Leitsatz (amtlich)

1. Soweit sich ein Unterhaltsberechtigter darauf eingerichtet hat, zur Sicherstellung seines eigenen Lebensbedarfes keine weiteren Einkünfte erzielen zu müssen, kann im Rahmen eines Abänderungsverfahrens gem. § 239 FamFG ein Vertrauenstatbestand hinsichtlich der Höhe des im Vergleich zugrunde gelegten fiktiven Erwerbseinkommens gerechtfertigt sein.

2. Inwieweit der Unterhaltsverpflichtete seine unterhaltsrechtliche Obliegenheit dadurch verletzt, dass er nicht bzw. verspätet einen Antrag nach § 33 VersAusgG stellt, ist daran zu messen, ob er sich hierdurch unterhaltsbezogen leichtfertig verhalten hat. Gerade dann, wenn der Unterhaltsverpflichtete davon ausgeht, gar keinen Unterhalt mehr zahlen zu müssen, kann dies in der Regel nicht angenommen werden.

3. Im Rahmen des § 1578b BGB sind auch nach der Gesetzesänderung zum 1.3.2013 ehebedingte Nachteile vorrangig zu prüfen; soweit die fortwirkende nacheheliche Solidarität den wesentlichen Billigkeitsmaßstab bildet, gewinnt die Ehedauer an Gewicht, was sich durch die am 1.3.2013 in Kraft getretene Neufassung nicht geändert hat (im Anschluss an BGH, Urt. v. 12.4.2013 - XII ZR 72/11, NJW 2013, 596).

 

Normenkette

FamFG § 239; VersAusglG § 33; BGB § 1578b

 

Verfahrensgang

AG Gladbeck (Beschluss vom 04.10.2012; Aktenzeichen 20 F 240/12)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des AG - Familiengerichts - Gladbeck vom 4.10.2012 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Vergleich vom 16.5.2008 - Az. 7 UF 267/07 OLG Hamm - wird dahingehend abgeändert, dass der Antragsteller für die Zeit ab April 2012 nur noch verpflichtet ist, an die Antragsgegnerin monatlichen Nachscheidungsunterhalt i.H.v. 484 EUR zu zahlen, die künftig fällig werdenden Zahlungen monatlich im Voraus bis zum Dritten eines jeden Monats.

Die Beschwerde im Übrigen und die weiter gehenden Anträge werden zurückgewiesen.

Die Kosten der ersten Instanz und des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.

Die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung wird angeordnet.

Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 11.200 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Antragsteller begehrt die Abänderung eines Vergleichs über die Zahlung nachehelichen Unterhalts für die Zeit ab dem 1.4.2012.

Der am 19.3.1949 geborene Antragsteller und die am 25.2.1952 geborene Antragsgegnerin heirateten am 28.5.1971. Zu diesem Zeitpunkt war die Antragsgegnerin, die keine abgeschlossene Berufsausbildung hat und lediglich eine Lehre als Floristin begonnen hatte, bei der Firma T als Löterin beschäftigt. Aus der Ehe der Beteiligten sind die Kinder N, geboren am... 19..., und L-P, geboren am... 19..., hervorgegangen. Mit Geburt des ersten Kindes stellte die Antragsgegnerin ihre Berufstätigkeit ein. Später, im Jahre 1979, übte sie kurzzeitig eine Teilzeitbeschäftigung als Raumpflegerin aus, die sie jedoch krankheitsbedingt wieder aufgab. Am 29.9.2005 zog die Antragsgegnerin aus der ehelichen Wohnung aus. Seither lebten die Beteiligten voneinander getrennt. In der Folgezeit absolvierte die Antragsgegnerin beim Jugendamt einen dreijährigen Lehrgang und qualifizierte sich hierdurch als Tagesmutter. Parallel dazu betreute sie über einen Zeitraum von 4 1/2 Jahren in ihrer Wohnung ein Tageskind 15 Stunden wöchentlich zu einem Entgelt von 3 EUR pro Stunde. Durch Urteil des AG - Familiengericht - Gladbeck vom 15.1.2007 - 20 F 464/06 -, rechtskräftig seit dem 1.3.2007, wurde die Ehe der Beteiligten geschieden und der Versorgungsausgleich durchgeführt. Dieser wurde dahingehend geregelt, dass von den ehezeitlichen monatlichen Rentenanwartschaften des Antragstellers bei der Deutschen Rentenversicherung L-C-T i.H.v. insgesamt 1605,97 EUR Anwartschaften i.H.v. 733,01 EUR auf das Konto der Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung Westfalen, bezogen auf das Ende der Ehezeit am 31.10.2008, übertragen wurden. Der Entscheidung lagen eigene ehezeitliche Anwartschaften der Antragsgegnerin i.H.v. 139,96 EUR monatlich zugrunde. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Antragsteller Erwerbseinkünfte aus einer Tätigkeit bei der Firma B und Fördertechnik in C2. Ferner bezog er seit dem 21.7.1983 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Diese wurde aufgrund des Versorgungsausgleichs unter Berücksichtigung der Regelung des § 268a Abs. 2 SGB VI (sog. Rentnerprivileg) teilweise i.H.v. 340,78 EUR gekürzt.

Nach der Trennung der Beteiligten, ab Oktober 2005, hat der Antragsteller zunächst Trennungsunterhalt i.H.v. 700 EUR monatlich gezahlt. In dem Verfahren 20 F 484/05 AG Gladbeck einigten sich die Beteiligten vor dem OLG Hamm in der mündlichen Verhandlung vom 2.2.2007 auf die Zahlung eines monatlichen Trennungsunterhalts von 800 EUR für die Zeit von Februar 2007 bis zu Rechtskraft der Scheidung. Nach der Scheidung zahlte der Antragsteller weiterhin einen monatlichen Unterhalt von 700 EUR. In einem weiteren Verfahren vor dem AG Gladbeck - 20 F 189/07 - machte die Antragsgegnerin höheren nachehelichen Unterhalt gelte...

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