Entscheidungsstichwort (Thema)
Informationsrecht der Presse und Steuergeheimnis: Verweigerung der Auskunftserteilung durch Staatsanwaltschaft im Steuerstrafverfahren
Leitsatz (redaktionell)
1. Der das Auskunftsersuchen eines Rundfunkredakteurs ablehnende Bescheid der Staatsanwaltschaft über ein bei ihr anhängiges Ermittlungsverfahren ist ein Verwaltungsakt auf dem Gebiet der Strafrechtspflege, gegen den der Rechtsweg nach §§ 23ff GVGEG gegeben ist.
2. Das Steuergeheimnis ist als Geheimhaltungsvorschrift im Sinne des Presserechts anzusehen.
3. Der Schutz des Steuergeheimnisses endet nicht etwa deshalb, weil die Finanzbehörde die erlangten Kenntnisse in zulässiger Weise an die Staatsanwaltschaft zur Durchführung eines Strafverfahrens weitergeleitet hat und vom Besteuerungsverfahren zum Strafverfahren übergegangen worden ist.
4. Trotz der gebotenen restriktiven Auslegung stellt der durch die Presse vermittelte Informationsanspruch der Öffentlichkeit eine weitere Ausnahme im Sinne des § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO dar. Das Informationsinteresse, welches durch Mitteilung an die Presse befriedigt werden soll, ist ein öffentliches Interesse, das sich im vorliegenden Fall (Parteispendenaffäre) zu einem zwingenden öffentlichen Interesse verdichtet hat.
5. Die danach grundsätzlich begründete Presseinformationspflicht der Staatsanwaltschaft, findet allerdings ihre Grenzen in der in allen Strafverfahren zu beachtenden Rücksichtnahme auf überwiegende Persönlichkeitsrechte der Beschuldigten. Unnötige Bloßstellungen sind zu vermeiden. Im Ermittlungsverfahren reicht deshalb nach Ansicht des Senats eine Information ohne Namensnennung aus. Anklageerhebung und Anträge auf Erlaß von Strafbefehlen werden mitzuteilen sein, wenn der dann noch bestehende Tatverdacht für die Öffentlichkeit wesentliche Straftaten bedeutenden Umfangs umfaßt.
Normenkette
AO § 30; LPG NRW § 4; EGGVG § 23
Tatbestand
I.
Der Antragsteller ist Redakteur des W.; er gehört dem Studio B. des W. an und moderiert verschiedene politische Magazinsendungen. Im Zusammenhang mit seiner journalistischen Tätigkeit beschäftigt sich der Antragsteller mit der sogenannten „Parteispenden-Affäre”. In dieser „Affäre” sind staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen einen größeren Kreis von Personen eingeleitet worden, die Geldspenden zugunsten einer politischen Partei gewährt und diese Spenden unter Verschleierung des wahren Zahlungszwecks in steuerlich unzulässiger Weise bei der Besteuerung ihres Einkommens als Betriebsausgaben geltend gemacht haben sollen. Die Pressestelle des Leitenden Oberstaatsanwalts in Bonn hat die Medien zunächst über Umfang und Ausmaß des Ermittlungsverfahrens unterrichtet. Nachdem sie weitere Auskünfte ablehnte, hat der Antragsteller mit Schreiben vom 11.12.1979 förmlich um Beantwortung folgender auf die anhängigen Ermittlungsverfahren bezogene Fragen gebeten:
„1.) Ist das gegen die Herren S., M., F. und L. wegen des Verdachts der Beihilfe zur Steuerverkürzung eingeleitete Ermittlungsverfahren noch anhängig? Gegen welche weiteren Personen wird im selben Zusammenhang ermittelt?
2.) Was ist konkret der Gegenstand des Ermittlungsverfahrens, insbesondere welcher Sachverhalt ist bisher als feststehend ermittelt worden?
3.) Wann ist mit einem Abschluß der Ermittlungen zu rechnen?
4.) Wird die Staatsanwaltschaft Bonn interessierte Vertreter der Presse wie üblich nach Abschluß des Ermittlungsverfahrens unterrichten, und darf ich gegebenenfalls mit einer Benachrichtigung von Ihnen rechnen”?
Der Leitende Oberstaatsanwalt in Bonn hat die Erteilung der Auskunft mit Bescheid vom 18.12.1979 abgelehnt. Er hat zur Begründung ausgeführt:
„1.) Das bei der Staatsanwaltschaft Bonn gegen M., S., F. und L. wegen des Verdachts der Beihilfe zur Steuerverkürzung anhängige Ermittlungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Die Staatsanwaltschaft sieht sich durch § 30 der Abgabenordnung an einer Auskunft über den weiteren Personenkreis der Beschuldigten gehindert. Namen können nämlich in Steuerstrafsachen generell allenfalls auf Anfrage bestätigt werden.
2.) Einer Mitteilung des Verfahrensgegenstandes bzw. des bisherigen Ermittlungsergebnisses steht § 30 Abgabenordnung entgegen.
3.) Ein Abschluß der Ermittlungen ist z.Zt. noch nicht abzusehen.
4.) Der Pressestelle der Staatsanwaltschaft ist es durch § 30 AO verwehrt, die Medien im Falle der Anklageerhebung oder eines Antrags auf Erlaß eines Strafbefehls zu unterrichten. An eine Mitteilung des Ermittlungsergebnisses könnte allenfalls bei einer Einstellung des Verfahrens gedacht werden, weil die in Betracht kommenden Personen dann durch die Veröffentlichung nicht beschwert wären”.
Hiergegen richtet sich der Betroffene mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Er beantragt,
„den Antragsgegner unter Aufhebung seines Bescheides vom 18. Dezember 1979 zu verpflichten, dem Antragsteller Auskunft zu folgenden Fragen zu erteilen:
1.) Gegen welche Personen ermittelt die Staatsanwaltschaft Bonn im Zusammenhang mit der sogenannten „Parteispenden-Affäre” wegen ...