Verfahrensgang
LG Wuppertal (Urteil vom 17.07.2001; Aktenzeichen W 5 O 90/00) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 17.7.2001 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des LG W. unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.655,59 Euro nebst 4 % Zinsen seit dem 28.3.2000 zu zahlen, Zug um Zug gegen Herausgabe der im Besitz des Klägers befindlichen, ihm zuvor von der Beklagten übergebenen Buchführungs- und Steuerunterlagen für die Jahre 1996 und 1997, insbesondere Eingangs-Rechnungen, Ausgangs-Rechnungen, Kassenbelege und Kassenbücher, Saldenlisten, Buchungsjournale, Kontoauszüge der Deutschen Bank Solingen sowie der Stadtsparkasse W …….., Kopien von Umsatzsteuervoranmeldung und Lohnsteueranmeldung, in 1996 und 1997 erlassene Steuerbescheide früherer Jahre, Schriftverkehr mit dem Finanzamt W ……..-Barmen sowie der Stadt W …….., Lohnabrechnungen, Lohnjournale, Beitragsnachweise an die AOK sowie die Brühler Ersatzkasse und von den Vorgängen des Klägers angefertigte Kontenblätter.
Die weitergehende Klage sowie die Widerklage werden abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu einem Drittel und die Beklagte zu zwei Dritteln.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die zulässige Berufung hat in der Sache nur teilweise Erfolg.
A. Das erstinstanzliche Verfahren beruht auf wesentlichen Verfahrensfehlern i.S.d. § 539 ZPO, weil das LG den Kläger entgegen §§ 139, 278 Abs. 3 ZPO nicht auf die ihm erstmals im Urteil mitgeteilten Substantiierungsbedenken hingewiesen hat.
In der Terminsverfügung des früheren Kammervorsitzenden vom 15.3.2000 (Bl. 24 GA) ist der Kläger weder „deutlich” (Bl. 70 GA) noch überhaupt auf eine mangelnde Substantiierung seines Vorbringens hingewiesen worden. Sie erschöpft sich vielmehr in nicht näher ausgeführten Hinweisen auf „sich aus § 9 StBGebV ergebende(n) und zudem rechnerische(n) Bedenken gegen die Schlüssigkeit”, die der Kläger in seiner Stellungnahme vom 28.6.2000 zu recht als nicht nachvollziehbar bezeichnet (Bl. 27 GA) und die nicht einmal die angefochtene Entscheidung selbst aufgegriffen hat. Die sodann mit Verfügung vom 30.6.2000 erteilten Hinweise des Vorsitzenden betrafen lediglich „beispielhaft” aufgeführte Einzelpunkte (Bl. 27 RS), die teilweise (lit. b) allenfalls zu einer Herabsetzung der Gebührenforderung hätten führen können und im Übrigen keinerlei Anhalt für die Annahme boten, dass auch die anderen – weit überwiegenden – Rechtspositionen nicht schlüssig dargelegt seien. Der die Entscheidung tragende Gesichtspunkt, dass der Kläger zur Substantiierung des Klagevortrags seine Arbeitsergebnisse oder sonstige Unterlagen habe vorlegen müssen, ist dagegen weder dort noch in sonstigen Hinweisen des Gerichts enthalten; er ergibt sich auch nicht aus irgendeinem Verteidigungsvorbringen der Beklagten. Diese hat zwar (nach den gerichtlichen Hinweisen) geltend gemacht hat, dass ihr – der Beklagten – die Arbeiten des Klägers nicht vorgelegt worden seien. Dies hatte jedoch mit Substantiierungsbedenken i.S.d. angefochtenen Entscheidung nichts zu tun; es beruhte vielmehr auf der materiellrechtlichen Ansicht der Beklagten, dass der Gebührenanspruch eines Steuerberaters auch erst mit der Vorlage seiner Arbeitsergebnisse entstehe, wenn er sich auf ein Zurückbehaltungsrecht aus § 66 Abs. 4 StBerG beruft.
Erst recht konnte der Kläger den Verfügungen vom 15.3. und 30.6.1999 nicht entnehmen, dass das LG den (zu diesem Zeitpunkt von den Parteien weder vorgelegten noch überhaupt angesprochenen) Fristverlängerungsanträgen vom 21.12.1999 entscheidungserhebliche Bedeutung beimessen würde. Aus welchen prozess- oder materiellrechtlichen Gründen der Kläger aufgrund dieser Anträge die Kammer von einer Leistungserbringung bis Mandatsbeendigung habe überzeugen müssen und weshalb dies ausschließlich durch Vorlage irgendwelcher Ab- oder Durchschriften möglich sein soll, ist nicht einmal im Urteil dargelegt und in jedem Fall verfahrensfehlerhaft. Soweit sich das LG damit der Rechtsauffassung der Beklagten anschließen wollte, hätte es den Kläger nach § 278 Abs. 3 ZPO a.F. hierauf hinweisen müssen, weil dieser im Streit über das Widerklagebegehren von einem gegenteiligen Standpunkt ausging. Im Übrigen hatte der Kläger seinen Vortrag über Art, Gegenstand und Zeitpunkt der von ihm erbrachten Leistungen bereits vor der mündlichen Verhandlung vom 12.6.2001 unter Zeugenbeweis gestellt; soweit das LG sein Vorbringen anders verstehen wollte, hätte es nach § 139 Abs. 1 S. 1 letzte Alt. ZPO auf eine Klarstellung hinwirken müssen. In keinem Fall durfte es von der Vernehmung des Zeugen deshalb absehen, weil es für den Kläger „ein Leichtes” gewesen wäre, den Beweis der vom LG als entscheidungserheblich angesehenen Tatsache im Urkundenbeweis zu führen; die ZPO stellt es in die freie Entscheidung jeder Partei, mit Hilfe welches dort zugelassenen Beweismittels sie das Gericht von der Richtigkeit ihrer Behauptung...