Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Berücksichtigung von "Schwarzgeld" bei der Testamentsauslegung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Verfügt ein Erblasser in einem Testament über einzelne Vermögensgegenstände, die nach seiner Vorstellung sein wesentliches Vermögens ausmachen, so kann in Ermangelung von sonstigen Anhaltspunkten für eine individuelle Auslegung in Abweichung von der Auslegungsregel des § 2087 Abs. 2 BGB grundsätzlich von einer Erbeinsetzung ausgegangen werden. Von einer solchen Verfügung über das wesentliche Vermögen kann aber nicht mehr ausgegangen werden, wenn nach der Vorstellung des Erblassers der Wert der zugewendeten Gegenstände weniger als 80 % seines gesamten Vermögens beträgt.

2. Gehören zu den von dem Erblasser zugewendeten Gegenständen ausweislich des Testamentswortlauts "Anlagen" bei im Einzelnen bezeichneten inländischen Banken, während auf einem Konto im Ausland (Schweiz) angelegtes "Schwarzgeld" in erheblicher Höhe nicht erwähnt wird, kann ohne weitere konkrete Anhaltspunkte nicht davon ausgegangen werden, dass der Erblasser dieses dennoch stillschweigend von seiner Verfügung umfasst sehen wollte und nur deshalb nicht erwähnt hat, weil er die Konten im Ausland auch nach seinem Tod möglichst geheim halten wollte.

 

Normenkette

BGB § 2087; FamFG § 352

 

Verfahrensgang

AG Rüdesheim am Rhein (Beschluss vom 07.12.2018)

 

Tenor

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben, soweit darin ausgesprochen ist, dass die Einziehung des Erbscheins vom 26.09.2017 beabsichtigt ist. Zugleich wird das Verfahren betreffend die Einziehung des Erbscheins vom 26.09.2017 aufgehoben und die Sache insoweit an das Amtsgericht Rüdesheim am Rhein - Nachlassgericht - zurückverwiesen.

Im Übrigen wird der angefochtene Beschluss abgeändert.

Der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 vom 22.11.2017 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Der am XX.XX.2017 verstorbene Vorname1 X (im Folgenden: Erblasser) war in einziger Ehe verheiratet mit der am XX.XX.1995 vorverstorbenen Vorname2 X, geborene C. Der Erblasser hatte keine Kinder. Die Eltern des Erblassers sind gleichfalls vorverstorben. Die Beteiligte zu 1 ist die Schwester des Erblassers, der Beteiligte zu 2 ist der Bruder des Erblassers. Der Erblasser hatte keine weiteren Geschwister.

Der Erblasser errichtete mit seiner Ehefrau am 08.06.1972 ein privatschriftliches Ehegattentestament (in beglaubigter Abschrift Bl. 4 d. A.), in welchem sich die Ehegatten gegenseitig zu alleinigen Erben einsetzten. Weitere Verfügungen trafen sie nicht.

Auf Antrag des Beteiligten zu 2 (Bl. 35 f. d. A.) erteilte das Nachlassgericht mit Zustimmung der Beteiligten zu 1 (Bl. 42 d. A.) unter dem 26.09.2017 einen gemeinschaftlichen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge (Bl. 40 d. A.), welcher die Beteiligten zu 1 und 2 zu je 1/2 Anteil als Erben des Erblassers ausweist.

Am 25.10.2017 erschien die Beteiligte zu 1 bei der Geschäftsstelle des Nachlassgerichts und übergab ein privatschriftliches Testament des Erblassers vom 19.03.2007 (in beglaubigter Abschrift Bl. 47 d. A.), welches sie im Nachlass des Erblassers vorgefunden habe. Insoweit wird auch auf die Niederschrift der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Nachlassgerichts vom 25.10.2017 (Bl. 45 m. Rs. d. A.) Bezug genommen.

In jenem von dem Nachlassgericht am 27.10.2017 eröffneten Testament, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, traf der Erblasser zunächst die folgende Verfügung:

"1.) Mein Anteil am Elternhaus [...] geht an meine Schwester [die Beteiligte zu 1] wohnhaft [...]"

Unter den Ziffern 2 und 3 verfügte er, dass zwei weitere Immobilien - ein Haus in Stadt1 und eine Ferienwohnung - je zur Hälfte an die Beteiligte zu 1 und an Frau B "gehen" sollen.

Schließlich verfügte der Erblasser, dass seine "Anlagen bei der Bank1 u. der Bank2" gleichfalls je zur Hälfte an die Beteiligte zu 1 und an Frau B gehen sollen.

Frau B ist ausweislich der Sterbeurkunde (Bl. 64 d. A.) am XX.XX.2017 vorverstorben.

Mit öffentlicher Urkunde vom 22.11.2017 (Bl. 59 ff. d. A.), auf welche wegen ihrer Einzelheiten verwiesen wird, hat die Beteiligte zu 1 gestützt auf das Testament vom 19.03.2007 bei dem Nachlassgericht die Erteilung eines Erbscheins beantragt, welcher sie als Alleinerbin des Erblassers ausweisen soll.

Sie hat zugleich beantragt, den bereits erteilten gemeinschaftlichen Erbschein vom 26.09.2017 einzuziehen und für kraftlos zu erklären.

Sie hat die von ihr beanspruchte Alleinerbenstellung damit begründet, dass der Erblasser Verfügungen über sein wesentliches Vermögen und damit Erbeinsetzungen der Bedachten getroffen habe. Der Erbanteil der vorverstorbenen Frau B sei der Beteiligten zu 1 angewachsen.

Der von dem Nachlassgericht zu dem Erbscheinsantrag angehörte Beteiligte zu 2 hat diesem widersprochen.

Er hat u. a. eingewendet, dass der Erblasser Zeit seines Lebens sehr genau gewesen sei. Er habe sein gesamtes Vermögen, insbesondere Bankguthaben und Bargeldbestände, die er teilweise im Schließfach und teilweise zu Hause versteckt aufbewah...

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