Leitsatz (amtlich)
Eine ungestörte intakte Beziehung zu einem leiblichen Elternteil ist geeignet, Zweifel am Bestehen eines Eltern-Kind-Verhältnisses zu begründen (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 25.08.2021 - XII ZB 442/18, juris).
Verfahrensgang
AG Freiburg i. Br. (Aktenzeichen 41 F 2266/20) |
Tenor
1. Die Beschwerde der Annehmenden gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Freiburg vom 15.03.2021 wird mit der klarstellenden Maßgabe zurückgewiesen, dass auch der Antrag des Anzunehmenden auf Annahme als Kind der Annehmenden zurückgewiesen wird.
2. Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 187.500 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die von den Antragstellern begehrte Volljährigenadoption des Anzunehmenden durch die Annehmende.
Der am ... geborene Anzunehmende ist der Neffe und das Patenkind der am ... geborenen Annehmenden.
Die Annehmende war mit dem am ... verstorbenen ... verheiratet. Aus dieser Ehe sind die beiden Kinder ..., geboren am ..., und ..., geboren am ..., hervorgegangen. Zu ihrer Tochter ... besteht seit etwa 35 Jahren kein persönlicher Kontakt mehr. Die Verbindung zu ihrem Sohn ... ist seit dem 01.03.2010 infolge einer Auseinandersetzung am 80. Geburtstag des Ehemannes der Annehmenden abgebrochen. Mit gemeinschaftlichem Ehegattentestament vom 11.06.2015 setzten sich die Eheleute wechselseitig zu unbeschränkten Alleinerben und den Anzunehmenden zum Schlusserben des Längerlebenden ein.
Der Anzunehmende unterhielt seit früher Kindheit regelmäßigen Kontakt mit der Annehmenden und ihrem verstorbenen Ehemann. Die Beziehungen intensivierten sich nach dem Tod des Vaters des Anzunehmenden in dessen zwölften Lebensjahr. Die Mutter des Annehmenden lebt seit 2015 in einer eigenen Wohnung im Haus der Annehmenden.
Am 24.08.2020 beantragten die Annehmende und der Anzunehmende, die Annahme als Kind des Anzunehmenden durch die Annehmende zu beschließen. Zur Begründung führten sie aus, dass zwischen ihnen seit rund 15 Jahren ein Eltern-Kind-Verhältnis bestehe. Die Ehefrau des Anzunehmenden hat der beantragten Annahme ihres Ehemannes ausdrücklich zugestimmt.
Das Amtsgericht hat die Annehmende und den Anzunehmenden am 09.02.2021 persönlich angehört. Den leiblichen Kindern der Annehmenden wurde rechtliches Gehör gewährt. Sie treten der Adoption entgegen.
Mit Beschluss vom 15.03.2021 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Freiburg den Antrag der Annehmenden auf Annahme des Anzunehmenden als Kind zurückgewiesen.
Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, dass dahinstehen könne, ob die Annahme mit Blick auf ein zwischen den Antragstellern entstandenes Eltern-Kind-Verhältnis sittlich gerechtfertigt sei, da der Volljährigenadoption jedenfalls überwiegende Interessen der leiblichen Kinder der Annehmenden gemäß § 1769 BGB entgegenstünden. Dies gelte insbesondere für die materiellen Interessen des leiblichen Kindes ..., dessen Pflichtteilsanspruch durch die beantragte Volljährigenadoption in Höhe von etwa 62.500 EUR verkürzt würde, was nach Abwägung aller weiteren Umstände nicht gerechtfertigt sei. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Ausführungen in der amtsgerichtlichen Entscheidung Bezug genommen.
Gegen diese ihr am 25.03.2021 zugestellte Entscheidung wendet sich die Annehmende mit ihrer am selben Tag beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde vom 26.04.2021 (Montag).
Zur Begründung macht sie geltend, dass eine Änderung der Erb- und Pflichtteilsquote alleine nicht zu einer unangemessenen Beeinträchtigung des leiblichen Kindes führen könne, was sich schon aus dem Umstand ergebe, dass das Gesetz die Adoption durch nicht kinderlose Annehmende ausdrücklich erlaube. Im Übrigen werde der Vermögensbestand der Annehmenden nicht notwendig derjenige bei ihrem Tod sein. Jedenfalls sei im Rahmen der Abwägung auch der Steuervorteil zu berücksichtigen, den der Anzunehmende durch die Adoption erlangen würde. Das Amtsgericht vergleiche zu Unrecht nur die rein quantitative Dauer der Beziehung zwischen der Annehmenden und ihrem leiblichen Sohn einerseits und dem Anzunehmenden andererseits. Tatsächlich komme der Lebenszeit und Dauer einer Lebensspanne im hohen Alter ein anderes Gewicht zu als in der Jugend und der mittleren Lebensphase. Die Annehmende habe sehr unter dem Zerwürfnis mit ihrem leiblichen Sohn gelitten und sei hierdurch vereinsamt. Das Ehegattentestament sei dennoch erst 2005 geändert worden. Wegen der Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf die Ausführungen im Schriftsatz vom 15.06.2021 Bezug genommen.
Das Beschwerdegericht hat die Beteiligten mit Verfügung vom 23.02.2022 darauf hingewiesen, dass eine intakte Beziehung des Anzunehmenden zu seinen leiblichen Eltern geeignet ist, Zweifel am Bestehen eines Eltern-Kind-Verhältnisses zwischen den Adoptionsbeteiligten zu begründen. Daraufhin hat die Annehmende unter Bezugnahme eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart (OLG Stuttgart ...