Entscheidungsstichwort (Thema)
Selbstanfechtung des Erblassers von vertraglichen Verfügungen eines Erbvertrages und Vertrauensschutz des Begünstigten
Leitsatz (amtlich)
Das Selbstanfechtungsrecht eines Erblassers im Hinblick auf vertragsmäßige Verfügungen eines Erbvertrages nach § 2281 BGB wird nicht dadurch ausgeschlossen oder eingeschränkt, dass sich der Begünstigte im Vertrauen auf den Bestand der Verfügung in dem Erbvertrag zu lebzeitigen Leistungen gegenüber dem Erblasser verpflichtet hat (im Sinne eines sog. entgeltlichen Erbvertrags).
Normenkette
BGB §§ 242, 2274, 2281
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar. Die erstinstanzlichen Daten werden aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht mitgeteilt.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Beteiligte zu 1 hat der Beteiligten zu 2 für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens etwa entstandene notwendige Aufwendungen zu ersetzen.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 200.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Erblasser war seit XX.XX.2009 in zweiter Ehe verheiratet mit der Beteiligten zu 2. Die erste Ehefrau des Erblassers war am XX.XX.2005 vorverstorben. Der Beteiligte zu 1 ist der Sohn des Erblassers aus jener ersten Ehe. Der Erblasser hatte keine weiteren Kinder.
Der Erblasser und seine erste Ehefrau errichteten unter dem 11.02.2003 in der Form eines eigenhändigen gemeinschaftlichen Testaments ein von beiden Eheleuten unterschriebenes und mit "Testament" überschriebenes Dokument, welches das Nachlassgericht nach dem Tode der Ehefrau am 13.06.2005 und nach dem Tode des Erblassers am 24.09.2018 eröffnet hat.
Ausweislich des wesentlichen Wortlauts jenes Schriftstücks (das im Folgenden ohne Rücksicht darauf, ob es sich dabei um ein wirksames Testament im Rechtssinne handelt, der Einfachheit halber auch als Ehegattentestament bezeichnet wird) setzten die Ehegatten nach ihrem Tode den Beteiligten zu 1 zum Vorerben ein; Nacherbin sollte die Enkeltochter Vorname1 Nachname1 (jetzt: Nachname2) - die Tochter des Beteiligten zu 1 - sein.
Wegen der Einzelheiten jener Urkunde wird auf diese (Bl. 5 der Testamentsakten des Nachlassgerichts zu ...) Bezug genommen.
Nach dem Tod seiner ersten Ehefrau unterschrieb der Erblasser jenes Schriftstück am 29.05.2005 erneut und lieferte es bei dem Nachlassgericht ab. Er beantragte gestützt darauf zunächst die Erteilung eines Erbscheins nach seiner Ehefrau, welcher ihn als deren Alleinerben ausweisen sollte. Zu dem Erbscheinsantrag erklärte er (vgl. Bl. 3 der Akten des Nachlassgerichts zu ...), er und seine Ehefrau seien davon ausgegangen, dass beim Tode eines Ehegatten der andere auf jeden Fall Alleinerbe werde. Hätten sie gewusst, dass dies das Gesetz nicht vorsehe, hätten sie sich zunächst als Alleinerben eingesetzt.
Im weiteren seinerzeitigen Verfahren erklärten zunächst der dort angehörte Beteiligte zu 1 und in der Folge auch der Erblasser u. a., dass es sich bei dem Schriftstück vom 11.02.2003 lediglich um einen Entwurf gehandelt habe, was insbesondere der Beteiligte zu 1 näher begründete. Wegen der Einzelheiten wird auch auf die Schreiben des Beteiligten zu 1 vom 20.06.2005 (Bl. 11 ff. d. Akten des Nachlassgerichts zu ...) und des Erblassers vom 21.07.2005 (Bl. 14 d. Akten des Nachlassgerichts zu ...) verwiesen.
Auf Hinweis des Nachlassgerichts änderte der Erblasser seinen Erbscheinsantrag ab, worauf ihm unter dem 28.07.2005 aufgrund gesetzlicher Erbfolge ein Erbschein (Bl. 17 d. Akten des Nachlassgerichts zu ...) erteilt wurde, der ihn und den Beteiligten zu 1 zu je 1/2 als Erben seiner ersten Ehefrau ausweist.
In das Vermögen des Erblassers und seiner ersten Ehefrau fiel neben Bankguthaben im Wesentlichen ein Hausgrundstück, als dessen Eigentümer ursprünglich die Ehegatten zu je 1/2 im Grundbuch eingetragen waren. Nach dem Tod der ersten Ehefrau sind aufgrund des nach dieser erteilten Erbscheins der Erblasser zu 1/2 sowie zur weiteren Hälfte der Erblasser und der Beteiligte zu 1 in Erbengemeinschaft als Eigentümer eingetragen.
Zur Urkunde des Notars A in Stadt1 (dessen UR-Nr. ...) vom 06.03.2006, die mit "Selbstanfechtung eines Testaments, Zuwendungsverzichtsvertrag und Erbvertrag" überschrieben ist, gaben der Erblasser, der Beteiligte zu 1 und die Tochter des Beteiligten zu 1, Vorname1 Nachname1, verschiedene Erklärungen ab.
Unter Ziff. I der Urkunde erklärte der Erblasser - wie schon im Erbscheinsverfahren betreffend den Nachlass seiner ersten Ehefrau -, dass das Schriftstück vom 11.02.2003 nicht das Testament der Eheleute habe darstellen, sondern lediglich als Grundlage für ein Gespräch bei einem Notar habe dienen sollen. Er schilderte weiterhin den Ablauf des Erbscheinsverfahrens nach seiner ersten Ehefrau bis zur Erteilung des Erbscheins.
Er erklärte, aus den von ihm zuvor dargestellten Gründen das Schriftstück vom 11.02.2003, das nicht als Testament gedacht gewesen sei, vorsorglich anzufechten.
Unter Ziff. II 1 der Urkunde führte der Erblasser aus, dass der Beteiligte zu 1 den in der Urkunde vom 11.02.2003 nur...