Verfahrensgang
LG Kassel (Aktenzeichen 1650 Js 6861/06 3 KLs) |
Gründe
Der Angeklagten wird in einem umfangreichen Wirtschaftsstrafverfahren u. a. Steuerhinterziehung und gewerbsmäßiger Betrug zur Last gelegt.
Mit Beschluss vom 07.12.2008 ordnete das Amtsgericht - wie sich (nur) aus den Gründen ergibt - zur Sicherung von Ersatzansprüchen der Geschädigten "den dinglichen Arrest in Höhe von 50.000. EUR" an, der in der Folgezeit der Vollziehung - Eintragung einer Arresthypothek am Hausgrundstück der Angeklagten in O1 - zugeleitet wurde. Gegen die Arrestanordnung legte die Angeklagte mit Schriftsatz vom 20.12.2006 Beschwerde ein, die mit Schriftsatz vom 22.03.2007 zu den Akten gelangte. Am 22.02.2007 beantragte sie beim Ermittlungsrichter ferner Aufhebung des Arrestes. Nachdem am 26.09.2007 Anklage u.a. gegen die Beschwerdeführerin erhoben worden war u.a. wegen Steuerhinterziehung in 9 Fällen und gewerbsmäßigen Betruges in 2 Fällen, hat die Kammer - nach dem hierdurch bewirkten erfolgten Zuständigkeitswechsel - zutreffend (vgl. Senat, Beschl. v. 08.10.2007 - 3 Ws 985/07) die Beschwerde in einen Antrag auf Aufhebung der Arrestanordnung umgedeutet und diesen und den gleichgerichteten, ursprünglich an den Ermittlungsrichter gerichteten und noch nicht erledigten Antrag dahingehend beschieden, dass "die Anordnung des dinglichen Arrestes bestätigt" werde. Es liege dringender Tatverdacht bezüglich der unter B I 1-9 der Anklage (Steuerhinterziehung in 9 Fällen) und unter B II der Anklage (gewerbsmäßiger Betrug in 2 Fällen zu Lasten der Wohngeldstelle des Landkreises ...) vor, auch bestehe ein hoher Grad von Wahrscheinlichkeit, dass der Verfall von Wertersatz in Höhe von 37.356, 04 EUR (rechnerisch richtig: 38.391,40 EUR), erlangt aus den Steuerdelikten und 3.194 EUR, erlangt aus den Betrugstaten, angeordnet werde. Am 12.03.2008 hat die Kammer die Anklage zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet.
Letztgenannter Beschluss wurde der Angeklagten mit folgendem Anschreiben des Vorsitzenden der Kammer zugestellt: ".... wird darauf hingewiesen, dass zunächst nur das Hauptverfahren eröffnet worden ist. Im Hinblick darauf, dass die 3. Strafkammer auch die Bestände des 6. Strafkammer als Wirtschaftsstrafkammer übernommen hat, von denen einige vor der absoluten Verjährung stehen, kann derzeit noch nicht gesagt werden, wann die Sache ... u.a. terminiert werden kann."
Es wurde eine Wiedervorlagefrist von zwei Monaten verfügt. Auf Nachfrage des Berichterstatters hat die (Zweit-)Vertreterin des Vorsitzenden am 22.04. 2008 mitgeteilt: Die Sache sei nach wie vor nicht terminiert. Aus den Gründen des Schreibens des Vorsitzenden vom 13. März 2008 (Blatt 181 Band XII) sei aller Voraussicht nach mit einer Terminierung vor Ende des Jahres 2008 nicht zu rechnen. Die Kammer sei bis Ende des Jahres mit 3 Terminstagen pro Woche "durchterminiert". Es laufe ein Großverfahren, dessen Ende nicht absehbar sei, auch Haftsachen und Jugendsachen stünden an. Ferner gebe es noch deutlich ältere Wirtschaftsstrafsachen als die vorliegende (hiermit sind wohl diejenigen gemeint, bei denen laut Vorsitzendem die Verfolgungsverjährung droht).
Die gegen den Beschluss vom 19.02.2008 gerichtete, nach § 304 I StPO zulässige Beschwerde der Angeklagten hat auch in der Sache Erfolg. Die Arrestanordnung konnte aus Gründen der Verhältnismäßigkeit keinen weiteren Bestand haben.
Der dingliche Arrest und die auf seiner Grundlage ergehende Eintragung von Sicherungsrechten beschränken die Veräußerungs- und Belastungsmöglichkeiten des Hausgrundstückes und die wirtschaftliche Flexibilität der Angeklagten auf unbestimmte Zeit in einschneidender Weise; im Hinblick darauf, dass es sich dabei um eine lediglich vorläufige Maßnahme handelt, die nur auf Grund eines (dringenden) Tatverdachts erlassen wurde, steigen die Anforderungen (auch) an ihre Verhältnismäßigkeit mit der Dauer der durch sie bewirkten Einschränkungen des Eigentumsrechts der Angeklagten (BVerfG [3. Kammer des Zweiten Senats] , Beschl. v. 7.6.2005 - 2 BvR 1822/04, zit. nach [...]). Ein erlassener Arrestbefehl wird deshalb unverhältnismäßig, wenn der rechtskräftige Abschluss des Verfahrens allein durch Umstände aus der Sphäre des Staates unnötig verzögert wird, weil diesem Falle nämlich eine durch die Sache nicht mehr gebotene und damit nicht mehr hinzunehmende Belastung der Angeklagten entsteht (Senat, Beschl. 10.1.2008 - 3 Ws 27/08; OLG Köln, StV 2004, 413 = NStZ 2005, 400). Vom Eintritt einer unnötigen Verfahrenverzögerung, die zur Unverhältnismäßigkeit des Arrestes führt, ist vorliegend auszugehen.
Zwar hat die Kammer die aus dem Schreiben des Vorsitzenden und der telefonischen Auskunft seiner Vertreterin ersichtliche Terminslage, nach der zu erwarten steht, dass mit der Hauptverhandlung zumindest 9 Monate nach Eröffnung des Hauptverfahrens nicht begonnen werden kann, nicht zu vertreten. Sie ist der Überlastung der Kammer und der bekanntermaßen prekären Personalsituation geschuldet. Diese Umstände liegen aber ausschließ...