Verfahrensgang
LG Görlitz (Entscheidung vom 02.02.2005; Aktenzeichen 4 Qs 5/05) |
Tenor
1.
Auf die weitere Beschwerde des Beschuldigten werden der Beschluss des Landgerichts Görlitz vom 02. Februar 2005 und der Haftbefehl des Amtsgerichts Görlitz vom 23. Dezember 2004 aufgehoben.
2.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die dem Beschuldigten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
I.
Der am 22. Dezember 2004 festgenommene Beschuldigte befindet sich in dieser Sache aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Görlitz vom 23. Dezember 2004 seitdem ununterbrochen in Untersuchungshaft. Mit dem auf den Haftgrund der Fluchtgefahr gestützten Haftbefehl wird dem Beschuldigten Einschleusen von Ausländern in sieben tateinheitlichen Fällen zur Last gelegt. Hinsichtlich des genauen Sachverhalts wird auf den genannten Haftbefehl Bezug genommen.
Nachdem das Amtsgericht Görlitz im Rahmen der mündlichen Haftprüfung den vorgenannten Haftbefehl mit Beschluss vom 19. Januar 2005 aufrechterhalten und in Vollzug belassen hatte, hat das Landgericht Görlitz die hiergegen gerichtete Beschwerde des Beschuldigten mit Beschluss vom 02. Februar 2005 als unbegründet verworfen. Zur Begründung des Haftgrundes der Fluchtgefahr hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Straferwartung sowie der Umstand, dass der Beschuldigte im Inland weder einen Lebensmittelpunkt noch soziale Bindungen habe, die Gefahr begründe, dass er sich dem Strafverfahren entziehen werde. Hiergegen wendet sich der Beschuldigte mit der weiteren Beschwerde und beantragt, den Haftbefehl des Amtsgerichts Görlitz aufzuheben, hilfsweise ihn gegen geeignete Auflagen außer Vollzug zu setzen. Er hält den Haftgrund der Fluchtgefahr für nicht gegeben.
Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt, die weitere Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Landgerichts Görlitz vom 02. Februar 2005 aus den zutreffenden, durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräfteten Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die zulässige weitere Beschwerde des Beschuldigten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Beschlusses des Landgerichts Görlitz vom 02. Februar 2005 sowie des Haftbefehls des Amtsgerichts Görlitz vom 23. Dezember 2004.
Zwar ist der Beschuldigte der ihm zur Last gelegten Tat weiterhin dringend verdächtig. Der dringende Tatverdacht ergibt sich insbesondere aus der geständigen Einlassung des Beschuldigten.
Der Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO liegt aber nicht vor. Fluchtgefahr bestünde nur dann, wenn aufgrund der Würdigung der Umstände des vorliegenden Einzelfalles mit größerer Wahrscheinlichkeit anzunehmen wäre, dass sich der Beschuldigte dem Strafverfahren entziehen, anstatt sich ihm stellen bzw. zur Verfügung halten würde (OLG Karlsruhe, StV 2005, 33 ff. m.w.N.). Die Besorgnis, der Beschuldigte werde sich dem Verfahren entziehen, muss dabei auf konkrete Umstände gestützt werden. Allein die allgemeine Besorgnis, der Beschuldigte werde sich dem Verfahren nicht stellen, reicht hierfür nicht aus. Insbesondere trägt der Umstand, dass der Beschuldigte seinen Lebensmittelpunkt im Ausland (hier: Polen) hat, die Annahme von Fluchtgefahr nicht. Der Beschuldigte lebt unter einer den Strafverfolgungsbehörden und dem Gericht bekannten Anschrift in Polen und ist damit weder flüchtig noch hält er sich verborgen (vgl. LG Hamburg, StV 2002, 205). Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass er seinen Lebensmittelpunkt in Polen verlassen werde, liegen nicht vor (vgl. OLG Frankfurt, StV 1994, 581 f.; OLG Stuttgart, StV 1995, 258 f.; Brandenburgisches Oberlandesgericht, StV 1996, 381 f.). Auch die den Beschuldigten im Falle einer Verurteilung erwartende Strafe kann für sich genommen die Fluchtgefahr nicht begründen. Vorliegend ist die Straferwartung für den geständigen, nicht vorbestraften heranwachsenden Beschuldigten nicht derart hoch, dass sie geeignet wäre, einen gesteigerten Fluchtanreiz darzustellen, zumal auch nicht ausgeschlossen werden kann, dass bei einer Verurteilung des Beschuldigten Jugendstrafrecht zur Anwendung kommen könnte.
Der angefochtene Haftbefehl war deshalb aufzuheben.
Für das weitere Verfahren merkt der Senat jedoch an: Sollte der Beschuldigte - entgegen der Erklärung des Verteidigers im Haftprüfungstermin vor dem Amtsgericht Görlitz und dem Vorbringen des Beschuldigten in der Begründung der weiteren Beschwerde - der anzuberaumenden Hauptverhandlung unentschuldigt fernbleiben, würde dies nicht nur den Erlass eines Haftbefehls nach § 230 Abs. 2 StPO rechtfertigen. Indiziert wäre dann vielmehr auch der Haftgrund der Flucht nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 StPO. Nach Erlass eines Europäischen Haftbefehls müsste der Beschuldigte dann auch damit rechnen, von den polnischen Behörden an die Bundesrepublik Deutschland überstellt zu werden.
III.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 467 Abs. 1 StPO analog.
Fundstellen