschaffungen und Reisen durch die Beklagte bezahlen lassen, was das Finanzamt als verdeckte Gewinnausschüttung einschätze.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II. Die Berufung erweist sich als begründet.
Über sie war durch Schlussurteil zu entscheiden, nachdem die Klägerin vom Urkundsverfahren Abstand genommen hat. Soweit darin eine Klagänderung, § 263 ZPO, zu erblicken ist, hat zum einen die Beklagte in eine solche eingewilligt, und ist zum anderen ohnehin die Abstandnahme vom Urkundsverfahren sachdienlich, weil der Rechtsstreit insgesamt zur Entscheidung reif ist. Auch die Klagerweiterung, mit der die Klägerin Geschäftsführergehalt für weitere, mittlerweile abgelaufene Mon...