Entscheidungsstichwort (Thema)
TKÜ. Telekommunikationsüberwachung. Zufallserkenntnisse. Verwertbarkeit. Angriffsrichtung einer Verfahrensrüge
Leitsatz (amtlich)
1. Die nach §§ 100a, 100b StPO gewonnenen Überwachungsergebnisse dürfen in dem Verfahren gegen den Beschuldigten und alle Tatbeteiligten - auch bei Begünstigung, Hehlerei und Strafvereitelung - verwertet werden. Es liegen insoweit keine Zufallserkenntnisse vor.
2. Kommen nach den vorgetragenen Tatsachen mehrere Verfahrensmängel in Betracht, ist vom Beschwerdeführer. darzutun, welcher Verfahrensmangel geltend gemacht wird, um somit die Angriffsrichtung der Rüge deutlich zu machen. Im Falle Rüge der Verletzung der §§ 100a, 100b StPO haben die Rüge, es handele sich um nicht verwertbare Zufallserkenntnisse und die Rüge, die Beschlüsse des Ermittlungsrichters nach §§ 100a, 100b StPO hätten nicht den gesetzlichen Anforderungen genügt, unterschiedliche Angriffsrichtungen.
Normenkette
StPO §§ 100a, 100b, 477 Abs. 2 S. 2, § 344 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
LG Dortmund (Entscheidung vom 07.09.2010; Aktenzeichen 51 Ns 18/10) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsmittels - an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Dortmund hat den Angeklagten mit Urteil vom 07.09.2010 wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei in 24 Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 400 Tagessätzen zu je 30,00 EUR verurteilt. Gegen dieses Urteil haben der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft Dortmund form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Mit Urteil vom 14.02.2013 hat das Landgericht Dortmund die Berufung des Angeklagten verworfen und ihn auf Berufung der Staatsanwaltschaft Dortmund nach erfolgter Beschränkung gem. § 154 StPO wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei in 23 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Gegen dieses ihm auf Anordnung des Vorsitzenden vom 19.03.2013 am 18.04.2013 zugestellte Urteil hat der Angeklagte mit bei dem Landgericht Dortmund am 19.02.2013 eingegangenem Schreiben seines Verteidigers vom 15.02.2013 Revision eingelegt und diese mit bei dem Landgericht Dortmund am 29.04.2013 eingegangenem Schreiben vom 24.04.2013 mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet.
II.
Die zulässige Revision des Angeklagten hat teilweise Erfolg.
1.
Die Strafzumessungserwägungen im angefochtenen Urteil halten rechtlicher Überprüfung nicht Stand. Die Generalstaatsanwaltschaft hat in Ihrer Antragsschrift insoweit zutreffend ausgeführt:
"Der Strafausspruch kann keinen Bestand haben, weil das Landgericht im Rahmen der Strafzumessung einen bestimmenden Strafmilderungsgrund nicht - zumindest nicht erkennbar - berücksichtigt hat. Zwar hat es zugunsten des Angeklagten "nicht unberücksichtigt" gelassen, dass die Taten bereits "längere Zeit zurückliegen". Mit dieser eher formelhaft wirkenden Erwägung hätte es aber nicht sein Bewenden haben dürfen. Denn damit verkennt die Kammer, dass nicht nur der Zeitablauf seit der Tat sondern auch eine lange Verfahrensdauer ein bestimmender Strafzumessungsgrund im Sinne des § 267
Abs. 3 S. 1 StPO ist (vgl. Fischer, StGB, 60. Auflg., § 46 Rdn. 61). Die sich aus den Urteilsfeststellungen ergebenden Zeitangaben - Taten zwischen
dem 01.07.2004 und 11.01.2005 (Bl. 325 ff Bd. II d.A.), erstinstanzliches Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 07.09.2010, Berufungsurteil (erst) vom 14.02.2013 - hätten die Strafkammer zu einer Erörterung des naheliegenden Strafmilderungsgrundes einer überlangen Verfahrensdauer veranlassen müssen. Dies gilt umso mehr, als eine solche in der Regel selbst dann strafmildernd wirkt, wenn sie - was vorliegend eher fern liegen dürfte - sachlich begründet gewesen sein sollte (Fischer, a.a.O.)."
Diesen Ausführungen schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an und weist darauf hin, dass der - vom Senat von Amts wegen zur Kenntnis zu nehmende - Strafbefehl aus April 2009 stammt.
Einer Prüfung, ob auch die Nichterörterung einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung allein auf die Sachrüge hin hier zum Erfolg geführt hätte, bedarf es nicht. Der o.g. Rechtsfehler führt bereits zur Aufhebung im Rechtsfolgenausspruch insgesamt und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts Dortmund (§§ 349 Abs. 4, 354 Abs. 2 StPO) und gibt dem neuen Tatrichter auch die Möglichkeit, ggf. das Vorliegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung zu prüfen und eine entsprechende Feststellungs- oder Kompensationsentscheidung zu treffen. Der neue Tatrichter wird dann auch erneut zu prüfen haben, ob ein minder schwerer Fall nach § 374 Abs. 2 S. 2 AO in der ab dem 01.08.2008 gültigen Fassung (§ 2 Abs. 3 StGB) gegeben ist.
2.
In Übrigen weist das Urteil keine Recht...