Leitsatz (amtlich)
1. Eine zum Widerruf des Darlehensvertrages berechtigende Haustürsituation kann auch noch vorliegen, nachdem mehrere Gespräche in der Privatwohnung des Kreditnehmers und dem Geschäftslokal des Vermittlers stattgefunden haben, bei denen es jedoch (noch) nicht um den Kreditvertrag, sondern nur um das Anlagegeschäft (hier Kauf einer Eigentumswohnung) ging, und der Vermittler nach Abschluss des notariellen Kaufvertrages mit einem vorbereiteten Kreditvertrag in der Privatwohnung des Kreditnehmers erscheint, den dieser dort unterschreibt.
2. Die Vorschriften über das verbundene Geschäft finden auf Realkredite gem. § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG keine Anwendung (Fortführung von BGH, Urt. v. 9.4.2002 – XI ZR 91/99, BGHReport 2002, 595 und EuGH, Urt. v. 13.12.2001 – Rs. C-481/99).
3. Im Zuge der Rückabwicklung eines widerrufenen Realkreditvertrages sind die Parteien gem. § 3 Abs. 1 und 3 HWiG jeweils verpflichtet, dem anderen Teil die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und zu verzinsen.
Dies gilt sowohl für die vom Kunden geleisteten Zins- und Tilgungszahlungen als auch für den von der Bank ausbezahlten Nettokreditbetrag.
4. Soweit sich die Ansprüche des Kreditnehmers und der Bank fälligkeitskongruent decken, ist die Durchsetzung des Rückzahlungsanspruches des Kunden wegen des dolo-agit-Einwandes der Bank gehindert.
5. Eine Verzinsung der an den Kreditnehmer zurückzugewährenden Leistungen findet im Hinblick auf fälligkeitskongruente Ansprüche der Bank auf marktübliche Verzinsung des überlassenen Kapitals nur insoweit statt, als die von dem Kreditnehmer bezahlten Raten wegen eines den marktüblichen Zins übersteigenden Vertragszinses oder wegen eines Tilgungsanteiles höher waren als die der Bank zustehende marktübliche Verzinsung.
6. Wurde neben dem Darlehensvertrag auch die Sicherungsabrede nach dem HWiG wirksam widerrufen, kann der Kreditnehmer den ihm zustehenden Anspruch auf Rückgewähr der eingeräumten Sicherheiten im Wege der Vollstreckungsgegenklage gegen die von der Bank betriebene Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Urkunde geltend machen.
Die Zwangsvollstreckung ist in diesem Fall ohne weitere Einschränkungen für unzulässig zu erklären.
§ 4 HWiG gebietet weder, die Zwangsvollstreckung nur Zug um Zug gegen Erfüllung der dem Kreditnehmer obliegenden Rückgewährspflichten für unzulässig zu erklären, noch begründet diese Vorschrift eine Befugnis der Bank, die ihr eingeräumten Sicherheiten zu verwerten.
Normenkette
HwiG § 1; HWiG §§ 3-4, 5 Abs. 2; VerbrKrG § 3 Abs. 2 Nr. 2 und 9 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 5 O 958/01) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Dresden vom 23.10.2001 – Az: 5 O 958/01 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen sowie unter Aufhebung im Kostenpunkt abgeändert und wie folgt gefasst:
1. Die Zwangsvollstreckung aus der Grundschuldbestellungsurkunde des Notars Dr. H., Stuttgart, UR-Nr.: H 0528/99 vom 21.5.1999 wird für unzulässig erklärt.
2. Die Beklagte wird verurteilt, die ihr erteilte vollstreckbare Ausfertigung der in Ziff. I.1. des Tenors bezeichneten Grundschuldbestellungsurkunde an den Kläger herauszugeben Zug um Zug gegen Zahlung des in Ziff. II des Tenors genannten Betrages von 121.176,18 Euro (237.000 DM) nebst 6,4 % Zinsen p.a. hieraus seit 1.8.2000.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt, an die Beklagte 121.176,18 Euro (237.000 DM) nebst 6,4 % Zinsen p.a. hieraus seit 1.8.2000 zu zahlen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden gegeneinander aufgehoben.
Die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz trägt der Kläger zu 3/4, die Beklagte zu 1/4.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 2.400 Euro abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 3.100 Euro abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Sicherheit kann auch geleistet werden durch schriftliche, selbstschuldnerische, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines in der Europäischen Union als Steuer- oder Zollbürge zugelassenen Kreditinstitutes.
V. Die Revision zum BGH wird zugelassen.
– Streitwert für beide Instanzen: 126.289,09 Euro (247.000 DM) –
Tatbestand
Der Kläger begehrt – nach einem von ihm unter Berufung auf das Haustürwiderrufsgesetz erklärten Widerruf eines Darlehensvertrages – Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Urkunde, Rückabwicklung eines kreditfinanzierten Immobilienerwerbes und Schadensersatz wegen Verletzung von Aufklärungspflichten durch die beklagte Bank. Diese fordert mit ihrer Hilfswiderklage Rückzahlung des Darlehensbetrages einschließlich der Herausgabe von Zinsnutzungen.
Zur Finanzierung des Erwerbs einer Eigentumswohnung in Dresden (Kaufpreis: 237.530 DM; notarielles Kaufvertragsangebot des ...