Leitsatz (amtlich)
Dass ein Ehevertrag erst mehrere Monate nach der Heirat geschlossen wird, steht dessen Beurteilung als sittenwidrig aufgrund einer Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände nicht grundsätzlich entgegen.
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Freiburg vom 29.05.2020 in Ziffern 3 und 4 des Tenors wie folgt abgeändert:
3. Der Antragsteller wird verpflichtet, der Antragsgegnerin Auskunft zu erteilen
a) über den Bestand des Anfangsvermögens zum 19.12.2003 und
b) über den Bestand des Endvermögens zum 27.12.2019
Im Übrigen werden die Anträge der Antragsgegnerin zu I 2 und I 3 zurückgewiesen.
4. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
II. Hinsichtlich Ziffer 2 und soweit in Ziffer 3 des Tenors der angefochtenen Entscheidung die weitergehenden angekündigten Stufenanträge der Antragsgegnerin zu II und III abgewiesen worden sind, wird die Entscheidung aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die außergerichtlichen Kosten im Beschwerdeverfahren - an das Familiengericht zurückverwiesen.
III. Die weitergehende Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.
IV. Gerichtskosten im Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
V. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 267.090 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die beteiligten, zwischenzeitlich rechtskräftig geschiedenen, Ehegatten streiten um die Folgesachen Zugewinnausgleich und nachehelichen Unterhalt.
Der Antragsteller ist Deutscher, die Antragsgegnerin, die (nur) die weißrussische Staatsangehörigkeit hat, lebte in Weißrussland, sie ist studierte Physikerin. Die Beteiligten fanden über eine Kontaktanzeige zueinander. Im Sommer 2002 hielt sich die Antragsgegnerin mit ihrem 1998 geborenen Sohn aus einer anderen Beziehung erstmals beim Antragsteller mehrere Monate in Deutschland auf. Im Januar 2003 zogen sie und ihr Sohn endgültig zum Antragsteller nach Deutschland um.
Die Beteiligten heirateten am 19.12.2003. Zu diesem Zeitpunkt war der Antragsteller 50 Jahre alt, die Antragsgegnerin fast 39 Jahre. Der Antragsteller hat aus erster, kurz vor der Heirat mit der Antragsgegnerin geschiedener Ehe zwei schon damals erwachsene Kinder.
Am 17.03.2004 schlossen die Ehegatten einen ersten notariellen Ehe- und Erbvertrag. Im eherechtlichen Teil finden sich folgende Regelungen:
"Für unsere Ehe schließen wir den gesetzlichen Güterstand aus und vereinbaren den Güterstand der Gütertrennung gem. § 1414 BGB.
1. Im Fall einer Ehescheidung soll jedoch derjenige Ehegatte, der im letzten Jahr vor der Scheidung ein geringeres Jahreseinkommen hatte als der andere von dem mehrverdienenden einen Betrag von 2.000,00 EUR erhalten, der bei Rechtskraft der Scheidung zu zahlen ist.
2. Wir schließen den Versorgungsausgleich teilweise dahingehend aus, dass die in der Ehezeit bis zur Einbürgerung der Ehefrau erworbenen Versorgungsanwartschaften nicht auszugleichen sind.
Auf die Vorschrift des § 1408 Abs. 2 wurde hingewiesen.
3. Sollte unsere Ehe binnen einer Frist, von drei Jahren an, vom heutigen Tag an gerechnet, geschieden werden, verzichten wir auf nachehelichen Unterhalt und nehmen den Verzicht jeweils an."
Der Antragsteller setzte außerdem die Antragsgegnerin erbvertraglich zu einem Drittel als seine Erbin ein.
Die im Vertrag angesprochene Einbürgerung der Antragsgegnerin erfolgte bislang nicht. Die Antragsgegnerin war damals ohne eigenes Erwerbseinkommen, besuchte einen Sprachkurs und war arbeitssuchend gemeldet. Nach einem in 2009 aufgenommenen sechsmonatigen Praktikum fand die Antragsgegnerin ab Mai 2010 Arbeit als Physikerin mit einem nach Klasse V besteuerten Nettoeinkommen in Höhe von monatlich EUR 1.400 EUR, seit 2011 ist sie stellvertretende Laborleiterin in einem Unternehmen und verdient nach eigenen Angaben netto knapp über 2.000 EUR.
Am 15.03.2013 schlossen die Ehegatten wiederum notariell unter Bezugnahme auf den früheren Ehe- und Erbvertrag einen Änderungsvertrag, in dem jeweils für den Fall der Scheidung nach § 6 Abs. 2 Nr. 2 VersAusglG der Versorgungsausgleich für die gesamte Ehezeit völlig ausgeschlossen und auf nachehelichen Unterhalt vollständig verzichtet wurde. Außerdem wurden die erbvertragliche Erbeinsetzung der Antragsgegnerin aufgehoben und ihr statt dessen ein Betrag von 5.000 EUR sowie ein Wohnrecht für die Dauer von 6 Monaten im Hause des Antragstellers jeweils vermächtnisweise zugewandt.
Die Ehegatten trennten sich 2018.
Mit Schriftsatz vom 18.12.2019 beantragte der Antragsteller die Scheidung der Ehe, die Zustellung erfolgte am 27.12.2019. Die Antragsgegnerin machte zunächst geltend, der Scheidungsantrag sei verfrüht, beantragte dann mit Datum vom 17.02.2020 ebenfalls die Scheidung.
Mit Schriftsatz vom 13.02.2020 stellte die Antragsgegnerin einen Stufenantrag zum Zugewinn.
Mit dem hinsichtlich des Ausspruchs zum Versorgungsausgleich und zum Anspruch auf Ausgleich des Zugewinns teilweise angefochtenen Beschluss hat das Familiengericht die Ehe ge...