Leitsatz (amtlich)
1. Die Familienunterhaltspflicht des Unterhaltsberechtigten im Sinne des Härtegrunds des § 1579 Nr. 6 BGB bemisst sich nach den im Rahmen der ehelichen Rollenverteilung übernommenen Aufgaben. Wenn der Unterhaltsverpflichtete trotz eigener Erwerbstätigkeit den Haushalt allein geführt und allein gemeinsame Kinder großgezogen hat, kann davon auszugehen sein, dass der Unterhaltsberechtigte nach der ehelichen Rollenverteilung zur Sicherung des Familienunterhalts durch Erwerbstätigkeit verpflichtet und in diesem Rahmen notfalls gehalten gewesen ist, den Beruf zu wechseln oder eine selbständige Tätigkeit aufzugeben.
2. Die Verletzung der Familienunterhaltspflicht ist gröblich im Sinne des § 1579 Nr. 6 BGB, wenn die Familie dadurch ohne den Einsatz des anderen Ehegatten in ernsthafte Schwierigkeiten bei der Deckung ihres Lebensbedarfs geraten wäre.
3. Das für eine Verwirkung gemäß § 1579 Nr. 6 BGB erforderliche Verschulden liegt vor, wenn der Unterhaltsverpflichtete dem Unterhaltsberechtigten bezüglich der unterlassenen Arbeitssuche immer wieder Vorhaltungen gemacht hat und dieser eine Erwerbstätigkeit abgelehnt hat, ohne an einer solchen aufgrund von ihm nicht zu vertretender Umstände gehindert gewesen zu sein.
4. Gemäß § 1361 Abs. 2 BGB kann schon vor Ablauf des Trennungsjahrs eine Erwerbsobliegenheit des Unterhaltsberechtigten bestehen, wenn dessen Erwerbsabstinenz keiner ehelichen Rollenverteilung entsprach und damit nicht auf einer Funktionsteilung beruht, die den Erwerbsstatus des Unterhaltsberechtigten schutzwürdig erscheinen ließe.
Normenkette
BGB § 1361 Abs. 2, § 1579 Nr. 6
Verfahrensgang
AG Mönchengladbach (Aktenzeichen 25 F 256/18) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Mönchengladbach vom 6. Dezember 2018 abgeändert; der Antrag des Antragstellers wird zurückgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens (beider Instanzen) werden dem Antragsteller auferlegt.
II. Beschwerdewert: bis 4.000,- EUR.
Gründe
I. Der Antragsteller nimmt die Antragsgegnerin aus übergegangenem Recht auf Trennungsunterhalt für die Zeit ab November 2017 in Anspruch.
Die Antragsgegnerin und der aus Algerien stammende Herr C. (im Folgenden: Ehemann), der seit 1992 in Deutschland lebt, heirateten 1995. Aus dieser Ehe ist der 1998 geborene Sohn F. hervorgegangen. Die Antragsgegnerin ist bei der L. GmbH beschäftigt. Der Ehemann war vor seiner Übersiedlung nach Deutschland in Algerien als Friseur tätig. Nachdem die Antragsgegnerin und ihr Ehemann im Anschluss an ihre Heirat zur Arbeitssuche nach K. gezogen waren, arbeitete der Ehemann einige Monate lang für ein Zeitarbeitsunternehmen, ehe man ihn entließ. Im Jahr 2000 ging der Ehemann bei dem Unternehmen A. ein auf ein Jahr befristetes, sodann arbeitgeberseitig nicht verlängertes Arbeitsverhältnis ein. In der Folgezeit übernahm er ein Café, was er mit einem von der Antragsgegnerin aufgenommenen und von dieser allein abgetragenen Darlehen finanzierte. Dieses Café wurde sodann nicht eröffnet. 2014 nahm er den Betrieb einer Teestube auf, wofür der von der Antragsgegnerin aufgenommene und von dieser weiterhin allein abgetragene Kredit aufgestockt wurde. Der Sohn F., der im Haushalt der Antragsgegnerin lebt, absolvierte eine Ausbildung als Sport- und Fitnesskaufmann, die er inzwischen abgebrochen hat.
Seit dem 01.01.2017 leben die Antragsgegnerin und ihr Ehemann getrennt. Der Antragsteller gewährt dem Ehemann seit dem 25.08.2017 Leistungen nach dem SGB II in einer den geltend gemachten Unterhalt übersteigenden Höhe. Mit am 02.11.2017 zugestellter Rechtswahrungsanzeige teilte er der Antragsgegnerin den Übergang der Unterhaltsansprüche mit. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 17.12.2018 die Scheidung der Ehe der Antragsgegnerin und ihres Ehemannes ausgesprochen.
Der Antragsteller hat mit am 14.08.2018 zugestellter Antragsschrift beantragt,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, an ihn für den Ehemann Trennungsunterhalt für die Zeit vom 01.11.2017 bis zum 31.07.2018 in Höhe rückständiger 2.011,13 EUR nebst Rechtshängigkeitszinsen und für die Zeit ab dem 01.08.2018 in Höhe monatlicher 116 EUR zu zahlen.
Die Antragsgegnerin hat sich hiergegen mit dem Einwand der Verwirkung verteidigt. Ihre Inanspruchnahme sei grob unbillig gemäß §§ 1361 Abs. 3, 1579 Nr. 4, 6 BGB. Der Ehemann habe nie nach Arbeit gesucht und weder zur Haushaltsführung noch zur Erziehung des Sohns beigetragen. Sie, die Antragsgegnerin, habe für den Ehemann nach Arbeitsstellen gesucht und Bewerbungsschreiben entworfen, die sodann vom Ehemann unterschrieben worden seien. Sie habe ihm immer wieder Vorhaltungen bezüglich der Arbeitssuche gemacht und ihn aufgefordert, wenigstens im Haushalt zu helfen. Der Aufnahme jedweder abhängigen Tätigkeit habe er jedoch mit der Begründung widersprochen, dass dies "unter seiner Würde" sei. Seine Hilfe bei Haushalt und Kindeserziehung habe sich darauf beschränkt, den Sohn sporadisch zur Schule oder zum Training zu fahren. Der Ehemann ha...