Entscheidungsstichwort (Thema)
Wettbewerbsverstoß durch Vertrieb unsicherer Erzeugnisse im Sinne des Produktsicherheitsrechts
Leitsatz (amtlich)
1. Vertreiben Unternehmen gleichartige Erzeugnisse (hier: Sektionaltore), besteht zwischen ihnen ein konkretes Wettbewerbsverhältnis grundsätzlich auch dann, wenn die jeweiligen Produkte sich in Qualität und Preis erheblich unterscheiden; dies gilt auch bei einer Tätigkeit auf verschiedenen Vertriebsstufen.
2. Für die - zugleich im Sinne von § 3a UWG unlautere - Bereitstellung eines technischen Erzeugnisses auf dem Markt, welches den produktsicherheitsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht wird, haftet neben dem Hersteller auch der Händler unter den Voraussetzungen des § 6 V ProdSG . Diese Voraussetzungen sind - selbst wenn der Verstoß nur bei näherer Kenntnis des Produkts und der einschlägigen Vorschriften des Produktsicherheitsrechts erkennbar ist - regelmäßig jedenfalls dann erfüllt, wenn der Händler der Generalvertreter des Herstellers für mehrere europäische Länder ist und ausschließlich Erzeugnisse dieses Herstellers vertreibt.
Normenkette
ProdSG § 6; UWG § 2 Abs. 1 Nr. 2, § 3a
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 29.03.2017; Aktenzeichen 3-8 O 23/16) |
Tenor
1.) Die Berufungen der Beklagten gegen das Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 29.03.2017, Az. 3-08 O 23/16 werden zurückgewiesen.
2.) Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten.
3.) Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 110.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Produktsicherheit von der Beklagten zu 2.) hergestellten und von der Beklagten zu 1.) vertriebenen Sektionaltoren.
Das Landgericht hat mit Urteil vom 29.03.2017, auf das wegen des Sachverhaltes gem. § 540 I ZPO Bezug genommen wird, die Beklagten antragsgemäß zur Unterlassung der Bewerbung und des Angebots von Sektionaltoren verurteilt, die nicht durch eine nur durch Werkzeug abnehmbare Schutzeinrichtung vor Gefährdungen an Quetsch-, Scher- und Einzugsstellen gesichert sind. Für die gleichen Tore hat das Landgericht eine Bewerbung mit einer CE-Kennzeichnung untersagt.
Hiergegen wenden sich die Beklagten mit ihren Berufungen. Sie halten die Klageanträge für zu unbestimmt. Darüber hinaus sei die Klägerin nicht aktivlegitimiert, da die Tore der Klägerin günstiger seien als die der Beklagten und daher eine andere Zielgruppe ansprächen. In der Sache gäbe es selbst bei einem Nichteinhalten der einschlägigen Norm keine Vermutung der Unsicherheit. Die Tore seien nämlich aufgrund ihrer Konstruktion gleichwohl sicher. Die Beklagte zu 1.) ist der Auffassung, sie hafte als Händlerin nicht für die Einhaltung der Produktsicherheitsvorschriften.
Die Beklagten beantragen,
unter Abänderung des am 29.03.2017 verkündeten Urteils des Landgerichts Frankfurt, Az. 3-08 O 23/16 (berichtigt - die Red.) die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufungen der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt, Az. 3-08 O 23/16 (berichtigt - die Red.) zurückzuweisen.
II. Die zulässigen Berufungen der Beklagten haben in der Sache keinen Erfolg. Die von der Beklagten zu 2.) hergestellten und von der Beklagten zu 1.) in Deutschland vertriebenen Sektionaltore genügen nicht den Anforderungen der Ziff. 1.4.2.1. des Anhangs I der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG, die über § 3 I Nr. 1 ProdSG i.V.m. § 3 II Nr. 1 der 9. ProdSVO (Maschinenverordnung) Gesetzeskraft aufweisen. Für diesen nach § 3a UWG unlauteren Verstoß haftet nicht nur die Beklagte zu 2.) als Herstellerin, sondern nach § 6 V ProdSG auch die Beklagte zu 1.) als Händlerin, da sie nicht dazu beigetragen hat, dass nur sichere Verbraucherprodukte auf dem Markt bereitgestellt werden.
1.) Zu Recht ist das Landgericht von einer hinreichenden Bestimmtheit der Klageanträge und des gleichlautenden Tenors des landgerichtlichen Urteils ausgegangen. Durch die Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform (hier Anlagen K 2 und K 13) ist ein Klageantrag im Regelfall als hinreichend bestimmt anzusehen (BGH GRUR 2011, 540 [BGH 04.11.2010 - I ZR 118/09] - Rechtsberatung durch Lebensmittelchemiker). Aus Tenor und Begründung des Landgerichts wird darüber hinaus deutlich, dass hinsichtlich des Tores der Beklagten eine Unterlassungspflicht (nur) unter dem Gesichtspunkt begründet werden sollte, dass die Zargenblende an den Einläufen eine Gefahrenquelle darstellt, weil es beim Schließen des Tores zu einer gefährlichen Quetsch- und Scherkante kommt und die Schutzblende auch ohne Werkzeug abnehmbar ist. Soweit die Beklagten darauf hinweisen, in der in Bezug genommenen Anlage K 13 werde auf Seite 7 auch ein weiterer Verstoß behauptet (mitfahrende Bleche), ist dies weder von Klägerseite ausdrücklich angeführt worden noch durch das Landgericht in der Begründung in irg...