Leitsatz (amtlich)
1. Eine mehraktige Verfügung ist auch dann eine Verfügung i.S.d. § 81 Abs. 1 Satz 1 InsO (und kein sonstiger Rechtserwerb i.S.d. § 91 Abs. 1 InsO), wenn eine Mitwirkung des Schuldners für die Vollendung des Rechtserwerbs nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht erforderlich ist (obiter dictum).
2. Eine Verfügung des Schuldners i.S.d. § 81 Abs. 1 Satz 1 InsO liegt vor, wenn bei einer Vorausabtretung die Vollendung des Rechtserwerbs nur noch vom Entstehen der Forderung abhängt und der Schuldner selbst - beispielsweise durch die Annahme eines Angebots - nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an der Entstehung mitwirkt.
Verfahrensgang
LG Chemnitz (Urteil vom 23.09.2005; Aktenzeichen 1 O 4711/03) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Chemnitz vom 23.9.2005 - 1 O 4711/03, unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen aufgehoben und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 19.576,97 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über den jeweiligen Basiszinssatz p.a. aus 26.722,56 EUR für die Zeit vom 5.5.2003 bis 29.7.2004 sowie aus 19.576,97 EUR seit dem 30.7.2004 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Widerklage wird abgewiesen.
II. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 14 % und die Beklagte zu 86 %.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Schuldner kann die Vollstreckung des Gläubigers gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
V. Die Revision gegen das Urteil wird für die Beklagte in dem aus nachstehenden Gründen unter D. ersichtlichen Umfang zugelassen.
Gründe
A. Der Kläger ist Verwalter in dem auf Antrag vom 12.3.2001 am 17.4.2001 um 20:00 Uhr eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der ... GmbH (Schuldnerin) und verlangt von der Beklagten, die für die Schuldnerin ein im Kontokorrent geführtes Girokonto unterhielt, die Auszahlung von Geldern, die die Beklagte nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entgegengenommen hat. Die Beklagte verlangt vom Kläger die Auszahlung der Gelder, die dieser von Drittschuldnern eingezogen hat mit der Behauptung, diese stünden ihr als Zahlung auf sicherungshalber abgetretene Forderungen zu.
I. Auf die Feststellungen des angefochtenen Urteils wird mit folgenden Änderungen bzw. Ergänzungen Bezug genommen: Die Beklagten nahm für die Schuldnerin Überweisungen i.H.v. insgesamt 55.627,93 DM entgegen, nämlich 7.591,77 DM, der eine Bestellung vom 17.4.2001 zugrunde lag, 42.927,52 DM, der Bestellungen vom 11.5.2001 über 3.900 DM, vom 6.5.2001 über 34.812,94 DM, vom 17.4.2001 über 3.740,63 DM, vom 17.5.2001 über 1.615,95 DM sowie eine Gutschrift vom 17.5.2001 über 1.077,52 DM zugrunde lagen, und über weitere 5.108,64 DM, der eine Bestellung vom 25.6.2001 zugrunde lag. Die Schuldnerin übersandte der Beklagten am 20.11.2000 eine Aufstellung über ihre Verbindlichkeiten einschließlich ihrer Zahlungsplanung (Anlage K 18).
II. Das LG hat die Klage und die Widerklage abgewiesen. Die Beklagte habe die der Klageforderung zugrunde liegenden Zahlungsansprüche mit eigenen Forderungen verrechnet. Die Verrechnung sei nicht bereits gem. § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO unwirksam, weil die Aufrechnungslage nicht durch eine anfechtbare Rechtshandlung geschaffen worden sei. Die Verrechnung selbst könne nicht mehr angefochten werden, weil der Anfechtungsanspruch gem. § 146 Abs. 1 InsO verjährt sei. § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO sei nicht einschlägig, weil die Beklagte auf Grund der Gutschrift nichts zur Insolvenzmasse schuldig geworden sei. Die Widerklage sei jedenfalls auf Grund der vom Kläger erklärten Aufrechnung mit der diese übersteigenden Klageforderung unbegründet. Gemäß § 215 BGB sei die Aufrechnung zulässig.
III. Gegen diese Entscheidung richten sich die wechselseitigen Berufungen der Parteien.
Der Kläger macht geltend, das LG habe zu Unrecht die Forderungen als verjährt angesehen, weil er keinen Anfechtungsanspruch verfolge. Nachdem die Forderungen erst nach Insolvenzantragstellung entstanden seien, habe die Beklagte die Forderungen gem. §§ 24 Abs. 1, 21 Abs. 2 Nr. 2, 81 InsO nicht mehr auf der Grundlage der Globalzession erwerben können. Entsprechend seien die Verrechnungen bereits nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO unwirksam. Im Rahmen der Widerklage habe das LG die Hilfsaufrechnung mit der Klageforderung nicht berücksichtigen dürfen, ohne sich zuvor mit dem Vorbringen zur Einrede der Anfechtbarkeit auseinanderzusetzen.
Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zu verurteilen, an den Kläger 26.722,56 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Der Kläger verkenne, dass jedenfalls die den Zahlungen der...