Leitsatz (amtlich)
Die formularmäßige Bestimmung in einem Vermittlervertrag, wonach der Anspruch des Vertreters auf Auszahlung der Stornoreserve nach dessen Ausscheiden erst in dem Zeitpunkt entsteht, in dem sämtliche Forderungen des Unternehmens gegen ihn ausgeglichen sind und sämtliche Verträge sich außerhalb der Haftungszeit befinden, ist unwirksam, weil sie den Handelsvertreter entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt
Normenkette
BGB § 307
Verfahrensgang
LG Wuppertal (Entscheidung vom 17.08.2011; Aktenzeichen 3 O 85/11) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 17.08.2011 teilweise geändert und unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 234,98 € nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basissatz aus 8.731,15 € für die Zeit seit dem 20.08.2009 bis zum 25.08.2009 und aus 822,41 € für die Zeit vom 26.08.2009 bis zum 19.05.2011 und aus 234,98 für die Zeit ab dem 20.05.2011 zu zahlen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreites erster und zweiter Instanz trägt die Klägerin zu 95% und der Beklagte zu 5%.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Der Beklagte war für die Rechtsvorgängerin der Klägerin, die c... p... f... AG, in der Zeit vom 17.03.2005 bis zum 31.03.2009 als Vermittler für Versicherungsprodukte, Finanzierungen und Kapitalanlagen tätig. Dem Vertragsverhältnis lag zuletzt ein Vermittlervertrag in der Fassung vom 30.04./01.06.2008 (vgl. Anlage K 1, Bl. 13 ff.) zugrunde. In § 10 des Vermittlervertrages (Bl. 26 GA.) behielt sich die Klägerin das Recht vor, von den dem Beklagten gut geschriebenen Provisionen eine Stornoreserve einzubehalten. Anlage 9 zum Vermittlervertrag enthält hinsichtlich der Stornoreserve unter Ziff. 3 und 4 folgende Regelung:
"3. Stornoreserve
... Von allen Provisionseinkünften werden 15 % als Stornoreserve für das gesamte getätigte Geschäft einbehalten, bis ein Betrag von 10.000 € erreicht ist....
Ein Anspruch des Beraters auf Auszahlung der Stornoreserve nach dessen Ausscheiden entsteht erst in dem Zeitpunkt, in dem sämtliche Forderungen der AG gegen den Berater, ggf. auch prozessual, ausgeglichen sind und sämtliche Verträge sich außerhalb der Haftungszeit befinden.
4. Auflösung der Stornoreserve
Die Stornoreserve wird fünf Jahre nach Eintritt des Beraters in die AG unter der Voraussetzung, dass in gleicher Höhe Ansprüche aus Dynamiken und Folgeprovisionen bestehen, an den Berater ausbezahlt".
Zudem sollte dem Beklagten bei Vertragsbeendigung für die Übertragung seiner Kunden nebst Vertragsbestand auf die Klägerin ein Provisionsnachlauf in Höhe von 25 % der anfallenden Vermittlerprovisionen zustehen. Für den Beklagten wurde ein sogenanntes Vermittlerkonto geführt, auf dem sämtliche Verbindlichkeiten sowie Ansprüche und Gutschriften in Form eines Kontokorrents verbucht wurden.
Im April 2006 wies das Vermittlerkonto einen negativen Saldo von 26.798,89 € auf, woraufhin die Parteien im Mai 2006 eine Rückzahlungsvereinbarung schlossen, wonach der Beklagte sich verpflichtete, die offenen Forderungen in monatlichen Raten zu je 500 € beginnend ab Juni 2006 zurückzuzahlen. Dieser Verpflichtung kam der Beklagte zunächst nach. Nach ordentlicher Kündigung des Vermittlungsvertrages zum 31.03.2009 stellte der Beklagte ab Mai 2009 seine monatlichen Zahlungen auf die Rückzahlungsvereinbarung ein und widersprach ausdrücklich weiteren Abbuchungen per Lastschrift. Nach erfolglosen Zahlungsaufforderungen kündigte die Klägerin die Rückzahlungsvereinbarung mit Schreiben vom 04.08.2009 und stellt den zu diesem Zeitpunkt offenen Forderungssaldo von 9.323,22 € fällig. Sie setzte dem Beklagten eine Zahlungsfrist bis zum 19.08.2009. Zu diesem Zeitpunkt wies die Abrechnung der Klägerin vom 31.07.2009 als einbehaltene Stornoreserve einen Betrag in Höhe von 8.496,44 € aus. Mit Schreiben vom 25.08.2009 wandte sich der Prozessbevollmächtigte des Beklagten unter Bezugnahme auf die bis dahin geführte Korrespondenz der Parteien betreffend die wechselseitigen Zahlungsansprüche an die Klägerin und wies darauf hin, dass der Beklagte einen Anspruch auf Auszahlung der Stornoreserve habe und die Ansicht der Klägerin, sie könne dem Beklagten auf unbestimmte Zeit den Anspruch auf Auszahlung der Stornoreserve vorenthalten unzutreffend sei. In der nachfolgenden Korrespondenz vertrat die Klägerin weiterhin die Auffassung, die Stornoreserve einbehalten zu können.
Unter Berücksichtigung geringfügiger Gutschriften auf dem Vermittlerkonto des Beklagten beantragte die Klägerin im November 2010 den Erlass eines Mahnbescheides über 9.318,58 €. Vor Abgabe des Verfahrens an das Landgericht kam es zu einer durch die Stornierung einer Kundin veranlassten Belastungsbuchung von 473,39 € auf dem Vermittlerkonto des Beklagten. Nachdem die Klägerin zunächst den Antrag angekündigt hatte, an sie 9.791,97 € nebst Zinsen zu zahlen, stellte sie nach Überprüfung des Sto...