Leitsatz (amtlich)
1. Das ungeschriebene Merkmal der objektiven Gläubigerbenachteiligung im Rahmen der Gesamtvollstreckungsanfechtung setzt voraus, dass die Masse ausreicht unter Hinzurechnung der anfechtbar weggegebenen Gegenstände eine, wenn auch geringe, Quote an die Gesamtvollstreckungsgläubiger zu zahlen. Gläubiger in diesem Sinne sind auch diejenigen mit Forderungen nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 GesO.
2. Steht die objektive Gläubigerbenachteiligung noch nicht fest, weil sie vom Ausgang anderweitiger Rechtsstreite des Gesamtvollstreckungsverwalters abhängt, so besteht bei Vorliegen der übrigen Anfechtungsvoraussetzungen jedenfalls dann hinreichende Aussicht auf Erfolg der Anfechtungsklage (§ 114 ZPO), wenn dem Verwalter in den anderweitigen Verfahren Prozesskostenhilfe gewährt wurde. In einem solchen Fall ist den Gläubigern regelmäßig nicht zuzumuten, die Kosten des Rechtsstreits aufzubringen.
Normenkette
GesO § 10 Abs. 1 S. 1, § 13 Abs. 1 Nr. 3; ZPO § 114
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 15 O 8566/99) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin vom 1.9.2000 wird der Beschluss des LG Leipzig vom 28.2.2000 – 15 O 8566/99 – einschl. des Nichtabbilfebeschlusses vom 19.9.2000 aufgehoben.
2. Der Antragstellerin wird als Partei kraft Amtes unter Beiordnung von Rechtsanwalt …, …, für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe gewährt.
Gründe
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des LG Leipzig vom 28.2.2000 – 15 O 8566/99 – ist begründet. Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass die Kosten aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten aufzubringen (2.). Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat zumindest im Hinblick auf die geltend gemachten insolvenzrechtlichen Ansprüche Aussicht auf Erfolg und erscheint nicht mutwillig, §§ 114, 116 ZPO (1.).
1. Die Antragstellerin ist Gesamtvollstreckungsverwalterin in dem auf Eigenantrag der Schuldnerin vom 20.10.1998 am 29.12.1998 eröffneten Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der N. GmbH. Sie begehrt im Wege der Anfechtung Rückgewähr eines Gesamtbetrages von 41.668,60 DM, der sich aus einer Überweisung der Schuldnerin vom 13.10.1998 (34.668,60 DM) und einer Barzahlung vom 20.10.1998 (7.000 DM) zusammensetzt. Zum Teil stützt sie die beabsichtigte Klage auch darauf, dass die in den Rechnungen, auf die diese Zahlungen erfolgt seien, abgerechneten Leistungen nicht oder nicht vollständig erbracht worden seien.
Ansprüche nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 GesO trägt das Vorbringen der Antragstellerin allerdings nicht. Es fehlt an einer ausreichenden Darlegung der Gläubigerbenachteiligungsabsicht der Schuldnerin und entspr. Kenntnis der Antragsgegner. Beweiserleichterungen kommen der Antragstellerin bei der hier gegebenen kongruenten Deckung nicht zugute. Dass Überweisung oder Lastschrift vereinbart war, lässt sich den Rechnungen der Antragsgegner nicht entnehmen, die diese Art der Zahlung lediglich in den Rechnungen anbieten.
Hinreichende Aussicht auf Erfolg hat die Klage aber unter dem Aspekt des § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO. Rechtshandlungen des Schuldners sind nach dieser Vorschrift anfechtbar, wenn sie nach Zahlungseinstellung ggü. Personen vorgenommen wurden, denen zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit bekannt war oder den Umständen nach bekannt sein musste, und wenn sie die Gläubiger objektiv benachteiligen.
Die Schuldnerin hatte jedenfalls vor den beiden Leistungen an die Antragsgegner die Zahlungen eingestellt, was von diesen letztlich auch nicht bestritten wird. Zahlungseinstellung liegt nach st. Rspr. vor, wenn der Schuldner wegen eines voraussichtlich dauernden Mangels an Zahlungsmitteln seine fälligen Forderungen und Verbindlichkeiten im Allgemeinen nicht mehr erfüllen kann und dieser Zustand für die beteiligten Verkehrskreise erkennbar wird (Hess/Binz/Wienberg, GesO, 4. Aufl., § 10 Rz. 107b). Aus den Anlagen K 8 (Bl. 43 ff. d.A.) und K 11 (Bl. 74 ff. d.A.) ergibt sich, dass die Schuldnerin bereits Ende Juli 1998 fällige Verbindlichkeiten i.H.v. über 1 Mio. DM hatte und diese auch bis zum Eröffnungsantrag nicht mehr begleichen konnte. Zudem hatte die Schuldnerin an die meisten Arbeitnehmer letztmals für August 1998 Lohn- bzw. Gehaltszahlungen geleistet. Der Zahlungseinstellung stehen die Eintragungen im Kassenbuch, vorgelegt als Anlage K 3 (Bl. 26 f. d.A.), nicht entgegen. Die dort verzeichneten Zahlungen im Oktober 1998, ca. 100.000 DM, sind unwesentlich im Verhältnis zu den Verbindlichkeiten der Schuldnerin. Sie enthalten i.Ü. rund 15.000 DM, die mit „Privatentnahme N.” verbucht sind, also gerade nicht auf Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen getätigt worden sind.
Für die subjektive Seite des Anfechtungstatbestandes nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO genügt es, wenn dem Anfechtungsgegner Tatsachen bekannt sind, die den Verdacht der Zahlungsunfähigkeit begründen (BGH NJW-RR 1999, 272); ihm schadet in diesem Fall bereit...